Wann ein Wechsel auf dem Chefsessel zum Prüfstein fürs Miteinander wird

Foto: Kompetenzmagnet
Katja Gose-Krüger

Eine Neubesetzung an der Team- oder Abteilungsspitze bringt manchmal Folgen mit sich, die nicht auf der Agenda standen. Personal-Expertin Katja Gose-Krüger erklärt in einer vierteiligen Serie, wie sich Führungskräfte unterscheiden und was das fürs Team bedeutet. Teil 3: Bei wem im Team hakt es, wenn der oder die neue Vorgesetzte einen moderierenden Führungsstil pflegt?

Psychologen haben in einer internationalen Studie festgestellt, dass ein Führungsstil, der Mitarbeitenden ein Höchstmaß an Freiheit einräumt, im Team für gute Stimmung, Vitalität und Leistungsstärke sorgt. Sie hatten dafür rund 1.000 Beschäftigte und mehr als 100 Führungskräfte aus Banken, Behörden sowie dem Gesundheits- und Sozialbereich befragt. Ihre Erkenntnis: Je mehr Freiraum Mitarbeitende für Entscheidungen hatten oder in diese einbezogen wurden, desto besser ging es ihnen. Mehr noch: Sie fühlten sich deutlich weniger erschöpft von ihren Aufgaben.

Für eine Führungskraft wie Stefanie K. sind diese Studienergebnisse wie Wasser auf die Mühlen ihrer Motivation. Als Vorgesetzte sieht sie sich vor allem als Moderatorin eines Expertinnen- und Expertenteams, nicht als Ansagerin von Direktiven und schon gar nicht als alleinige Entscheiderin. Als sie die Abteilung im Produktmanagement neu übernimmt, ist für sie selbstverständlich, dass Entscheidungen überwiegend in einem demokratischen Prozess innerhalb des Teams getroffen werden. Gemeinsame Entscheidungen bedeuten Konsens. Und Konsens ist die Basis, auf der für Stefanie K. Erfolge gedeihen. Sie wünscht sich zudem eigenverantwortliches Handeln und gesteht ihrem Team entsprechend viel Freiraum zu. Bei ihrem vorherigen Team gelang das gut, in der Regel konnte sie die Vorgehensweisen und Entscheidungen ihrer Mitarbeitenden akzeptieren und freute sich über daraus resultierende gemeinsame Erfolge.

Starre Strukturen sind ein Auslaufmodell

Doch im just übernommenen Produktmanagement-Team sind von der neugewonnenen Freiheit längst nicht alle begeistert. Manch einem fehlt es mit Stefanie K. als Chefin nun an klaren Direktiven. Solche Mitarbeitenden schätzten die enge Führung ihres Vorgängers. Die Verantwortung, die ihnen übertragen wird, ist ihnen deshalb zu groß. Was geschieht? Um sich abzusichern, weiten sie Abstimmung und Diskussionen im Team länger als fachlich nötig aus – in der Hoffnung, Stefanie K. möge die erwartete Entscheidung treffen. Stefanie K. wiederum merkt, dass die Entscheidungen immer häufiger bei ihr liegen – viel öfter, als ihr lieb ist. Denn sie schätzt ihre Rolle als Moderatorin und führt überhaupt nicht gerne eng. Hier prallen zwei konträre Bedürfnisse aufeinander, die Unzufriedenheit nimmt auf beiden Seiten zu.

Führungskräfte wie Stefanie K. kommen vor allem gut mit Mitarbeitenden zurecht, die zwar ein hohes Bedürfnis nach Teamwork und Austausch haben, aber gleichzeitig auch gern selbstständig arbeiten und eigenverantwortlich handeln. Könnte sie sich ihr Team selbst zusammenstellen, würde sie sich nur Mitarbeitende ins Team holen, die eine hohe Unabhängigkeit mit einem eigenen Verantwortungsbereich bevorzugen. Die Konflikte im Produktmanagement-Team sind deshalb programmiert. Als Führungskraft sollte Stefanie K. an jene Mitarbeitenden, die sich enge Führung wünschen, klar definierte Aufgaben delegieren, die wenig Entscheidungen verlangen. Und dann gilt es, mit diesen Mitarbeitenden an Kompetenzen zu arbeiten, die für das Zurechtkommen mit dem Stil von Stefanie K. entscheidend sind: Neben Kritikfähigkeit sind es vor allem die Konfliktfähigkeit und Selbstreflexion. Denn starre Strukturen, die Entscheidungen der Chefin zugestehen, sind ein Auslaufmodell. Es gilt vielmehr, die führungsbedürftigen Mitarbeitenden zu befähigen und zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen – aber Schritt für Schritt, nicht über Nacht.

Katja Gose-Krüger ist geschäftsführende Gesellschafterin von Kompetenzmagnet, einer Personalberatung mit dem Schwerpunkt Führung und Managementkompetenzen. Mehr unter www.kompetenzmagnet.de

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