Ist der Buchauszug DSGVO-konform?

Ob die Erteilung eines Buchauszugs auch nach der DSGVO zulässig ist, hatte das OLG München kürzlich zu entscheiden. Gastbeitrag von Jürgen Evers, Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Jürgen Evers

Der Streitfall

Der Unternehmer sah sich an der Erteilung gehindert. Der Spezialsenat für Handelsvertretersachen sah dies jedoch anders und begründete seine Entscheidung mit den folgenden Erwägungen.

Die Entscheidung

Die Datenübermittlung zur Erteilung des Buchauszugs sei nach Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 lit. f DSGVO erlaubt. Dies gelte ungeachtet dessen, dass die Erforderlichkeit jedes einzelnen Datums vom Vertreter nicht darlegt werde.

Begründung

Zwar sei dem Unternehmer zuzugestehen, dass weder Buchstabe b noch c von Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 DSGVO greifen, soweit es um den Buchauszug gehe. Die Übermittlung eines Buchauszugs stelle eine „Verarbeitung“ im Sinne der Vorschrift dar, die nicht zur Erfüllung eines Vertrages erforderlich ist, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist. Denn von der Datenverarbeitung betroffene Person sei Kunde des Versicherungsertrages, den der Vertreter vermittle, da sich die Buchauszugsdaten auf diesen beziehen.

Der Kunde sei aber nicht Partei des Vertretervertrages. Zur Erfüllung der von den Kunden geschlossenen Verträge sei der Buchauszug weder erforderlich noch erfolge er dazu. Auch Buchstabe c erlaube die Buchauszugserteilung nicht. Denn es fehle jedenfalls an einem „öffentlichen Interesse“, das mit dem Buchauszug verfolgt werden müsse. Immerhin diene der Buchauszug nur der Realisierung der Provision und damit eines rein individuell-privaten Interesses.

Die Erteilung des Buchauszugs sei jedoch durch den Buchstaben f des Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 DSGVO gedeckt. Denn sie sei zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten erforderlich. Zudem überwögen gegenstehende Interessen oder Grundrechte des Betroffenen nicht. Das Vergütungsinteresse des Vertreters sei ein berechtigtes Interesse eines Dritten. Dies folge aus der erlaubten Tätigkeit des Vertreters. Diese unternehmerische Freiheit und mit ihr das Recht auf Gewinnerzielung sei durch Artikel 16 EUGRCh anerkannt und geschützt. Auch sehe Artikel 12 Absatz 2 der Handelsvertreterrichtlinie einen Buchauszug vor. Es lasse sich daraus also ableiten, dass das Interesse des Vertreters europarechtlich geschützt und damit berechtigt sei.

Dass die Richtlinie nur Warenvertreter betreffe, ändere nichts daran. Der Buchauszug sei zur Verwirklichung des Provisionsanspruchs erforderlich. Erst mit ihm könne der Vertreter prüfen, ob die ihm vom Prinzipal erteilten Abrechnungen richtig und vollständig sind. Der Vertreter erhalte nur so Kenntnis über die provisionsrelevanten Vorgänge aus dem Verhältnis des Kunden zum Prinzipal. Das Vergütungsinteresse überwiege ein gegenläufiges Interesse des Betroffenen, selbst wenn die mit dem Buchauszug übermittelten Daten des Betroffenen sensibel seien.

Zweck des Buchauszugs sei die Verfolgung des Provisionsanspruchs. Der Vertreter habe daher ein sehr hohes, wenn nicht sogar wirtschaftlich existentielles Interesse an der Datenübermittlung. Bei der Gewichtung und Abwägung der gegenläufigen Interessen sei der Erwägungsgrund 47 der DSGVO heranzuziehen. Dieser stelle auf die zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person bestehende Beziehung (zum Beispiel eine Kundenbeziehung) sowie auf die Erwartbarkeit der Datenverarbeitung für die betroffene Person ab. Komme also ein Vertrag zwischen Betroffenem und Verantwortlichen durch die Vermittlung eines Vertreters zustande, sei für den Kunden absehbar, dass seine Daten vom Verantwortlichen verarbeitet und insbesondere an den Vertreter übermittelt würden.

Denn auch dem geschäftsunerfahrenen Kunden müsse nach allgemeiner Lebenserfahrung klar sein, dass, wenn der Geschäftsabschluss mit dem Prinzipal über einen Vertreter erfolge, letzterer Provision erhalte und deren Abrechnung einen Datenaustausch voraussetze. Die hohe Erwartbarkeit einer Datenübermittlung spreche also für ein Überwiegen der Interessen des Vertreters. Ebenso wie der Zweck der Datenübermittlung, den Vertreter in die Lage zu versetzen, seinen Rechtsanspruch gegen den Prinzipal auf Zahlung von Provision zu verwirklichen. Die DSGVO messe dem Zweck der Verfolgung von Rechtsansprüchen allgemein ein hohes Gewicht bei. Artikel 21 Absatz 1 Satz 2 DSGVO schließe das Widerspruchsrecht gegen die Datenverarbeitung aus, wenn sie der Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Verantwortlichen diene.

Schließlich sei auch Artikel 12 Absatz 2 der Handelsvertreterrichtlinie zu berücksichtigen, der dem Vertreter ausdrücklich einen Anspruch auf Buchauszug einräume. Dadurch werde nicht nur die prinzipielle Berechtigung und Schutzwürdigkeit des Mitteilungsinteresses ausgedrückt, sondern auch dessen hohes Gewicht im Rahmen der Interessenabwägung. Für Versicherungsvertreter gelte nichts anderes.

Kommentar

Der Begründung des Senats verkennt, dass die Verarbeitung von personenbezogenen Daten für den Buchauszug nach Artikel 6 Absatz 1 lit. c, Absatz 3 Satz 1 lit. b DSGVO in Verbindung mit Paragraf 87 c Absatz 2 HGB gestattet ist. Der deutsche Gesetzgeber hat eine Schutzbedürftigkeit des Vertreters als Berufstyp angenommen. Die zwingenden Schutzrechte hat er im Bewusstsein der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des Vertreters ausgestaltet, und zwar dahingehend, dass der Vertreter vor Provisionsenthaltungen geschützt werden soll. Deshalb dient der Buchauszug dem öffentlichen Interesse, den wirtschaftlich schwächeren Vertreter zu schützen.

Entgegen der Senatsauffassung bedarf es daher keines Rückgriffs auf die Ermächtigungsgrundlage des Artikel 6 Absatz 1 lit. f DSGVO. Diese wäre wegen der gebotenen Interessenabwägung und der Widerspruchsmöglichkeit des Betroffenen nach Artikel 20. Absatz 1 Satz 1 DSGVO auch zu unsicher, die Übermittlung der umfangreichen personenbezogenen Daten zu tragen, die ein Buchauszug erfordert.

Autor ist Rechtsanwalt Jürgen Evers, Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht

Foto: Kanzlei Evers 

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