Konjunkturelle Erholung hält an

Von Geldpolitik zu Fiskalpolitik

Die Divergenzen in der Geldpolitik dürften im kommenden Jahr nochmals extremer werden. Unserer Einschätzung nach wird die US-Notenbank die Zinssätze mindestens zweimal erhöhen, während die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan weiter die Grenzen der Lockerungsfähigkeit ihrer Politik austesten werden. Obwohl sich das Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks weiter schleppend vollzieht, verlagert sich der Schwerpunkt aus zwei Gründen hin zu höheren Staatsausgaben: einerseits als Gegenreaktion auf die jahrelange Sparpolitik, andererseits aufgrund der Erkenntnis, dass es Infrastrukturverbesserungen bedarf. Diese Veränderung könnte für einen besseren Politikmix sorgen, der das Wachstum und die Unternehmensgewinne stützt. Möglich ist allerdings auch, dass Verschuldung und Inflation in die Höhe schnellen und eine höhere Volatilität bei Industrie- und Schwellenländeranlagen entsteht.

Wir sind überzeugt, dass die geringe Inflation in Europa und die andauernden EZB-Anleihekäufe die Bundesanleihen weiter unterstützen werden. Im Vergleich zu den USA könnte die abweichende Geldpolitik zudem den Euro in die Parität mit dem US-Dollar treiben. Ebenso wie die Schwellenländer, die am stärksten unter dem Wandel der Fed-Politik litten, sind die schwächeren Volkswirtschaften am Rande Europas einer volatilitätsbedingten Erhöhung der Kreditkosten ausgesetzt. Allerdings haben einige der schwächeren Schwellenländer ihr gegenwärtiges Leistungsbilanzdefizit mittlerweile reduziert und dürften nun eher in der Lage sein, Belastungen standzuhalten. Die Politik der BoJ, die darauf zielt, die Zinskurve in Japan zu kontrollieren, wird vermutlich den Abwärtsdruck auf den Yen aufrechterhalten. Dennoch sehen wir ein geringes Abwärtspotenzial für Renditen auf japanische Staatsanleihen. Aus quantitativer Sicht hat die geldpolitische Lockerung die Bewertungen von Aktien- und Anleihe-Portfolios auf ein hohes Level gehievt, doch die Unterschiede in diesen Märkten bleiben historisch gesehen groß. Da sich die Geldpolitik in Richtung fiskalpolitische Lockerung entwickelt, wird sich diese Streuung 2017 potentiell verringern, wovon wertorientierte Anlagestrategien profitieren könnten.

Von Regulierung zu Deregulierung

Die Aussicht bevorstehender höherer Staatsausgaben hat bereits einige Aufmerksamkeit erregt. Dabei könnte ein Deregulierungsschub sogar noch stärkere Auswirkungen auf das Wachstum und die Märkte im Jahr 2017 haben. So zielen die von Donald Trump in den USA vorgeschlagenen Gesetzesänderungen auf einen verbesserten Kapitalzugang und den Abbau von Barrieren für Geschäftsgründungen ab. In Europa wurde die Unterstützung der Unternehmen zugunsten des Brexits von der Sorge über eine ausufernde Regulierung getragen. Zudem haben europäische Finanzinstitute begonnen, sich gegen die Regulierungswelle nach der Krise aufzulehnen. Währenddessen ist China weiterhin auf der Suche nach dem richtigen Mix aus Regulierung und Stimulierung, mit dem Strukturreformen vorangetrieben und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden soll. Wir werden daher das Ausmaß der Regulierungsdivergenz in der globalen Wirtschaft und das Potenzial für eine Deregulierung des Wettbewerbs genauestens im Auge behalten.

In den USA dürften Änderungen der bestehenden Finanzgesetzgebung das Kreditwachstum anregen und Probleme aufgrund schwieriger Finanzierungsbedingungen lindern. Diese hatten sich aus höheren Zinsen und einer stärkeren Währung ergeben. Eine Lockerung des Regulierungskorsetts dürfte zudem das Kreditwachstum in Europa ankurbeln. Die Nachfrage nach Unternehmens- und Haushaltskrediten dürfte schwach bleiben und wir gehen davon aus, dass sich beim Wachstum und der Inflation auch 2017 keine Aufwärtsdynamik entwickeln wird. In Großbritannien erwarten wir – unabhängig davon, in welche Richtung sich die Regulierung entwickelt – dass sich der Trend steigender Compliance-Kosten in nächster Zeit fortsetzen wird. Zusammen mit schwachen Wachstums- und Inflationsaussichten im Zuge der sich abzeichnenden Auswirkungen des Brexit wird dies die Rentabilitätsaussichten belasten.

Andrew Wilson ist CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management

Foto: Gold Sachs Asset Management

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