Italien-Krise: Droht Endzeitstimmung in EU und Eurozone?

Auch wenn Brüssel wie auch der Schreiber dieser Kolumne auf Rom stinkesauer ist, zwingt die Kraft des Faktischen also zu weiterer europäischer Schuldentoleranz gegenüber Italien. Damit sind die aktuellen Scharmützel nur Wrestling, bei dem man sich nur zur Schau wehtut.

Brüssel und Rom müssen kluge Schuldenlösung präsentieren

Allerdings müssen Brüssel und Rom eine politisch kluge Schuldenlösung präsentieren, um beiderseitige Glaubwürdigkeit, vor allem aber Stabilitätsschein zu wahren. So könnte man zunächst argumentieren, dass das geplante italienische Haushaltsdefizit mit 2,4 unter der erlaubten Drei Prozent-Schwelle liegt und eher – wie vom italienischen Ministerpräsidenten bereits angedeutet – als Obergrenze zu betrachten ist.

An das geplante Defizit der Vorgängerregierung von 0,8 Prozent hat man eigentlich nur im Märchenwald geglaubt. Sollte es bei der endgültigen Haushaltsfeststellung dann doch Richtung drei Prozent oder darüber gehen, findet man wie immer in Europa befreiende Gründe für die eigene Zielverfehlung.

Zudem könnte Italien als Versöhnungsangebot mehr „gute“ Schulden in Form von Infrastrukturinvestitionen machen. Diese kämen der italienischen Wettbewerbsfähigkeit und damit dem Wirtschaftswachstum zugute. Das müsste insgesamt ausreichen, damit die EU Italien entgegenkommt.

Warum italienische Staatspapiere für Investoren wieder interessant werden könnten

Und wenn Brüssel schuldenbarmherzig ist, die Rating-Agenturen Italien nicht auf Ramschniveau abstufen sowie die EZB ihre Valium-ähnliche Niedrigzinspolitik fortsetzt und Zinszahlungen römischer Staatspapiere beziehungsweise Rückzahlungen bei Fälligkeit wieder italienisch anlegt, dann werden Staatspapiere vom Stiefel für nach Rendite gierende Anleiheinvestoren wieder interessant. Früher oder später kann man den Renditeaufschlägen gegenüber deutschen nicht mehr widerstehen.

Grafik: Risikoprämien

So kann Europa sich erneut aus der Krise „kungeln“. Europa ist nicht nur Weltklasse beim Finden schmutziger, sondern sogar dreckiger Kompromisse.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

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