„Das nachhaltig aufgebaute Vertrauen nicht verspielen“

Jörg Kintzel
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Jörg Kintzel

Cash.-Interview mit Jörg Kintzel, Vertriebsvorstand des Finanzdienstleisters Valuniq, über die Herausforderungen für den Finanzvertrieb in der Coronakrise

Der Maklerverband AfW hat im Januar die Ergebnisse seines Vermittlerbarometers veröffentlicht. Diese zeigen, dass die Makler im Jahr 2020 ihren Gewinn trotz Corona im Schnitt um über acht Prozent und ihren Umsatz um elf Prozent steigern konnten. Das scheint den Eindruck zu bestätigen, dass die Vermittler bisher relativ gut durch die Krise kommen, gerade im Vergleich mit anderen Branchen. Stimmen Sie zu?

Kintzel: Es gibt zwei Aspekte, die nicht außer Acht zu lassen sind: Erstens wird das eine oder andere Unternehmen noch Überhänge aus dem überaus positiven Jahr 2019 verbuchen können und zweitens hat unsere Branche sehr schnell auf die Situation reagiert und die Beratungsprozesse digitalisiert. Vermutlich ist aber auch das Thema Krankenabsicherung in der Bevölkerung stärker in den Fokus gerückt und hat zum positiven Abschneiden unserer Branche beigetragen. Mein Gefühl ist, dass Unternehmen aus dem Bereich der Finanzdienstleistung besser mit der Situation umgegangen sind als andere Branchen. Das zeigt die Attraktivität unseres Marktes – auch in schwierigen Zeiten.

Der AfW hat in der Pressemitteilung zum Vermittlerbarometer festgestellt, dass die Erhöhung des durchschnittlichen Gewinns auch daraus resultiert, dass kleine und unrentablere Vermittlerbüros aufgeben oder von größeren Unternehmen übernommen werden, die dann effizienter mit den Beständen arbeiten können. Heißt das also: Mehr Gewinn für weniger Vermittler? Hat Corona das sogenannte „Vermittlersterben“ beschleunigt?

Kintzel: Dieser Trend ist schon seit Jahren erkennbar. Die Unternehmen, die in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, wachsen durch Übernahmen. Auch wir sind aufgrund einer Übernahme gestärkt ins nächste Jahr gegangen, als wir 2019 einen bAV-Makler übernommen haben. Corona hat vermutlich dazu beigetragen, dass sich bisher unentschlossene Gesellschafter zu einem Verkauf entschieden haben. Außerdem ist in dem Kontext relevant, dass die immer besser werdenden Vorgaben zu einer natürlichen Auslese bei der Ausübung unseres Berufsstands führt. Wir verwalten das Geld anderer Menschen. Die damit verbundene Verantwortung darf nicht mehr so hemdsärmlich gehandhabt werden, wie es noch zu Anfangszeiten unseres Berufsstands vielleicht üblich war. Ich bin davon überzeugt, dass eine immer ausgeprägtere Spezialisierung stattfinden muss.

Haben Sie in der Pandemie Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden in Bezug auf Vorsorgethemen und -produkte feststellen können?

Kintzel: Das Thema Gesundheit ist aufgrund der Corona-Pandemie deutlich stärker im Fokus und wird auch in Zukunft noch mehr in den Fokus rücken. Die Themen „verfügbares Kapital“ und „langfristige Kapitalanlagen“ beschäftigen unsere Mandanten zur Zeit jedoch mehr. Über unsere Tocherfirma Valuniq Business Consulting betreuen wir Unternehmer. Dort ist unsere spezialisierte Beratung zum Thema „Holding-Konzepte“ aktuell gefragter als vor der Pandemie. Die Kunden wollen ihr Geld sichern, der Steuerbelastung entgegensteuern und die Nachfolgeregelungen geklärt wissen. Für diejenigen, die hier Lösungen aufzeigen können, wird der Trend mit Sicherheit noch länger anhalten. Wir merken aber auch, dass die Kunden müde werden, sich mit Produkten im Detail auseinander setzen zu müssen. Aus diesem Grund wird ein lebensbegleitendes Gesamtkonzept immer relevanter. Die Produktanbieter selbst stehen nicht mehr primär im Vordergrund.

Wir sind jetzt mittendrin in der dritten Corona-Welle, verschiedene Virus-Mutationen breiten sich auch in Deutschland aus. Wie wird sich diese Entwicklung nach Ihrer Einschätzung in den nächsten Monaten auf das Geschäft der Vermittler auswirken?

Kintzel: Es kann sich dann negativ auswirken, wenn die Branche sich zu sehr auf einem guten Ergebnis oder den letzten Jahren ausruht. Aufgrund der Unsicherheit in der Bevölkerung können sich Beratungsprozesse verlängern. Das ist auch absolut nachvollziehbar und ernst zu nehmen. Umso wichtiger wird es in Zukunft, Transparenz zu schaffen und über die Produkte aufzuklären. Als Unternehmen müssen wir darauf reagieren und die gestiegene Beratungsnachfrage auch entsprechend leisten. Alles andere würde das nachhaltig aufgebaute Vertrauen verspielen.

Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Berater ihre Kundenkontakte völlig neu organisieren mussten. Dadurch hat die Digitalisierung nochmal einen deutlichen Schub bekommen. Wieviel digitalen und wieviel persönlichen Kontakt braucht es denn künftig in der Beratung, also auch in der Zeit nach Corona?

Kintzel: Die gute Mischung wird entscheidend sein für die Berater. Auf der einen Seite sind Mandanten inzwischen bereit, manche Produkte online oder in Videoberatungen abzuschließen. Auf der anderen Seite stehen jedoch auch Produkte, bei denen der persönliche Kontakt essenziell ist und auch vom Kunden gewünscht wird. Vorgespräche und kurze Abstimmungstermine werden dahingehend zukünftig digital stattfinden – davon bin ich absolut überzeugt und das werden wir auch weiter vorantreiben. Die gewonnene Zeitersparnis genießen nicht nur wir als Berater, sondern auch die Mandanten. Diese Rückmeldung aus der täglichen Praxis ist heute schon klar erkennbar. Corona hat die Digitalisierung massiv und deutlich erkennbar angeschoben. Unternehmen werden es sicher noch mehr in der Aus- und Weiterbildung spüren. Schulungen, die früher als Tagesseminare in einem Hotel durchgeführt wurden, werden nun ganz entspannt und genauso gut online stattfinden. Diese Entwicklung wird sich, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr umkehren lassen. Gut so.

Obwohl die Pandemie die Digitalisierung der Finanzberatung weiter vorangetrieben hat, blicken viele Berater und Vermittler weiterhin mit großer Skepsis auf Insurtechs und Robo-Advisor. Können Sie das nachvollziehen?

Kintzel: Ja, diese Angst ist für mich absolut nachvollziehbar. Diese Entwicklung führt dazu, dass man den persönlichen Kontakt mit den Kunden noch mehr stärken muss. Vertrauen und Kompetenz werden Schlüsselfaktoren sein. Gegen die Empathie, das Einfühlungsvermögen und die strukturierte Arbeit eines guten Beraters hat kein Roboter eine Chance. Wir dürfen auch nicht außer Acht lassen: Die Technik muss dem Menschen dienen, sie wird ihn nie vollständig ersetzen. Die Gewinner unserer Branche werden die eine Welt mit der anderen in Zukunft geschickt verbinden. Das positive daran ist, dass jeder seinen Job mit noch mehr Leidenschaft und Seriosität ausüben sollte. Wir haben davor keine Angst, der eine oder andere aber vermutlich schon.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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