Italien vor der Bewährungsprobe

Das im Herbst bevorstehende Referendum über die Reform der staatlichen Institutionen Italiens ist nicht nur entscheidend für die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes. Die Volksabstimmung hat auch für den Euroraum große Bedeutung. Gastkommentar von Axel Angermann, Feri

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„Italien steckt weiterhin in einer tiefgreifenden Strukturkrise.“

Die bessere Möglichkeit zur Mehrheitsbildung im italienischen Parlament und vor allem eine klarere Aufgabenverteilung zwischen Parlament und Senat sind das Kernstück der von der Regierung Renzi angestoßenen Reformen. Nur so haben weiterhin dringend benötigte Strukturreformen überhaupt eine politische Chance.

Referendum unter ungünstigen Rahmenbedingungen

Die Rahmenbedingungen, unter denen das Referendum abgehalten wird, sind indes sehr ungünstig: Das Wirtschaftswachstum ist im zweiten Quartal zum Erliegen gekommen, nachdem man zuvor fünf Quartale in Folge zwar schwache, aber immerhin positive Wachstumsraten verzeichnen konnte. Praktisch alle wichtigen Indikatoren signalisieren zudem, dass es im dritten Quartal kaum besser werden dürfte.

Das BIP wird im laufenden Jahr voraussichtlich nur um 0,8 Prozent und damit nur halb so viel zunehmen wie in der Währungsunion insgesamt. Die Arbeitslosigkeit, die zwischen November 2014 und August 2015 um 1,7 Prozentpunkte gesunken war, verharrt seit nunmehr einem Jahr auf dem noch immer sehr hohen Wert von 11,4 Prozent. Dass angesichts dieser schlechten Wirtschaftsdaten die Popularität der amtierenden Regierung erheblich leidet, ist kein Wunder.

Schwache Arbeitsproduktivität bereitet Sorgen

Italien steckt weiterhin in einer tiefgreifenden Strukturkrise: Während die Wirtschaftsleistung des Euroraums aktuell etwas mehr als ein Prozent über dem Niveau vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 liegt und selbst Spanien dank guter Wachstumsraten in den vergangenen drei Jahren wieder bis auf 2 Prozent an das Vorkrisenniveau herangekommen ist, weist die italienische Wirtschaft im Vergleich zum Jahr 2008 noch immer ein Minus von mehr als acht Prozent auf.

Dabei war schon das Wachstum in den Jahren zuvor (von 2000 bis 2008) mit durchschnittlich 0,6 Prozent pro Jahr sehr mager ausgefallen. Ein Blick auf die Produktivität verstärkt diesen Befund: Italien ist das einzige große EU-Land, dessen Produktivität in den vergangenen Jahren gesunken ist. Selbst Frankreich bringt es seit Anfang 2009 auf ein Produktivitätswachstum von fünf Prozent (Deutschland: 9,5 Prozent), während für Italien ein Minus von einem Prozent zu Buche steht.

Seite zwei: Regierung Renzi im Kampf gegen strukturellen Defizite

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