Pradetto: „Wir werden technische Bomben in den Markt schießen“

Cash.Online sprach mit Oliver Pradetto, Geschäftsführer von blau direkt, über seine umstrittene Videobotschaft zur DKM, den Kampf gegen Google und seine Pläne für 2020.

Oliver Pradetto

Das Jahr 2019 neigt sich dem Ende zu, wie ist es für blau direkt verlaufen?

Pradetto: Wir haben wieder eine solide Steigerung hingelegt. Im laufenden Jahr haben wir viel im Hintergrund gearbeitet. Einerseits waren wir mit wegweisenden Technikprojekten befasst. Andererseits haben wir das Unternehmen management-technisch und organisatorisch professionalisiert. Insofern freuen wir uns auf nächstes Jahr. Da greifen wir an.

Pünktlich zur DKM haben Sie mit einem elfminütigen Video für viel Diskussionsstoff gesorgt. Darin äußern Sie sich zu potenziellen Kaufgerüchten und finden auch kritische Worte in Richtung Ihrer Mitbewerber. Was wollten Sie damit bezwecken?

Pradetto: Ich habe die unangenehme Eigenschaft, genau das zu sagen, was ich denke. Aber natürlich verfolge ich mit solchen Beiträgen auch Ziele, die ich nicht direkt ausspreche. Ein Ziel war es, die Konditionsverhandlungen meiner Kollegen auf der DKM vorzubereiten. Wir waren in den vergangenen Jahren eher bescheiden. Doch nicht jede Gesellschaft hat dies durch Fairness gewürdigt. Insofern war meine Botschaft auch nach innen gerichtet. Es war die klare Aufforderung, sich durchzusetzen. Wo meine Kollegen aus dem Einkauf übervorteilt werden, werden wir es sonst durch Umsatzsteuerung richten. Wo Freundlichkeit als Zeichen der Schwäche gesehen wird, kann man den Ellenbogen mal andeuten. Die gute Nachricht ist aber, dass dies gar nicht nötig sein wird. Das Signal wurde verstanden und unsere Versicherungspartner sind sehr daran interessiert, uns zu unterstützen. Das andere Ziel war eine klare Drei-Satz-Botschaft: 1. Es gibt einen fast marktbeherrschenden Wettbewerber. 2. Wir sind der einzig verbliebene Kontrahent, der noch stark genug ist, dessen Position streitig zu machen. 3. Genau das werden wir tun.

blau direkt hat sich kürzlich an dem Insurtech Deeplico beteiligt. Was kann das Start-up und was versprechen Sie sich von der Beteiligung?

Pradetto: Uwe Redler, der Gründer, ist ein sensationeller Selfmade-Makler. Er hat sich mit einer genialen Kombination aus E-Mail-Funnel und Landing-Pages innerhalb von nur zwei Jahren aus dem absoluten Nichts fast 300.000 Euro jährliche Bestandscourtagen aufgebaut. Er ist das extrem systematisch angegangen und hat das mit einer Software-Eigenentwicklung erreicht. Diese Technologie ist skalierbar. Das heißt, wir können das allen Maklern von uns zur Verfügung stellen. Die müssen das eigentlich nur anstellen, dann baut die Software die Bestände im zweistelligen Prozentbereich aus. Auch vom zweiten Projekt hat er mich überzeugt. Uwe sieht die Zukunft in der Sprachsteuerung. Er möchte diese mit einer künstlichen Intelligenz (KI) kombinieren, um einfache vertriebliche Anwendungen für jeden Makler zu konstruieren. Seine Idee ist es, Technologie zu bauen, die den Vertragsbestand des Kunden interaktiv und selbstbestimmt ausbaut. Er hat diese außerordentliche Fähigkeit bereits in seinem erstem Projekt bewiesen. Jetzt stellen wir ihm die Mittel zur Verfügung, um die Entwicklungszeit einer solchen Technologie von fünf auf zwei Jahre zu verkürzen.

Welche Rolle werden auf KI basierende Vertriebswerkzeuge mit Spracherkennung künftig in der Finanzberatung spielen?

