Depots für die Generation Z: Was Banken von Neobrokern lernen können

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Klassische Banken hinken Neobrokern bei der Digitalisierung deutlich hinterher. Wenn Kreditinstitute die onlineaffine Generation Z nicht an die Konkurrenz verlieren wollen, müssen sie jetzt investieren. Doch was sollten die Geldhäuser tun, um für die Digital Natives attraktiver zu werden?

Spätestens mit dem Ausbruch von COVID-19 ist auch in Deutschland ein regelrechter Aktienboom entstanden. Direktbanken wie ING oder comdirect vermelden für 2020 starke Zuwächse im Bereich der Wertpapierdepots. So verzeichnete die ING für das erste Quartal 2020 fast doppelt so viele Depoteröffnungen wie für das gesamte Jahr 2019. Auch sogenannte Neobroker wie Trade Republic erfreuen sich einer stark steigenden Beliebtheit. Schätzungen aus der Finanzszene gehen bei Trade Republic mittlerweile von über einer halben Million Nutzer aus. Zum Vergleich: Anfang 2020 war die Nutzerzahl wohl noch fünfstellig.

Pascal Kleinmann, Berg Lund & Company

Insbesondere unter jungen Erwachsenen ist ein hoher Anstieg in der Nutzung von Wertpapierdepots zu verzeichnen. Laut einer Umfrage von verivox besitzen circa 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ein Depot bei einem Onlinebroker.[1] Das Aufkommen der Neobroker ist einer der Haupttreiber für diese Entwicklung. Auch wenn diese Entwicklung im ersten Moment als positiv zu sehen ist, so mehren sich spätestens seit dem Hype um die Aktie von GameStop auch die negativen Stimmen. Kritik gibt es zu den jüngsten Handelseinschränkungen rund um den GameStop-Hype oder auch dem Suizid eines Kunden des amerikanischen Neobrokers Robinhood. Die vielen Vorteile der Neobroker haben einen massiven Einfluss auf das Investmentverhalten der Nutzer, der nicht immer nur positiv ist.

Mit wenigen Klicks zur Aktie – und das so günstig wie möglich

Klassische Banken verlangen neben Depotführungsgebühren häufig auch Transaktionsgebühren von zehn Euro oder mehr je Transaktion. Diese Handelsaktivitäten sind bei Neobrokern mit teilweise nur einem Euro je Trade deutlich günstiger, auch Kontoführungsgebühren fallen keine an. Den Großteil ihres Geldes verdienen Neobroker daher nicht mit den Kundenentgelten, sondern mit Rückvergütungen ihrer Handelspartner. Trade Republic beispielsweise erhält für jeden Wertpapierhandel eine Rückvergütung von bis zu drei Euro von seinen Partnern.

Die simple Aufmachung der Applikationen sowie eine ständige mobile Verfügbarkeit machen das Handeln mit Wertpapieren für jeden intuitiv und einfach zugänglich. Die geringen Gebühren machen es zudem attraktiv, auch mit einem niedrigeren Anfangsinvestment zu starten. Features wie die sogenannten „Hot Stocks“, also die meistgehandelten Aktien, ETFs und Zertifikate, oder einfach zusammengefasste Analystenmeinungen erleichtern die Auswahl des vermeintlich richtigen Wertpapiers.

Nicht alles Gold, was glänzt

Die Vorteile der Neobroker haben jedoch einen signifikanten Einfluss auf das Investmentverhalten der Nutzer. Transaktionen werden nicht zuletzt aufgrund der oft spielerischen Aufmachung wenig überlegt durchgeführt. Während erfahrene Nutzer von den günstigen Gebühren profitieren können, leiden unerfahrene Nutzer unter oftmals schlecht durchdachten Transaktionen.

Steffen Seger, Berg Lund & Company

Die Verhaltensökonomen Brad Barber, Terrance Odean, Xing Huang und Christopher Schwarz haben das Verhalten der Nutzer von Robinhood, dem amerikanischen Pendant zu Trade Republic, umfassend untersucht.[2] Über die Hälfte der Robinhood-Nutzer handelt zum ersten Mal an der Börse und ist dementsprechend unerfahren und verfolgt keine klare Investmentstrategie. Diese Unerfahrenheit fördert Impulskäufe, die Gier nach schnellem Reichtum und damit einhergehende kurzfristige Spekulationen. Die simple Aufmachung von Informationen innerhalb der App fördert eine gewisse kognitive Leichtigkeit, die zu mehr Investitionen auf Basis von Intuition führt. Besonders kritisch zu sehen ist auch der einfache Zugang zu (Hebel-)Zertifikaten und das damit verbundene Risiko des Totalverlusts des Investments. Insgesamt erzielen diese Nutzer im Schnitt niedrigere Renditen als Nutzer klassischer Broker. Das alte Sprichwort „Viel hin und her macht die Taschen leer“, früher bezugnehmend auf hohe Ordergebühren, erhält in diesem Zusammenhang eine neue Bedeutung: Häufiges und unüberlegtes Kaufen und Verkaufen führen selten zu nachhaltigen Gewinnen.

