Bei der Ankündigung der Angriffe am 21. Juni bezeichnete US-Präsident Donald Trump die Operation als „spektakulären militärischen Erfolg“. Der Iran hat bereits mit Raketenangriffen auf Israel reagiert. China und Russland haben unterdessen zu einer sofortigen Waffenruhe aufgerufen und davor gewarnt, dass eine stärkere Beteiligung der USA die regionale Stabilität und die Aussichten auf weltweiten Frieden ernsthaft gefährden könnte. Diese plötzliche Verschärfung des Konflikts bringt neue geopolitische Risiken mit weitreichenden Folgen für die globalen Märkte mit sich:
1. Öl- und Gaspreise: Anhaltend hohe Preise als zentrales Risiko
Die unmittelbarsten Auswirkungen betreffen die Energiemärkte. Der Preis für Brent-Rohöl, der seit Anfang Juni bereits um 18 % gestiegen ist, dürfte weiter in die Höhe schnellen. Das Ausmaß dieser Entwicklung wird stark von der Reaktion des Iran – insbesondere von etwaigen Störungen im Golf von Hormus – und dem Umfang weiterer militärischer Maßnahmen der USA abhängen. Für die Weltwirtschaft und die Inflation wird es entscheidend sein, ob der Ölpreisanstieg nur vorübergehend oder von längerer Dauer ist.
Kurzfristig rechnen wir mit einem Anstieg der Ölpreise auf 80 bis 100 US-Dollar pro Barrel. Allerdings sind einige geopolitische Risiken bereits eingepreist, insbesondere am kurzen Ende der Kurve. Große Produzenten wie die OPEC+ und insbesondere Saudi-Arabien sind in der Lage, Versorgungsengpässe auszugleichen, aber auch ihre Ölexporte werden größtenteils über die Straße von Hormus transportiert. Koordinierte Freigaben aus strategischen Reserven könnten zusätzlich zur Stabilisierung der Märkte beitragen. Die Länder der Europäischen Union verfügen über Reserven, die etwa dem durchschnittlichen Nettoimport von 90 Tagen entsprechen. Die USA verfügen über Reserven, die etwa dem Ölbedarf von 20 Tagen entsprechen, sind jedoch weitgehend energieunabhängig. China verfügt über keine offiziellen Daten zu seinen Reserven, Schätzungen gehen jedoch von Reserven in Höhe des Nettoimports von etwa 30 Tagen aus.
Ein anhaltend hoher Ölpreis würde die globalen Lieferketten belasten und den Inflationsdruck insbesondere in energieabhängigen Volkswirtschaften wieder ansteigen lassen. China, das rund ein Drittel seines Öls aus dem Nahen Osten bezieht, ist besonders anfällig. Auch Europa ist davon betroffen, wenn auch in geringerem Maße als China. In den letzten Jahren hat die USA mehr Energie produziert als sie verbraucht, sodass sie relativ unabhängig von den Auswirkungen anhaltend hoher Ölpreise ist. Insgesamt würde eine anhaltende Phase hoher Ölpreise jedoch das globale Wachstum zusätzlich belasten und die Auswirkungen der anhaltenden Handelsspannungen und Zollverhandlungen verstärken.
2. Finanzmärkte: Initialschub für defensive Sektoren und sichere Häfen
- Aktien: Die US- und globalen Aktienmärkte dürften schwächer eröffnen, da die Anleger ihre Risikoeinschätzung überdenken. Defensive Sektoren könnten sich überdurchschnittlich entwickeln, während zyklische Werte unter Druck geraten dürften. Historisch gesehen tendieren die Märkte jedoch dazu, sich nach einem ersten Schock wieder zu erholen – vorausgesetzt, der Konflikt weitet sich nicht aus. Eine rasche Deeskalation könnte sogar eine Erholungsrally auslösen, wie nach dem Einmarsch der USA im Irak 2003. Die Stimmung der US-Privatanleger, die maßgeblich zur überraschend starken Markterholung nach dem „Liberation Day“ beigetragen hat, wird ein wichtiger Faktor sein, den es zu beobachten gilt.
- US-Staatsanleihen: Es dürfte zu einer klassischen Flucht in sichere Anlagen kommen, wobei die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen wahrscheinlich sinken werden. Es bleibt abzuwarten, ob US-Staatsanleihen ihren traditionellen Status als sicherer Hafen zurückgewinnen oder gegenüber Alternativen wie deutschen Bundesanleihen weiterhin relativ schwach bleiben werden.
- US-Dollar: Der Dollar könnte aufgrund seiner Attraktivität als sicherer Hafen zunächst an Stärke gewinnen. Ein langwieriger Konflikt und Inflationsdruck könnten jedoch die geldpolitische Haltung der US-Notenbank (Fed) erschweren. Mittelfristig könnten strukturelle Probleme – wie die Doppeldefizite der USA und die schwächere Glaubwürdigkeit als sicherer Hafen – den Greenback belasten.
- Andere sichere Häfen: Gold und der Schweizer Franken dürften profitieren. Insbesondere Gold könnte seinen Aufwärtstrend fortsetzen, da die geopolitische Unsicherheit die Nachfrage nach dem gelben Metall ankurbelt. Die Zentralbanken, die bereits ihre Goldreserven aufstocken, könnten diesen Trend beschleunigen und damit die Rolle von Gold als strategische Reservewährung stärken, die in den Beständen der Zentralbanken nach dem US-Dollar an zweiter Stelle steht.
Fazit: Alle Augen richten sich auf die nächsten Schritte des Iran
Die Märkte treten in eine Phase erhöhter Volatilität ein. Viel hängt von den nächsten Schritten des Iran – insbesondere von möglichen Angriffen auf die Straße von Hormus – und der allgemeinen diplomatischen Reaktion ab. Wir rechnen zwar mit verbalen Verurteilungen durch regionale und globale Mächte, gehen jedoch nicht von einer direkten militärischen Beteiligung der Nachbarländer oder Großmächte wie China oder Russland aus.
Anleger sollten sich auf kurzfristige Turbulenzen einstellen, wobei Energiepreise und Inflationserwartungen im Vordergrund stehen. Gleichzeitig können Überreaktionen Chancen eröffnen, um Positionen aufzubauen. Wie in früheren Krisen könnte die Volatilität erneut attraktive Einstiegsmöglichkeiten bieten. Die Zentralbanken, insbesondere die Fed, müssen möglicherweise ihren jeweiligen geldpolitischen Kurs überdenken, wenn sich die Inflation beschleunigt und das Wachstum nachlässt. In den kommenden Tagen werden Klarheit über das Ausmaß der Schäden an der iranischen Nuklearinfrastruktur, das Ausmaß der iranischen Vergeltungsmaßnahmen und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft entscheidend für die Marktstimmung sein.
Autor Gregor Hirt ist Chief Investment Officer (CIO) Multi Asset und Managing Director bei Allianz Global Investors