Corona: Bis zu 80 Prozent höhere Sterblichkeit in Pflegeheimen

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Durch die Corona-Pandemie ist 2020 die Sterblichkeit von Pflegebedürftigen in Heimen drastisch gestiegen. Das zeigt der neue Pflegereport des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Danach lag die Übersterblichkeit in der zweiten Pandemiewelle im Herbst im Schnitt um 30 Prozent höher als in den Vorjahren. Nach Angaben des Pflege-Report stieg die Sterblichkeit dann zum Jahreende besonders an. Laut WIdo lag die Übersterblichkeit im Ende Dezember sogar bei 80 Prozent. Die Schutzmaßnahmen in den Pflegeheimen hätten nicht genügt, „um die im Heim lebenden pflegebedürftigen Menschen ausreichend zu schützen“, sagte WIdO-Wissenschaftlerin Dr. Antje Schwinger.

Laut dem Pflegebericht verstarben in der zweiten Pandemiewelle von Oktober bis Dezember 2020 (Kalenderwochen 40 bis 52) durchschnittlich neun von 1.000 Pflegeheimbewohnenden, was eine Übersterblichkeit von 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren 2015 bis 2019 bedeutet. Bis Anfang Dezember (49. Kalenderwoche) erhöhte sich die Sterblichkeit deutlich. Ende des Jahres lag sie mit 13 Verstorbenen je 1.000 Pflegeheimbewohnenden um 81 Prozent höher als in den entsprechenden Vorjahreswochen.

Folgen der Pandemie für die Pflegeheimbewohner

Der WIdO-Pflege-Report 2021 berichtet auch über eine Online-Befragung zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die ambulant und vollstationär Pflegebedürftigen. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 26. Oktober bis 13. November des vergangenen Jahres 1.012 Angehörige befragt, rund 500 hiervon waren Bezugspersonen von stationär Pflegebedürftigen.

Mit Blick auf die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe und Aktivität wird deutlich, dass ein Großteil der pflegebedürftigen Personen drastische Einschränkungen in Kauf nehmen musste: 43 Prozent der befragten Bezugspersonen berichten, dass zwischen März und Mai 2020 die Möglichkeit zum persönlichem Kontakt, auch unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen, gar nicht gegeben war.

Für ein weiteres knappes Drittel (30 Prozent) war diese Möglichkeit nur selten gegeben. Nach Angaben der Bezugspersonen war es 16 Prozent der pflegebedürftigen Personen nicht möglich, das eigene Zimmer zu verlassen, weiteren 25 Prozent war es nur selten möglich. Damit hatten 36 Prozent der pflegebedürftigen Personen, die vor der Pandemie täglich oder mehrmals in der Woche das Zimmer verlassen haben, diese Möglichkeit während des ersten Lockdowns gar nicht oder nur selten.

Die Angehörigen haben während der Pandemie deutlich negative Veränderungen des körperlichen, geistigen und psychischen Zustands der pflegebedürftigen Person durch die Corona-bedingten Einschränkungen im Zeitraum von März bis Mai 2020 beobachtet. Mehr als 70 Prozent berichten über häufigere Gefühle von Einsamkeit und Alleinsein seitens der pflegebedürftigen Person, häufigere Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit (68 Prozent), Verschlechterungen der geistigen Fitness der pflegebedürftigen Person (61 Prozent) sowie verringerte Beweglichkeit beim Gehen, Aufstehen oder Treppensteigen (56 Prozent). „Die ergriffenen scharfen Isolationsmaßnahmen in den Pflegeheimen in der ersten Pandemiewelle haben dramatische Auswirkungen für die Pflegebedürftigen, und zwar physisch und psychisch“, so Schwinger.

Pandemie-Entscheidungen müssen reflektiert werden

Insgesamt zeichnet die Untersuchung ein kritisches Versorgungsbild der vulnerablen Bevölkerungsgruppe der Pflegeheimbewohnenden. Maßnahmen, die die pflegebedürftigen Menschen vor einer Ansteckung mit Covid-19 schützen sollten, führten gleichermaßen zu erheblichen Einschnitten in der Versorgung sowie in der Folge zu starker sozialer Isolation und einer Zunahme psychischer Belastungen. „Deshalb muss untersucht werden, wie Isolation, Kontaktsperren zu Angehörigen und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner beeinflussten und welche technischen, baulichen, rechtlichen und personellen Veränderungen und Ressourcen benötigt werden, um zu vermeiden, dass sich eine solche Situation wiederholt“, sagt Schwinger.

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