EXKLUSIV

Zölle und „Kakerlaken“ – warum Gold gerade der bessere Bitcoin ist 

Foto: ChatGPT/Cash.
2025 scheint Gold als favorisierte Anlage gegenübe dem Bitcoin für sich zu entscheiden.

Trotz glänzender US-Börsen rückt 2025 ein alter Bekannter in den Fokus: Gold. Während geopolitische Risiken, Währungsschwankungen und Marktverwerfungen Anleger fordern, zeigt sich das Edelmetall als stabiler Anker – und übertrifft sogar Bitcoin.

Zum Start habe ich für Sie ein Gedankenexperiment: Könnten der S&P 500 (US-Aktien) und Gold in den kommenden fünf Jahren beide auf 10.000 Punkte bzw. USD steigen? Wir wissen es nicht, aber die Formel für die Entwicklung ist relativ bekannt. Für Aktien zählt am Ende immer: Gewinnentwicklung x Bewertung (Story von morgen). Für Gold zählen vor allem Werttreiber wie geopolitisches Risiko, Politik- und Sanktionslage sowie die Geld- und Liquiditätspolitik. Wichtig für Portfolio-Konstrukteure ist: Beides, Aktien und Gold, können im Depot sinnvoll nebeneinanderstehen, am besten flankiert von weiteren Anlageklassen wie Rohstoffen oder Anleihen, denn Resilienz kommt durch Diversifikation.

Abb. 1: Die Grafik zeigt die indexierte Wertentwicklung von Bitcoin und Gold im Jahr 2025 in Euro umgerechnet.

Quelle: Tai-Pan Lenz+Partner, Stand 17.10.2025

Gold ist 2025 der Lautsprecher der Märkte. Während Schlagzeilen über Zölle, Exportkontrollen und Treffen, die vielleicht stattfinden oder vielleicht platzen, die Kurse kurzfristig durchschütteln, hat sich ein stilles, aber eindrückliches Bild aufgebaut: In Euro gerechnet, liegt Gold seit Jahresbeginn deutlich vorn, interessanterweise sogar weit vor Bitcoin, der sonst immer als das „digitale Gold“ bezeichnet wird. Das ist mindestens eine interessante Momentaufnahme, vielleicht mehr. Es spiegelt eine Welt, in der „reale“ Risiken – Geopolitik, Fiskalpfade, Lieferketten – höher bepreist werden als die nächste Tech-Story. Im Portfolio lesen wir das so: Gold bleibt der defensive Anker, besonders, wenn Realzinsen nachgeben und politische Unsicherheit die Prämien neu sortiert. Bitcoin verhält sich eher wie ein opportunistischer Satellit – mit strukturellem Potenzial, aber stärkerer Pfadabhängigkeit. Auffällig ist dabei die Statistik: Seit Jahresbeginn korrelierten Gold und Bitcoin kaum miteinander, Bitcoin zeigte zugleich eine deutlich höhere Kopplung an den US-Aktienmarkt als Gold, vor allem in kritischen Momenten, worauf es bei Korrelationen vor allem ankommt. Für die Portfolioarchitektur war Gold damit die größere Diversifikationshilfe – Anker statt Echo. Vor diesem Hintergrund wirkt das jüngste Xi-Trump-Schauspiel wie das, was es ist: politisches Verhandlungstheater mit Preisetikett vor den Gesprächen Ende des Monats. Zusätzliche US-Zölle, Drohungen rund um „kritische Software“ und Pekings Lizenzregime für seltene Erden sind keine neue Fundamentalerkenntnis, sondern Taktik mit Nebenwirkungen. Beide Parteien signalisierten den Märkten und anderen Beobachtern schnell, dass sie kein Interesse an größeren Eskalationen haben.

Tobias Gabriel, HAC

„Kakerlaken“, aber keine Plage

Was kurzfristig in den Vordergrund gekrochen ist, sind „Kakerlaken“ – dieses unschöne, aber treffende Bild von Jamie Dimon für Problemfälle im US-Kredituniversum. Einzelinsolvenzen im Bereich Autozulieferer, Wertberichtigungen bei Regionalbanken und Betrugsfälle zeigen: Wo eine Kakerlake ist, sind oft mehr. Noch sprechen wir nicht von einer Plage. Aber die Marktreaktion ist typisch: Regionalbanken-Indices sackten ab, Small Caps litten mit; das ist insofern relevant, als Regionalbanken fast acht Prozent im Russell 2000 ausmachen, dem Nebenwerte-Index in den USA. Gleichzeitig hielten sich die großen, diversifizierten Bankhäuser dank solider Investment-Banking-Ergebnisse besser. Es gilt jedoch, Ruhe zu bewahren, wofür ich folgende handfeste Gründe sehe: Sollte die Schwäche der Kleinen anhalten, wären Übernahmen durch die Großen wahrscheinlich; systemisch macht der Bereich der privaten Kredite mir weniger Sorgen, weil Verluste dort eher die Renditen der Vehikel treffen als eine breitflächige Kreditklemme (sogen. „Credit Crunch“) auszulösen. Auch technisch klingt Entwarnung an: Der S&P 500 fiel zurück an seine 50-Tage-Linie; ein Test der 200-Tage-Linie ist nicht ausgeschlossen, aber die Terminmärkte preisen weitere Fed-Senkungen ein, was die Unterseite begrenzen sollte.