Pradetto: Wir sind hier First-Mover. Das, was wir hier für den Versicherungsbereich machen, wurde selbst in China und den USA noch nicht gemacht. Deshalb darf man sich kurzfristig nicht zu viel erwarten. Auf fünf Jahre betrachtet werden wir Vertriebswerkzeuge erleben, die den Kundenbedarf nicht nur decken, sondern ihn auch dynamisch entwickeln können. In dem Moment wird jedes Smartphone dem herkömmlichen Versicherungsverkäufer überlegen sein. Bis die Technologie wirklich verbreitet ist, dauert es dann bestimmt nochmal fünf Jahre, aber niemand soll sich täuschen. Das kommt. Bald. Offen ist nur die Frage, wer die Technologie beherrscht und davon profitiert. Wir möchten, dass das unsere Makler sind.

Ihre Kunden-App „simplr“ ist jetzt bereits seit vier Jahren am Markt. Sie hatten die App entwickelt, um den Maklern ein Tool an die Hand geben zu können, mit dem sie gegen die Konkurrenz durch Fintechs gewappnet sind. Ist das gelungen?

Pradetto: Aktuell verfügen wir über die aus Kundensicht am weitesten entwickelte App-Technologie. Mit rund 230.000 regelmäßigen Nutzern auf Web-App, ergänzt durch native Installationen, schlägt die App europaweit alles Vergleichbare. Trotzdem lassen wir die Sektkorken in der Flasche, denn keiner hat den Marathon gewonnen, nur weil er als Schnellster den ersten Verpflegungspunkt erreicht. Wir müssen noch erheblich schneller und besser werden. Ab Januar untermauern wir diesen Anspruch an uns selbst mit „simplr banking“.

Ihr Bestandsoptimierungssystem „RoboSave“ ist seit Kurzem auch für Kfz-Versicherungen optimiert. Sie nannten dies in einer Pressemitteilung einen „Erfolg im Kampf gegen Google & Co“. Welchen Kampf meinen Sie?

Pradetto: Versicherungen sind ein lukratives Geschäft. Man muss keine Produkt-Logistik im eigentlichen Sinne aufbauen. Es besteht ausschließlich aus Daten. Damit ist es die perfekte Beute für moderne IT-Konzerne wie Amazon, Google oder – noch gefährlicher – chinesische Unternehmen wie Alibaba oder PingAn. Diese Unternehmen haben mehr technologische Kapazitäten und unerschöpfliche Mengen Geld. Dagegen wird man sich nur auf Basis eines soliden Kundenbestandes wehren können. Wir müssen die Kunden in unvergleichlicher Weise emotional an unseren Maklerpartner binden. Genau das ist der Kern von „RoboSave“. Es optimiert in erster Linie nicht den Bestand, sondern die Verbundenheit und dies skalierbar, redundant und extrem preiswert. Wer überleben will, muss dafür sorgen, dass der Kunde ihn liebt. Googles Leitspruch ist „Don’t be evil“ – Sei nicht böse. Wir antworten mit: „Do lovable things“ – Tue liebenswerte Dinge.

Welche Ziele und Pläne hat Ihr Unternehmen für das kommende Jahr?

Pradetto: Wir sind extrem motiviert. 2020 werden wir technische Bomben in den Markt schießen, die manch einem Marktteilnehmer wie Alien-Technologie vorkommen wird. Was wir bisher gezeigt haben, war Anlauf nehmen. Jetzt setzen wir zum Sprung an. Wir werden zeigen, wie man jedes Vermittlerunternehmen innerhalb von Wochen um 20 Prozent im Umsatz und 100 Prozent im Ertrag ausbaut. Und eines will ich ganz deutlich sagen: Wer das für einen dummen Strukki-Spruch hält, soll irgendeinen unserer Partner ansprechen und ihn einfach fragen, wie es bisher bei ihm gelaufen ist. Am besten fragen sie unseren Partner dann auch gleich, ob er es geglaubt hätte, wenn es ihm jemand vorher erzählt hätte.

Und welche Entwicklung erwarten Sie im kommenden Jahr auf dem Vermittlermarkt? Wird die Konsolidierung weiter voranschreiten?

Pradetto: Die Konsolidierung wird sich noch beschleunigen. Unter den Pools und Vertrieben wird der Konkurrenzkampf bitter und härter. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig erwarte ich, dass der Markt an Kraft gewinnt. Dass ehemalige Konkurrenten Gegensätze endlich überwinden und zum gegenseitigen Vorteil Kräfte bündeln. Dass die positiven Auswirkungen der Digitalisierung den Makler erreichen, so- dass die aufgeschlossenen und geistig beweglichen Kollegen enorme Einkommenssteigerungen und persönliche Freiheiten hinzugewinnen.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash. 

Foto: Blau Direkt 

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