EXKLUSIV

Value for Money als Chance für Versicherer

Foto: Morgen & Morgen
Thorsten Saal: "Wer die Regeln nicht nur als Kontrollinstrument, sondern als Orientierung für Produktqualität und Vertrauensbildung begreift, kann sie zur Differenzierung im Markt nutzen."

Die BaFin stellt mit ihren Vorgaben zu den Wohlverhaltenspflichten die Weichen neu: Versicherer müssen Renditeversprechen belastbar machen, Zielmärkte klar definieren und Transparenz in komplexen Produkten gewährleisten. Was zunächst nach regulatorischem Druck klingt, eröffnet bei kluger Umsetzung Chancen – für stabile Geschäftsmodelle, überzeugende Beratung und echten Wettbewerbsvorteil. Von Thorsten Saal

Die Versicherungswirtschaft steht vor einer Zäsur. Die Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzen (BaFin) zur Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten markieren nicht nur einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Kapitalanlageprodukten, sondern fordern die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten auch auf, Verantwortung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu übernehmen. Versicherer müssen jetzt aktiv werden, um regulatorisch sauber aufgestellt zu sein, Vermittlern Sicherheit zu geben und Verbrauchern ein belastbares Renditeversprechen bieten zu können. Wer dies frühzeitig und konsequent tut, kann aus der Pflicht einen echten Wettbewerbsvorteil machen.

Versicherer in der Verantwortung: Komplexität managen – Transparenz liefern

Früher war alles einfacher: Lebensversicherungen waren klassische Ein-Topf-Modelle mit festem Rechnungszins. Kapitalmarktchancen und -risiken spielten kaum eine Rolle. Hybridprodukte mit mehreren Kapitalanlagen und variablen Garantien waren selten.
Heute dominieren komplexe Produkte mit dynamischen Umschichtungen, flexiblen Überschussmechanismen und mehrstufigen Garantien. Hier entscheidet nicht mehr nur die Höhe des Zinses, sondern relevant ist das zugrundeliegende Risikoprofil, das sich nur stochastisch darstellen lässt.

Versicherer stehen vor der Herausforderung, komplizierte Produkte transparent und validierbar zu gestalten. Und alle Anforderungen an Kapitalanlage, Garantien, Überschüsse und Kundenkommunikation müssen – auch regulatorisch – in einem ausgewogenen Zusammenspiel koordiniert sein. Diese Vielfalt eröffnet Chancen, birgt aber auch enorme Komplexität – insbesondere bei der Beurteilung von Renditechancen und -risiken.

Versicherer müssen diese Mechanismen nicht nur steuern, sondern auch transparent darstellen, gegenüber Aufsicht, Vermittlern und Endkunden. Zusätzlich unterscheiden sich die individuellen Voraussetzungen stark: Kapitalanlagestrategie, bestehende Garantiebelastung und Reservesituation, Produktportfolio und der Umgang mit Altbeständen variieren erheblich. Wer in diesem Umfeld bestehen will, braucht ein robustes Steuerungssystem, das ökonomisch wie regulatorisch überzeugt.


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Moderne Rentenversicherungsprodukte müssen mit allen möglichen Kapitalmarktverläufen umgehen können. Wer die Produktentwicklung an der Value-for-Money-Messlatte ausrichtet, steht vor zwei Aufgaben: Einer belastbaren Transparenz und einem zukunftsfähigen Produktdesign.
Besonders spannend wird es bei Produkten mit Garantiekomponenten. Hier lassen sich mit stochastischen Simulationen die Auswirkungen fein austarieren: Wie beeinflusst die Garantiehöhe bzw. die Fondsquote die Rendite? Wo liegt die Balance zwischen Sicherheit und Potenzial? Wie verhalten sich die Kosten über die Laufzeit?

Was die BaFin konkret verlangt

Das BaFin-Merkblatt 01/2023 fordert Versicherer auf, Zielmärkte klar zu definieren, stochastisch belastbare Rendite-Risiko-Profile zu liefern und nachzuweisen, dass Produkte den Kundennutzen erfüllen – im gesamten Produktlebenszyklus. Das ist mehr als eine Compliance-Hürde: Es verlangt systematische Risikoanalyse und Produktsteuerung auf Managementebene.
Das gilt auch gemäß der europäischen POG-Regelung (IDD): Hersteller müssen sicherstellen, dass Produkte zum Zielmarkt passen und nicht nach dem besten Bonus-Aspekt verkauft werden. Kosten, Garantien und Komplexität sind kritisch zu prüfen.

Die BaFin setzt mit dem Merkblatt 01/2023 hohe Standards im Rahmen von POG:

  • Zielmarktbestimmung
  • Life-Cycle-Monitoring mit stochastischen Methoden
  • Vollständige Dokumentation aller Prozesse
  • Aktives Konfliktmanagement
  • Risikoorientierte Produktbewertung und Überwachung

Governance wird damit zur zentralen Instanz, die Produktsicherheit, Transparenz und Kundenschutz verlässlich gewährleistet.