2025 – das Jahr der globalen Relativierung

Wie zahlt das aufs „Große Ganze“ ein? 2025 ist bislang das Jahr der globalen Relativierung. In lokaler Währung hinkten die USA dem Weltindex deutlich hinterher. Interessant ist dabei die Breite der Gewinner: Korea, Spanien, China, Hongkong, Italien, Taiwan – mit sehr unterschiedlichen, oft nicht-Tech-getriebenen Treibern. Trotz Korrekturen der letzten Tage: 12 % Plus sind im S&P 500 (in USD; in EUR sind es +/- 0) dieses Jahr zusammengekommen, immerhin. Doch trotzdem reicht dies im globalen Ranking nicht einmal für Rang 20. Das klingt wie ein Rechenfehler, ist aber ein Perspektivfehler. Viele messen den US-Markt an seinen Rekorden, die Investorenwelt misst ihn an ihren Alternativen. Genau hier beginnt für mich 2025 die interessante Geschichte: Nicht der Rückfall Amerikas, sondern das Erwachen des Rests der Welt. Der S&P 500 ist teuer (rund 22-facher Gewinn, ein Bewertungsaufschlag von ca. 46 % gegenüber dem Rest der Welt), der Dollar schwächer, die politische Gemengelage unübersichtlich.

Den Kompass neu kalibrieren

In Summe verschiebt sich die Opportunitätsfläche. Ich lese das nicht als Alarmismus, sondern als Einladung, den Kompass neu zu kalibrieren. Diversifikation bedeutet nicht „USA plus Beimischung“, sondern, gleich global zu denken. Wer sein Depot heute noch so baut wie 2019, verwechselt Gewohnheit mit Überzeugung. Aus Investorensicht sind es drei Kräfte, die die relative Performance erklären. Erstens die Psychologie: Nach zwei Jahren Tech-Euphorie in den USA hat der Herdentrieb viele Portfolios in dieselbe Ecke geschoben. Wenn Erwartungen hoch und Bewertungen höher sind, genügt schon Normalität, um zu enttäuschen – während anderswo das Überraschungspotenzial zunimmt. Die Sorge einer KI-Bubble wächst. Zweitens die Politik: Handelsspannungen, fiskalische Großgesten und folglich schwache Haushaltslagen führen zu Bewertungsabschlägen – nicht zwingend zu Gewinnbrüchen, aber zu anderen Diskontsätzen. Drittens attraktive Alternativen: Durch die außerordentliche Bewertung der US-Aktien sind europäische und andere Aktien relativ günstig geworden. Gold überzeugt durch seine Eigenschaft als stabile Währung, während Trump mit dem Hammer auf die heimische Währung schlägt.

Wir bei HAC investieren beispielsweise seit Jahren mit Überzeugung, aber auch der nötigen Aktivität in Japan. Warren Buffett übrigens auch. Was wir dort erleben – Corporate-Governance-Reformen, eine wachsende Aktionärskultur, selektive Reflation – ist mehr als eine Zykluswelle; es ist eine strukturelle Aufwertung. Ähnlich spannend: Korea mit seinem Aktionärsfokus, Teile Europas mit realpolitischem Investitionsschub (Infrastruktur, Verteidigung, Energieeffizienz).

Aktien bleiben Renditemotor

Kurz: 2025 wird weniger von einem einzelnen Slogan getragen als von vielen lokalen Erzählungen, die Cashflows resilient und planbarer machen. Heißt das „Raus aus den USA?“ oder „Raus aus Aktien“? Nein. Die USA bleiben das Epizentrum für Skalierungs- und Software-Ökonomie. Aktien bleiben ein Renditemotor. Aber es heißt, bewusster zu gewichten: In den USA selektiv Qualität dort, wo Preissetzungsmacht, Bilanzstärke und echte KI-Produktivität zusammentreffen – statt Indexbreite um jeden Preis. Außerhalb Amerikas den Mut zur neuen Position: heimische Champions mit klarer Kapitalallokation, vernünftigen Multiplikatoren und politischem Rückenwind. Und ja: In politisch aufgeladenen Zeiten darf ein Stabilisator – von kurzfristiger Liquidität bis hin zu Krisenmetallen – wieder ein ernstzunehmendes Portfoliothema sein, nicht aus Romantik, sondern aus Risikohandwerk. Die ganz große Kunst ist in meinen Augen, über den Aktienmarkt hinauszudenken, in der Anlageklassen-Verteilung zwischen Aktien, Anleihen, Rohstoffen, Edelmetallen, Kryptowährungen und ggfs. Immobilien oder Alternatives.

Mein Fazit: Die US-Börse glänzt weiter – doch die Bewertungsphysik gilt zumindest langfristig(!) auch für die großen „Sterne“ der Börse. Wer bereit ist, den Blick zu heben, entdeckt noch mehr am Firmament. Man muss nur wieder öfter nach oben schauen, nicht nur nach Westen. Wir sehen aktuell kein Krisenbild, eher ein Umfeld für Disziplin: Asset Allocation geht über Einzelwetten, Qualitätsaktien vor Breite, Zins- und Laufzeitsteuerung im Anleiheteil und Nerven bewahren vor Schnellschüssen. Kakerlaken sind ein Warnsignal, kein Weltuntergang – solange die großen Tragbalken tragen.

Autor Tobias Gabriel ist Vorstand HAC VermögensManagement, Hamburg.

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