Angesichts der Bedrohung ihres Status als führende Weltmacht durch den kontinuierlichen Aufstieg Chinas wählten die Amerikaner einen Präsidenten, der ihnen versprach, die alte Ordnung wiederherzustellen: Make America Great Again. Doch die von der neuen US-Regierung ergriffenen Maßnahmen tragen im Grunde nur dazu bei, diesen Niedergang zu beschleunigen – eine grausame Ironie des Schicksals. Denn anstatt sich um den Erhalt ihres weltweiten Einflusses zu bemühen, indem sie die anderen Länder in ihrer Abhängigkeit halten und die für sie vorteilhafte alte Weltordnung festigen, beschäftigt sich die US-Regierung heute damit, den Rest der Welt systematisch gegen sich aufzubringen – traditionelle Verbündete ebenso wie die üblichen Konkurrenten. In einem Interview auf Bloomberg TV fasste der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers die derzeitige, paradoxe Situation wie folgt zusammen: „Die klassische Maxime der Außenpolitik ist es, seine Freunde zu vereinen und seine Gegner zu spalten. Wir betreiben hingegen eine Politik, die unsere Gegner vereint und unsere Freunde spaltet.“
Geschlossenheit auf dem SCO-Gipfel in Tianjin
Ein symbolträchtiges Beispiel hierfür war der 25. Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), der vom 31. August bis zum 1. September 2025 im chinesischen Tianjin stattfand. Die 27 teilnehmenden Länder, insbesondere die zehn eigentlichen Mitgliedstaaten, zu denen neben China auch Indien, Russland, Iran und Pakistan gehören, die 3,5 Milliarden Menschen bzw. ein Viertel des weltweiten BIP repräsentieren, stellten sich geschlossen gegen die jüngsten Angriffe der USA auf den Welthandel. Trotz oder gerade wegen der unsäglichen Zölle, unter denen die meisten dieser Länder nun zu leiden haben, macht die Organisation das genaue Gegenteil von dem, was die Amerikaner tun.
Sie postuliert unter anderem eine klare Strategie der Zusammenarbeit über zehn Jahre (anstelle eines ständigen Hin und Her), die Schaffung einer Entwicklungsbank zur Finanzierung neuer, nachhaltiger Infrastrukturen (anstatt der Infragestellung des von Joe Biden vorangetriebenen Infrastrukturprogramms), eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich der Energiewende (anstelle der Rückschritte der USA bei Wind- und Solarenergie oder des Austritts aus dem Pariser Klimaabkommen), Maßnahmen für den sozialen Zusammenhalt (statt sozialstaatliche Einrichtungen zu kritisieren), eine entschlossene Förderung der Hochschulbildung (statt Kürzungen der Hochschulbudgets, von denen die renommiertesten US-Universitäten betroffen sind), die Verteidigung der WTO, von der implizit die SCO und vor allem die Chinesen als die bedeutendsten Exporteure profitieren (statt auf den Regeln des internationalen Handels herumzutreten) und eine Stärkung der globalen Governance (statt bestimmte Stellen der UNO anzuzweifeln). Sogar die Förderung der medizinischen Zusammenarbeit steht im krassen Gegensatz zu den kontroversen Maßnahmen der US-Regierung im Rahmen der Gesundheitspolitik.
China profitiert von der Abkehr des Westens
Da sich China als Gegengewicht zur Destabilisierungsoffensive der USA positioniert, ist es kaum verwunderlich, dass es in diesem Jahr die Führung am globalen Aktienmarkt übernimmt und seine Währung gegenüber dem Dollar aufwertet. So hatte der MSCI China am 4. September um 29 % seit Jahresbeginn zugelegt (in Dollar), gegenüber 11,5 % für den S&P 500.Der Yuan verzeichnete ein Plus von über 2 %. Wenn Kapital von Wachstum und Transparenz angezogen wird, ist es doch nur logisch, dass es heute eher in Richtung Osten als in Richtung Westen fließt, wo politische Turbulenzen herrschen? Es steckt viel Wahrheit in dem, was der chinesische Präsident mit einem Zitat Laozis sagte: „Wer den richtigen Weg geht, gewinnt die Gefolgschaft aller“.
Autor Alexis Bienvenu ist Fondsmanager bei LFDE.