Neue Steuerpflicht beim Immobilien-Exit?

Die Rechtslage bei Immobilieninvestments schien lange Zeit klar. Nur in Sonderfällen führte ein Exit zur Besteuerung des Gewinns. Neue Urteile könnten jetzt das Regel-Ausnahme-Verhältnis geradezu umkehren.

Kolumne von Prof. Dr. Thomas Zacher, Kanzlei Zacher & Partner

Prof. Dr. Thomas Zacher
Thomas Zacher: „Jüngste Urteile lassen neue Baustellen in bisher vermeintlich
geklärtem Terrain der Immobilienveräußerung entstehen.“

Private Immobilieninvestoren können einen legalen Steuervorteil nutzen. Er erhöht gerade in diesem Segment die Gesamtrendite im Vergleich zu anderen Asset-Klassen deutlich. Außerhalb der bekannten Zehn-Jahres-Frist des Paragrafen 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist der Gewinn aus einer Grundstücksveräußerung steuerfrei.

Diese sogenannte Spekulationsfrist, welche immerhin 1999 durch den Gesetzgeber von zwei auf zehn Jahre ausgedehnt wurde, kommt nicht nur bei direkten Immobilienerwerb zur Anwendung, sondern auch bei den – steuerlich transparenten – Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds. Auch ist sie kein „Steuertrick“, sondern eine schlichte Anwendung des Gesetzesrechts, sodass sie vom Auf und Ab der Diskussionen um den Paragrafen 15b EStG und seine Vorgänger, die Auslegung der Bauherrenerlasse und ähnliche „Baustellen“ nie betroffen war.

Bisher kam es zu einer Gefährdung dieser Regelung nur in Sonderfällen, wenn etwa die Finanzverwaltung gewerbliche Einkünfte bei einem Anleger selbst oder der Fondsgesellschaft unterstellte.

Risikobehaftete Sonderfälle

Risikobereiche waren und sind hier der sogenannte gewerbliche Grundstückshandel mit der Drei-Objekte-Grenze auf Anleger- und Gesellschaftsebene, die sogenannte Abfärbetheorie, wenn neben der schlichten Vermietung bzw. Verpachtung auch noch andere schädliche Einkünfte (zum Beispiel die problematischen Service-Leistungen an die Nutzer durch den Vermieter selbst) erbracht werden oder bei der Fondsgestaltung in der Rechtsform der GmbH & Co. KG keine entsprechenden Gestaltungsmaßnahmen durch einen geschäftsführenden Kommanditisten ergriffen werden.

Jedem seriösen Anbieter sind diese Problemfelder bekannt, sodass diese für den Investor vermieden werden konnten, wenn nicht im Einzelfall bewusst gewerbliche Einkünfte erzielt werden sollten.

Durch aktuelle Urteile kommt nun diese steuerliche „stabile Seitenlage“ erheblich ins Trudeln. Der eigentlich für Zivilrechtsfragen zuständige Bundesgerichtshof hat jetzt – eingebettet in einen Rückabwicklungsfall – entschieden, dass bei der Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs der dem Anleger zufließende Betrag als (laufende) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß Paragraf 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Paragraf 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Einkommensteuer unterläge.

Ausdrücklich stellt das Gericht (Urteil vom 18. Dezember 2012 – Az. II ZR 259/ 11) darüber hinaus fest, dass diese Betrachtung sowohl für den direkten Immobilienerwerb als auch für die Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gilt. Ebenso soll es keinen Unterschied machen, ob die Rückabwicklung des seinerzeitigen Erwerbs zwischen denselben Personen erfolgt, welche auch ursprünglich an dem Immobilienkauf beziehungsweise Anteilserwerb beteiligt waren.

Rückabwicklung eines Immobilienerwerbs unterliegt Einkommensteuer

Warum kommt nun das oberste deutsche Zivilgericht – und nicht der Bundesfinanzhof – zu dieser Erkenntnis? Eingebettet war die Problematik in einen der „üblichen“ Fälle des Schadensersatzes aus Prospekt- und Vertriebshaftung. Dass es Aufklärungsmängel und dementsprechend einen Rückabwicklungsanspruch gab, war vor dem BGH unstreitig. Infrage stand nur noch die Anrechenbarkeit der Steuervorteile.

Schon beinahe „traditionell“ machen es sich die Zivilgerichte hier recht einfach, in dem sie judizieren, dass im Regelfall die Steuervorteile nur dann zu Gunsten des Anlegers anzurechnen sind, wenn die Rückabwicklung ihrerseits steuerfrei bleibt. Einzelheiten zu gegebenenfalls geänderten Steuersätzen, Barwertvorteilen etc., welche zum Einmaleins jedes Finanzdienstleisters gehören, interessieren die Zivilgerichte dabei meist wenig. Der BGH urteilte jetzt aber noch deutlich weiter generalisierend. Zwar gab es auch im Urteil zunächst gute Nachrichten. Der BGH bestätigte zunächst für Direktanlagen wie für Immobilienfonds die Geltung der 10-Jahres-Frist und stellte darüber hinaus klar, dass bei einer Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes – selbst innerhalb der 10-Jahres-Frist – keine „Veräußerung“ im Rechtssinne vorliege, da es sich nicht um einen „marktoffenbaren Vorgang“ handele. Deshalb käme auch eine analoge Anwendung der 10-Jahres-Regelung nicht in Betracht.

