Die Gaspreisbremse – gut gemeint, aber nicht geeignet, den Gasverbrauch zu vermindern

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Seit der Explosion der Gaspreise – und der Strompreise, die von ihnen abhängen – ist es hierzulande zu einem gewaltigen Verlust an Kaufkraft gekommen. Eine Rezession lässt sich kaum noch vermeiden. Die Wirtschaftspolitik stand vor der Wahl, das Einkommen von Haushalten und Unternehmen zu subventionieren, um das Schlimmste abzuwenden, oder Preiskontrollen bei Gas und Strom einzuführen und auf diese Weise in den Marktmechanismus und die Allokation der Ressourcen einzugreifen. Leider hat sich die deutsche Regierung für die zweite Alternative entschieden. Ein Kommentar von Dieter Wermuth, Economist und Partner Wermuth Asset Management

„Die sogenannte Gaspreisbremse soll von März 2023 an rückwirkend ab Januar 2023 bis Ende April 2024 in Kraft bleiben und ist daher eine vorübergehende Maßnahme. Für private Haushalte gibt es einen Preisdeckel von 12 Eurocents pro kWh für 80% des Gasverbrauchs im vergangenen Jahr; alles, was darüber hinausgeht, wird zu Marktpreisen abgerechnet. Für die Industrie liegt der garantierte Gaspreis für 70% des Verbrauchs des Jahres 2021 bei lediglich 7 Cent, für den Rest gelten die Marktpreise. Die Differenz zwischen dem, was die Gasversorger für ihren Input zahlen müssen, und dem was sie von den Haushalten und Unternehmen zu den garantierten Preisen bekommen, wird von der Bundesregierung beglichen. Eingeplant sind dafür Ausgaben von 56 Mrd. Euro.

Ähnliches gilt für die Strompreisbremse. Hier wird für die Haushalte der Preis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs bei 40 Eurocent pro kWh gedeckelt und für die Industrie bei netto 13 Cent für 70% des bisherigen Verbrauchs. Anders als bei der Gaspreisbremse sollen die Ausgaben des Staates für die Strompreisbremse zu einem erheblichen Teil durch die Abschöpfung von Überschusserlösen bei der Stromwirtschaft finanziert werden. Netto dürften für die beiden Bremsen zwischen 2 und 3% des Bruttoinlandsprodukts aufzuwenden sein. Das sind die Kernelemente des neuen Programms. Das klingt einfach, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Die genaue Ausgestaltung ist ziemlich kompliziert, weil der Gesetzgeber Rücksicht auf zahlreiche Sonderaspekte und Wünsche betroffener Parteien genommen hat. Am Ende ist ein bürokratisches Monster entstanden.

Zur Subvention von Gas- und Strompreisen ist es deshalb gekommen, weil deren gewaltiger Anstieg im Vergleich zu den übrigen Preisen erhebliche und unerwünschte Effekte auf die Verteilung der restlichen Einkommen und die Struktur der Wirtschaft hat, vor allem im Hinblick auf zu erwartende Insolvenzen und Arbeitslosigkeit. Der Staat musste aktiv werden.

Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht wäre es besser gewesen, den marktwirtschaftlichen Kräften ihren Lauf zu lassen, also nicht in den Preismechanismus einzugreifen, und auf diese Weise die Nachfrage nach Gas zu reduzieren – am besten in einer international koordinierten Aktion, und so die Gaspreise am Weltmarkt zu senken. Für das Klima wären das gute Nachrichten gewesen.

Denn: Ein garantiert niedriger Preis zulasten der deutschen Regierung, also des Steuerzahlers, stimuliert die Gasnachfrage und bremst den Strukturwandel in Richtung erneuerbarer Energien. Technisch gesprochen verbessern sich die sogenannten Terms-of-Trade eines Nettoimporteurs von Energie wie Deutschland nicht so, wie es der Fall gewesen wäre, wenn man einfach den Marktkräften vertraut hätte. Ein Anstieg der Terms-of-Trade erhöht bekanntlich – oder doch nicht so bekanntlich – das real verfügbare Volkseinkommen. Die Alternative, die Energiepreise künstlich niedrig zu halten, ist am Ende aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine verpasste Gelegenheit, den nationalen Wohlstand zu steigern. Weder die Politiker noch die Medien scheinen das Konzept der Terms-of-Trade zu verstehen.

Wenn jeder Akteur, Haushalte und Unternehmen, den vollen unsubventionierten Preis für Energie zahlen müsste, käme es ziemlich rasch zu einer Abnabelung von fossilen Brennstoffen, zum Vorziehen struktureller Anpassungen, insbesondere im Hinblick auf die grüne Zukunft der Wirtschaft. Da viele Unternehmen in Konkurs gehen und noch viel mehr Menschen ihren Job verlieren würden, hätte eine solche Strategie zweifelsohne kurzfristig erhebliche negative Effekte. Da die Regierung sich aber ohnehin damit abgefunden hat, dass sie viel Geld für die beiden Preisbremsen aufbringen muss, wäre es kein so großer Schritt, wenn sie die Mittel für direkte Subventionen an bedürftige und gefährdete Akteure einsetzen würde – statt für Preisgarantien.

Letztlich handelt es sich um ein sozialpolitisches Problem, das angegangen werden muss. Die Haushalte und Firmen, die in Not geraten können, aber nicht alleingelassen werden sollten, benötigen die volle staatliche Unterstützung, während die Besserverdiener das nicht nötig haben. Sie verbrauchen überproportional viel Energie und können daher in Reaktion auf die hohen Energiepreise auch überproportional viel einsparen, indem sie etwa weniger Auto fahren oder fliegen, die Heizungen ihrer Häuser und Swimming Pools runterdrehen und generell ihren Konsum einschränken.

Eine solche Strategie würde vor allem das Einkommen der schlechter gestellten Haushalte stabilisieren und einen Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und damit eine tiefe Rezession verhindern. Sie würde die Gaspreise runterbringen, die Terms-of-Trade verbessern, die Abhängigkeit von ausländischen fossilen Brennstoffen reduzieren, grüne Investitionen attraktiver machen und das real verfügbare Einkommen der Bevölkerung steigern.

Zugegebenermaßen dürften sich allerdings infolge vermehrter Insolvenzen und höherer Arbeitslosigkeit die staatlichen Einnahmen vermindern – sie würden jedoch wegen der hohen Inflation gleichzeitig auch steigen: vor allem wegen der Mehrwertsteuer. Am Ende bleibt festzuhalten, dass der ohnehin unvermeidliche und erwünschte Strukturwandel schneller vorankommt und eine Rezession weniger wahrscheinlich ist, wenn auf Einkommens- statt auf Preissubventionen gesetzt wird.

Nun sind die Würfel allerdings wohl gefallen. Aber beim nächsten Mal, nach 2024, sollten in einer ähnlichen Situation nicht noch einmal dieselben kostspieligen Fehler gemacht werden.“

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