„Der Spotify-Moment für die Finanzbranche kommt mit der Blockchain“

Kunden werden nach Darstellung von Hartmut Giesen die zukünftigen Veränderungen spüren können, auch wenn diese in den „Maschinenräumen“ der Banken passieren: „Zahlungen werden technisch mit dem Waren- oder Wertetausch synchronisiert. Dadurch werden Geld- und Wertetransfers schneller und preiswerter sowie Handelsprozesse aller Art deutlich einfacher werden.“ Auch im Wertpapierhandel werde es zu neuen Anlegererfahrungen kommen, weil sich die Prozesse enorm beschleunigten.

Ein Beispiel zum Thema Überweisung: Wenn heute im SEPA-Raum eine Überweisung getätigt wird, füllt der Bankkunde ein Überweisungsformular – online oder sogar noch haptisch – mit Betrag und IBAN aus. Von der Bank gehen die Daten an die Deutsche Bundesbank, Überweisungen von Bank A zu Bank B laufen zunächst über die Bundesbank-Konten der beiden Banken. Erst danach kommt es zur Überweisung auf das Empfängerkonto. Der Vorgang dauert im Inland einen Tag, im SEPA-Ausland zwei Tage.
Eine Blockchain-basierte Transaktion funktioniert völlig anders: Über „Blockchain-Knoten“, die von den Banken betrieben werden, kann eine Überweisung sehr schnell ausgeführt werden. Der Absender würde in seinem Wallet die Wallet-Adresse des Empfängers eingeben, die Transaktion wird auf die Blockchain geschrieben, von einem der Blockchain-Knoten verifiziert und an die Blockchain angehängt. Der Betrag würde sofort im Empfänger-Wallet erscheinen.

„Dieser Vorgang spart nicht nur zeitlichen und operativen Aufwand, sondern macht auch ganz neue Austauschprozesse möglich. So können Güter und Geld gleichzeitig getauscht werden, ohne dass eine der Parteien Angst haben muss, dass sie für das hergegebene Gut das Geld oder umgekehrt das gekaufte Gut für das vorausbezahlte Geld nicht bekommt“, erläutert Hartmut Giesen. Fragen der Sicherheit und Privatsphäre müssten dabei selbstverständlich noch geklärt werden.

Wann kommt der Spotify-Moment im Banking?

Aus Kundensicht ist es nach Meinung von Hartmut Giesen im Grunde unerheblich, wie Geld transferiert werde – Hauptsache, es funktioniere. Doch wenn eine neue Basistechnologie ganz neue Ausführungskontexte für die menschliche Basisinteraktion „Bezahlen“ erlaube, sei dies für den Kunden hochrelevant. „Im Grunde ist es auch dem Musikhörer egal, mit welcher Technologie die Musik an sein Ohr kommt. Aber digitale Techniken haben dafür gesorgt, dass Musik heute völlig anders in den Lebenskontext integriert ist als zu CD-Zeiten, und dass auf dieser Basis neue große Unternehmen wie Spotify entstanden sind. Ähnliche, vielleicht noch nicht absehbare Entwicklungen werden auch von der Blockchain-Technologie ausgehen“, ist sich Hartmut Giesen sicher.

Nicht von heute auf morgen: erst die Prozesse, dann die Geschäftsmodelle

Die wahren Auswirkungen der Blockchain-Revolution dürften für Unternehmen und Kunden wohl erst in ein paar Jahren spürbar sein. Im ersten Schritt würden bestehende Prozesse „blockchainisiert“, erst dann kämen die Blockchain-basierenden Geschäftsmodelle. „Die Möglichkeiten von dezentraler Geldschöpfung, programmierbarem Geld, Smart Contracts oder der Tokenisierung von Werten aller Art werden erst die Banken der nächsten Generation erkennen und in neue Geschäftsmodelle umsetzen, die wir heute noch gar nicht absehen können“, sagt Giesen.

Banken werden nach Meinung von Hartmut Giesen die technische Revolution überstehen, weil der Staat möchte, dass Geldaktivitäten auch künftig von Banken ausgeführt werden. Allerdings werden sich ihre Aktivitäten deutlich verändern – etwa hin zum Verwalten von Kunden-Wallets oder dem Betrieb von Blockchain-Knoten. Doch werden auch neue Player auftreten: „Die Banken der Zukunft werden Blockchain-basiert gegründet“, ist Hartmut Giesen überzeugt.

Foto: Sutor Bank

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