Wohnhochhäuser in Deutschland: Aufstrebendes Segment

Seit drei Jahren ist ein deutlicher Trend zu beobachten: Deutschland entdeckt die Wohnhochhäuser wieder. Dabei entstehen nicht nur Gebäude, die das Stadtbild mitprägen, sondern durch die Namensgebung auch Adressen, die im Gedächtnis bleiben. Die Beyerle-Kolumne

„Die Idee vom Wohnturm wird derzeit global umgesetzt. Aktuell sind in Deutschland 43 Wohntürme in Bau beziehungsweise in der fortgeschrittenen Planungsreife.“

Der Markt für Wohnimmobilien kannte in den letzten fünf Jahren nur eine Richtung: nach oben. Gemeint ist mit diesem Analystensprech gemeinhin die Preisentwicklung ab einem bestimmten Stichtag.

In der Tat sind die Preise für Häuser und Wohnungen in den Metropolregionen und insbesondere in den angesagten Vierteln dieser Städte seit 2011 zunächst verhalten, dann aber doch immer schneller gestiegen.

Streben in die Höhe

Doch mit dieser Entwicklung nach oben, geht seit nunmehr drei Jahren auch ein sichtbares Streben in die physische Höhe einher – quasi gen Himmel.

Deutschland entdeckt die Wohnhochhäuser wieder. Gemäß dem Motto: Wenn unten alles enger und teurer wird, ist Platz nach oben. Aktuell sind 43 sogenannte Wohntürme in Deutschland in Bau beziehungsweise in der fortgeschrittenen Planungsreife.

Zahlreiche Türme im Entstehen begriffen

Die Aufzählung von Frankfurt (12) über Berlin (14), Düsseldorf (6), Stuttgart (3), Hamburg (2) und Köln (2) sowie je ein Projekt in München, Ingolstadt, Freiburg, Münster und Kassel, zeigt freilich auch, dass es sich nicht nur um eine Entwicklung in den großen Metropolen handelt. München gleichwohl ist noch immer gefangen in der Lex „nichts darf höher als die Frauenkirche sein um den Föhnblick auf die Alpen nicht zu verstellen“.

Neu ist die Idee sicher nicht, seit Fritz Langs „Metropolis“ (1927) und der Vorstellung wie man in der Zukunft wohnt. Aber es scheint ein neues – preislich und sozial determiniertes Zeitalter angebrochen zu sein.

Deutsche haben lange gefremdelt

Eine deutsche Innovation? Sicherlich nicht, die Idee vom Wohnturm wird aktuell global umgesetzt. In Deutschland hat man lange damit gefremdelt, weil man mit Wohntürmen soziale Brennpunkte verknüpft.

Ursprünglich waren diese Wohntürme in den 1960er- und 1970er-Jahren wie in Köln Chorweiler oder in der Berliner Gropiusstadt für die Mittelschicht konzipiert. Doch die Familien zogen es dann vor, ein Haus mit Garten zu haben. Danach sind diese Siedlungen sozial erodiert.

Solvente Zielgruppe

Ganz anders die aktuellen Projekte, die auf eine kaufkräftige Klientel zielen. Im Frankfurter Bankenviertel gibt es derzeit rund 800 Wohnungen in Hochhäusern, weitere 600 sind geplant, selbstverständlich wird auch hier der größte Wohnturm der Republik entstehen.

Die Zielgruppe sind meist Singles und Leute mit Berufen, in welchen sie viel unterwegs sind, wie etwa Piloten oder Unternehmensberater, sowie die sehr heterogene Gruppe der sogenannten „Best Ager“.

Geschätzte 70 Prozent der Käufer finanzieren diese Apartments, die pro Quadratmeter zwischen 5.000 und 14.000 Euro ohne Highend-Küche kosten, direkt von ihrem Girokonto. Es geht also um vermögende Kunden und damit um eine klar abgegrenzte Klientel, welche nicht dem Scheitelpunkt der Gauß’schen Normalverteilungskurve entspricht.

Identitätsstiftende Namen

Was positiv hervor sticht, ist das Naming, also die identitätsstiftende Namensgebung dieser Objekte. In Deutschland gab es bisher keine Kultur, sich mit einem Gebäude und mit einer Adresse zu identifizieren – Bankenviertel oder Hafen City beschrieben eher nüchtern einen Tatbestand der Verortung und weckten im schlimmsten Fall negative Emotionen.

Beim „Henninger Turm“ (Frankfurt), den „Friends“ (München), dem „Pandion d’Or“ (Düsseldorf), den „Königskindern“ (Düsseldorf), der „Cloud Seven“ (Stuttgart) und dem „Max & Moritz“ (Berlin) werden sofort Bilder erzeugt, die sich über einen gewissen Zeitraum sicherlich nicht nur als geographische Koordinaten in den Köpfen der Taxifahrern einschleichen.

Dr. Thomas Beyerle ist Managing Director und Leiter der Researchabteilung bei der Catella Property Valuation GmbH.

Foto: Christian Daitche

 

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