Superwahljahr in den Emerging Markets

Russland, Ägypten und China haben bereits in den vergangenen Wochen ihre Staatsoberhäupter im Amt bestätigt. Im laufenden Jahr folgen vor allem in Lateinamerika noch entscheidende Wahlen. Welche Auswirkungen könnten die Ergebnisse für die weltweiten Finanzmärkte haben? Ein Gastbeitrag von René Lichtschlag, Union Investment

René Lichtschlag, Union Investment: „Das Superwahljahr 2018 wird entscheidend für die weitere Entwicklung der Länder Lateinamerikas sein.“

Die Situation für Investoren in den Schwellenländern ist schon seit längerer Zeit gut. Der weltweite synchrone Wirtschaftsaufschwung, der schwache US-Dollar und die gestiegenen Rohstoffpreise unterstützen die Emerging Markets (EM). Auch die Suche nach höherverzinslichen Anlagen von Investoren aus dem Euroraum, wo die Zinsen historisch niedrig sind, wirken unterstützend. Die Kurse der Hartwährungs-Staatsanleihen aus den EMs sind seit Anfang 2017 über acht Prozent im Plus. Der MSCI Emerging Markets-Index ist im gleichen Zeitraum in lokaler Währung um fast 30 Prozent gestiegen. Schwellenländer-Investments dürften auch 2018 vom guten Fundamentalbild profitieren.

Unsicherheit könnte hingegen von den anstehenden Wahlen, vor allem in Lateinamerika, ausgehen. Dem erwartbaren Ausgang der Russlandwahl Mitte März wurde von den internationalen Finanzmärkten eher wenig Beachtung geschenkt. In Lateinamerika dagegen sind die Wahlausgänge ungewiss. Dies birgt Überraschungspotenzial und kann zu höheren Volatilitäten an den Finanzmärkten führen.

Große Politikverdrossenheit

2018 und 2019 wählen fast alle lateinamerikanischen Länder neue Präsidenten beziehungsweise Parlamente. Und das betrifft vor allem Staaten, in denen sich zuletzt eine große Unzufriedenheit aufgestaut hat. In Brasilien, Kolumbien und Mexiko liegt die Zustimmungsrate für den Präsidenten teilweise sogar unter der 20-Prozent-Marke. Durch die allgemeine Politikverdrossenheit sind Quereinsteiger aus den unterschiedlichsten Richtungen als Kandidaten besonders erfolgreich: In Argentinien und Chile haben 2017 die Unternehmer Mauricio Macri und Sebastián Piñera gewonnen, in Guatemala der TV-Komiker Jimmy Morales.

Mexiko

Der Plan des derzeitigen mexikanischen Präsidenten Peña Nieto war es, die Korruption und die Macht der Drogenkartelle einzudämmen. Er stand dann aber bald selbst unter dem Verdacht der Vorteilsnahme. Seine „Partei der Institutionalisierten Revolution“ (PRI) lässt sogar einen anderen, nämlich den ehemaligen Finanzminister José Antonio Meade, als Präsidentschaftskandidaten für die Wahl am 1. Juli 2018 antreten.

In aktuellen Umfragen liegt allerdings der Linkspopulist Andrés Manuel López Obrador („AMLO“) mit etwa 35 Prozent vorne. Auf dem zweiten und dritten Platz folgen die beiden Kandidaten der christdemokratischen „Partido Acción Nacional“ (PAN) und eben der PRI, die das politische Establishment verkörpern. Auch wenn Wahlprognosen in Lateinamerika generell mit Vorsicht zu genießen sind, wird es derzeit als recht wahrscheinlich angesehen, dass AMLO mit einem der Kandidaten von PAN und PRI in die Stichwahl kommt.

Hohe Wettbewerbsfähigkeit

Die hohe Wettbewerbsfähigkeit und Integration in die amerikanische Vorleistungskette verhalf Mexiko in den letzten Jahren zu einer stabilen Position in globalen Stressszenarien. Da aber die erwarteten Reformen ausblieben, verharrte die wirtschaftliche Dynamik auf einem niedrigen Niveau. Falls AMLO im Juli zum Präsidenten gewählt werden würde, dürfte dies das Wachstum Mexikos weiter schwächen. Denn zum einen plant AMLO, die Sozialausgaben zu erhöhen, zum anderen will er bereits verabschiedete Reformen und Infrastrukturprojekte erneut auf den Prüfstand stellen und möglicherweise wieder zurücknehmen.

Aus Investorensicht wäre es deswegen eher zu begrüßen, wenn eine der beiden etablierten Parteien PRI oder PAN die Wahl gewännen. Denn diese wollen die bereits begonnenen Reformen weiter voranbringen. Noch spielt der anstehende Urnengang am mexikanischen Kapitalmarkt allerdings nur eine untergeordnete Rolle – die NAFTA-Neuverhandlung mit den USA und Kanada, die Diskussion um Strafzölle seitens der USA sowie Donald Trumps Mauerbau-Vorhaben stehen eher im Fokus.

Seite zwei: Erholung am Zuckerhut

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