Einfallstor für Besteuerung

Allerdings – so dann allerdings die Kehrtwendung – sei der Rückabwicklungsbetrag aus Erstattung von Werbungskosten anzusehen und damit im Jahre seines Zuflusses gemäß Paragraf 11 Abs. 1 Satz 1 EStG in voller Höhe steuerpflichtig. Diese Frage wurde bisher vorwiegend im Hinblick auf den Ersatz von Finanzierungskosten diskutiert oder auf die regelmäßig von den geschädigten Anlegern auch geforderte „Alternativverzinsung“ auf eine – gedachte – anderweitige Kapitalanlage angewandt.

Da die Finanzierungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung regelmäßig absetzbar sind beziehungsweise eine gedachte anderweitige Verzinsung des eingesetzten Kapitals ihrerseits zu steuerpflichtigen Einkünften geführt hätte, ist es nachvollziehbar, dass man auch eine Ersatzleistung für diese Beträge der Besteuerung unterwirft. Oft wird selbst von Finanzämtern dieser Aspekt aber nicht aufgegriffen, weil er im Gesamtzusammenhang wirtschaftlich oft nur ein kleiner Nebenaspekt ist.

Der Bundesgerichtshof geht aber jetzt deutlich weiter, in dem er generell die im Wege der Rückübertragung gezahlten Beträge als Ausgleich für die sogenannten Absetzungen für Abnutzung (AfA) ansieht. Diese Auffassung wurde zwar auch bisher in Fachkreisen und von Finanzgerichten diskutiert, aber keineswegs generell geteilt. Außerdem wendet der BGH jetzt dieses Argument sehr pauschal zur Begründung einer Gesamtbesteuerung an, obwohl man – selbst wenn man diesem Argument grundsätzlich folgen wollte – dann im Detail den Rückabwicklungsbetrag dahingehend „sezieren“ müsste, für welche einzelnen Positionen er letztlich als wirtschaftlicher Ausgleich dienen sollte.

Was zunächst anlegerfreundlich erscheint, könnte zukünftig Einfallstor für eine Besteuerung auch anderer Übertragungsvorgänge innerhalb der 10-Jahres-Frist sein. Der Grundgedanke, dass Anschaffungskosten – so der BGH – „der Sache nach Werbungskosten (sind) (…), die ratierlich als AfA (…) geltend zu machen sind“ könnte letztlich auf alle Veräußerungsvorgänge angewandt werden.

Dies gilt ganz besonders dann, wenn man den weiteren – merkwürdigen – Schluss des BGH zieht: „Die (…) erzielten Steuervorteile (…) unterliegen als Einkünfte (…) der Einkommensteuer“. So schnell macht ein deutsches Gericht aus Steuervorteilen steuerpflichtige Einkünfte!

Neue Baustellen

Fast zeitgleich hat im Übrigen das Finanzgericht Münster (Urteil vom 13. Dezember 2012 – Az. 6 K 2989/10E) geurteilt, dass eine Veräußerung von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds jedenfalls dann als Veräußerungsgeschäft anzusehen wäre, wenn zwar eine Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes erfolgt wäre, aber Erwerber eine Schwestergesellschaft der ursprünglichen Vertriebsgesellschaft gewesen wäre. Auch so kann man eine Steuerbarkeit – wenn man will – begründen, in dem man den Begriff der „Veräußerung“ innerhalb der 10-Jahres-Frist sehr formal sieht.

Für die Praxis entsteht eine neue „Baustelle“ in einem bisher vermeintlich geklärten Terrain: Die bisher scheinbar klaren Fälle des Exits aus einem Immobilienengagement können – auch außerhalb der 10-Jahres-Frist – doch zu steuerrelevanten Einkünften führen. Dies kann im Einzelfall nicht nur die Gesamtperformance beeinträchtigen, sondern führt wiederum zu verschärften Aufklärungsanfordernissen bei Immobilieninvestments – gerade wegen der unsicheren Rechtslage. Im Interesse aller – Anbieter wie Privatinvestoren – hätte es wohl gelegen, dass eindeutig bestellte Feld nicht von den Gereichten erneut umzupflügen und dort den bösen Samen der „Einzelfallbetrachtung“ zu sähen.

Denn auch der vordergründige Vorteil für betroffene Anleger bei der zivilrechtlichen Nichtanrechnung der Steuervorteile im Einzelfall erweist sich letztlich als nicht verbraucherfreundlich, wenn zugleich der Fiskus beim Verbraucher im Immobilienbereich generell neue Einkunftsquellen erschließt.

Autor Prof. Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach

Foto: Katrin Stein

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