Kundeninteresse sichern – Storno vermeiden

Ein weiterer zentraler Aspekt der Wohlverhaltensprüfung ist der Umgang mit Storno. Die BaFin fordert, dass insbesondere spät stornierende Kunden, etwa kurz vor Vertragsende, dennoch einen angemessenen Nutzen aus ihrem Vertrag ziehen. Damit rückt die tatsächliche Haltedauer stärker in den Fokus – und mit ihr die Transparenz der Produktgestaltung.

Stornierungen infolge unzureichender Beratung oder nicht IDD-konformer Information sind ein Indiz für fehlendes Produktverständnis. Versicherer können dem aktiv entgegenwirken, indem sie Stornoquoten als Qualitätskriterium in ihre Vergütungsmodelle für Vermittler integrieren. Das schafft ein neues Verständnis von Verantwortung: Weg von kurzfristigem Verkaufsdruck, hin zu nachhaltigem Kundennutzen.

Die Lehre: Transparenz braucht valide Modellierung

Der Fehlschlag des hinter PRIIPs liegenden Modells hat gezeigt: Standardkonstellationen mit maximaler Fächerung möglicher Renditen sind zu wenig präzise und liefern dem Kunden keine übersetzbaren Aussagen. Nur durch realitätsnahe und belastbare Simulationen können Renditeerwartungen dem Kunden in der Abschlussentscheidung eine Hilfe sein. Genau hier setzt die BaFin im Rahmen der Wohlverhaltensaufsicht nun konsequent an.

Das zentrale Werkzeug dieser Transformation ist die stochastische Simulation. Sie ermöglicht eine fundierte Bewertung von Produkten – nicht nur in stabilen Marktphasen, sondern gerade auch in Stresssituationen oder bei Seitwärtsbewegungen.

Warum das entscheidend ist: Mehrtopfstrukturen und flexible Garantien reagieren sensibel auf Kapitalmarktschwankungen – und müssen dynamisch abgebildet werden.
Deckungsstöcke dürfen nicht künstlich „hochgerechnet“ werden. Nur eine differenzierte Simulation verhindert, dass unrealistische Wertentwicklungen unterstellt werden.
Mechanismen wie Umschichtungen, Überschüsse oder variable Fondsquoten müssen realitätsgetreu integriert werden – Annahmen „auf dem Papier“ reichen nicht.
Vergleichbarkeit entsteht nur durch stochastische Modelle. Alles andere verzerrt Ergebnisse durch zu viele unterschiedliche Komponenten.

Simulation statt Spekulation – Volatium als Schlüsselmodell

Das Volatium-Kapitalmarktmodell von Morgen & Morgen bietet Versicherern seit vielen Jahren eine in der Praxis bewährte Lösung, um die wachsenden Anforderungen an Transparenz, Vergleichbarkeit und Steuerbarkeit von Altersvorsorgeprodukten zu erfüllen. Als Standard für stochastische Simulationen bildet es Szenarienvielfalt, Volatilität und Laufzeiteffekte realitätsnah ab und liefert damit eine belastbare Grundlage für den gesamten Produktlebenszyklus.

In der täglichen Praxis bedeutet das: Kunden erhalten nachvollziehbare Renditeerwartungen und verständliche Chance-Risiko-Profile, Vermittler können sich auf eine IDD-konforme Beratungsbasis mit erhöhter Haftungssicherheit stützen, und Produktgeber gewinnen eine quantitative Grundlage für Produkttests und Zielmarktkonformität sowie für das Produktgenehmigungsverfahren und die Weiterentwicklung – stets im Einklang mit Paragraph 48a VAG, IDD und den Vorgaben zum Value-for-Money-Prinzip.

Über 15 Jahre hinweg kontinuierlich weiterentwickelt und in der Branche vielfach erprobt, ist Volatium heute ein fest etablierter Standard, der Versicherern den Alltag erleichtert: von der Produktentwicklung über die Kommunikation mit Aufsicht und Vertrieb bis hin zum strategischen Management. Kooperationen wie aktuell beispielsweise mit PricewaterhouseCoopers belegen die Marktbreite und unterstreichen den hohen Praxiswert dieses Modells.

Vom Regulierungsdruck zur Marktchance

Viele Versicherer erleben die Anforderungen der BaFin zunächst als zusätzliche Belastung. Dabei liegt in ihnen eine strategische Chance. Wer die Regeln nicht nur als Kontrollinstrument, sondern als Orientierung für Produktqualität und Vertrauensbildung begreift, kann sie zur Differenzierung im Markt nutzen. Denn erfüllte Wohlverhaltenspflichten bedeuten nicht nur regulatorische Sicherheit, sondern auch eine verlässliche Kommunikation für Vermittler, nachvollziehbaren Kundennutzen für Verbraucher und eine laufende Steuerungsmöglichkeit für Versicherer selbst.

Autor Thorsten Saal ist Bereichsleiter Mathematik und Rating bei Morgen & Morgen

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