Die Kunden von morgen schon heute gewinnen

Klassische Banken sollten die Entwicklung der Neobroker nicht tatenlos verfolgen und diesen die jungen Kunden kampflos überlassen. Junge Erwachsene verfügen in der Regel nicht über große finanziellen Reserven, haben aber dennoch Geld zum regelmäßigen Investieren zur Verfügung. 85 Prozent der Deutschen im Alter von 14 bis 25 Jahren sparen ihr Geld aktiv an – im Schnitt liegt ihre Sparquote von 29 Prozent, was 141 Euro im Monat entspricht, sogar über dem Schnitt privater Haushalte.[3] Zusätzlich gilt es, den Customer Lifetime Value zu berücksichtigen, denn die jungen Kunden werden mit der Zeit finanziell potenter und profitabler. Auch stellt ein Wertpapierdepot eine gewisse emotionale Wechselhürde dar und ein späterer Wechsel ist stets mit Aufwand sowie einer eingeschränkten Verkaufsmöglichkeit der Aktien verbunden.

Klassische Banken sollten jedoch auf keinen Fall plump das Geschäftsmodell der Neobroker kopieren – der darauffolgende Preiskampf wäre wohl nicht zu gewinnen. Stattdessen sollten sie sich auf ihre Mehrwerte für den Kunden gegenüber Neobrokern fokussieren. Gerade etablierte Banken haben erfahrene Mitarbeiter, die als Finanzcoaches sowohl persönlich als auch zeitgemäß per Video zu Anlagefragen aufklären und coachen könnten. Ein vielversprechender Ansatz wären zielgruppenangepasste Marketingkampagnen, die essenzielles Wissen zur Geldanlage vermitteln, als institutionalisierte Alternative zu „Finanz Influencern“ auf Youtube.

Neben der Wissensvermittlung durch Finanzcoaches sollten klassische Banken bestehende Produkte auf junge Erwachsene ausrichten: Hier sind unter anderem unkomplizierte Produktabschlüsse, eine ansprechende Gestaltung sowie ständige mobile Verfügbarkeit wichtig. Eine gänzliche Umgestaltung des Produktangebots im Sinne von Bundle-Produkten, die Leistungen aus verschiedenen Produktkategorien der jeweiligen Bank kombinieren, könnte die Attraktivität weiter steigern. Vorstellbar wäre ein Basis-Bundle für junge Leute, das ein Wertpapierdepot sowie ein Tagesgeld- und Girokonto kombiniert. Der Kunde zahlt in diesem Fall nur eine Gebühr, anstatt jedes Produkt einzeln zu bezahlen. Um die Nutzung des Wertpapierdepots zu incentivieren, wäre eine kostenfreie Transaktion pro Monat oder ein kostenfreier ETF-Sparplan wichtiger Bestandteil des Bundles.

Junge Bestandskunden, die durch ihre Eltern oder Großeltern häufig eine Bankverbindung bei einer klassischen Bank haben, sollten generell möglichst früh angesprochen und in ein Anlageprodukt, zum Beispiel einen kostenfreien ETF-Sparplan, transferiert werden. ETF-Sparpläne haben zwar eine nahezu nicht vorhandene Marge, öffnen dafür aber die Tür zu Kunden mit Liquidität und langfristiger Orientierung. Zusätzlich sind ETF-Sparpläne weniger risikobehaftet als Einzeltitel und eigenen sich somit, um erste Erfahrungen an der Börse zu sammeln.

Einen Gegenentwurf zu Neobrokern etablieren

Auch wenn Neobroker viele Vorteile gegenüber klassischen Brokern haben, so müssen auch die nicht immer nur positiven Auswirkungen auf das Investmentverhalten der Nutzer berücksichtigt werden. Klassische Banken sollten sich auf ihre eigenen Stärken fokussieren, ihr Produktangebot entsprechend ausrichten und so einen ansprechenden Gegenentwurf zu Neobrokern etablieren. Doch hierfür sollten sie sich nicht zu lange Zeit lassen, denn die Fintech-Szene hat dieses Problem schon selbst erkannt. Die Neobank Vivid Money hat erst kürzlich ein Trading-Angebot in seine Banking-App integriert. Der Unterschied zu bereits existierenden Neobrokern: Vivid Money will seine Kunden bewusst „weiterbilden“ und so Zockerei beziehungsweise Spekulation mit Wertpapieren reduzieren.

Die Autoren: Pascal Kleinmann und Steffen Seger, beide Senior Consultant bei der Unternehmensberatung Berg Lund & Company (BLC).


[1] https://www.verivox.de/geldanlage/nachrichten/corona-boom-viele-deutsche-entdecken-ihre-lust-an-aktien-1117926/

[2] Why most Robinhood traders earn lousy returns | The Evidence-Based Investor (evidenceinvestor.com)

[3] Umfrage der Deutschen Bank Junge Menschen sparen überdurchschnittlich viel Geld | springerprofessional.de

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