Kommentar: Die Gefahr einer Rezession steigt mit einem Embargo von russischem Gas

Die Schrift Inflation sticht orange hervor im Hintergrund sieht man Aktienkurse
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"Generell ist mit Blick auf die nächsten Monate weiter mit einer hohen Volatilität zu rechnen", so die Expertin.

Die Welt bewegt sich derzeit bereits auf einem schmalen Grat zwischen schwachem Wachstum und hoher Inflation – die Fehlertoleranz, die die Zentralbanken in diesem Umfeld haben, ist sehr gering. Laut Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management würde ein Gasimport-Stopp aus Russland die Gefahr für eine Rezession stark erhöhen.

Seit Jahresanfang haben sich sowohl der Makro- als auch der Finanzmarktausblick für dieses Jahr rapide verschlechtert. Stark steigende Preise in Verbindung mit einer strafferen Geldpolitik könnten die Nachfrage und damit das Wachstum weltweit bremsen.

Droht eine Stagflation oder eine Rezession?

„Klar ist, dass sich die globale Wirtschaft derzeit in einer Schwächephase befindet“, sagt Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard Asset Management, „die Frage ist nur, wie lange diese andauern wird.“ Der internationale Währungsfonds (IWF) habe seine Prognosen für das Wachstum im Jahr 2022 und 2023 bereits gesenkt. Das globale Wachstum wird sich laut IWF voraussichtlich von 6,1 Prozent im Jahr 2021 auf 3,6 Prozent in den Jahren 2022 und 2023 abschwächen. Das sind 0,8 bzw. 0,2 Prozentpunkte weniger für 2022 und 2023 als noch im Januar prognostiziert. Darin spiegelt sich nach Einschätzung Sauers die Belastung durch die höheren Energiepreise und geldpolitische Verschärfungen wider.
Ausblick: Große Unterschiede zwischen Ländern/Regionen „Die hohen Energiepreise auf den Weltmärkten und gestörte globale Lieferketten wirken sich negativ auf die USA aus“, stellt Sauer fest. Insgesamt habe das Land mit Russland und der Ukraine jedoch nur wenige wirtschaftliche Verflechtungen.

Anders sehe das Bild in Europa aus. Insbesondere Deutschland und die osteuropäischen Länder seien von den Energiepreiserhöhungen gefährdet, weil diese in den letzten Jahren wenig getan haben, um ihre Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. „Sollte Deutschland den Kauf des russischen Gases einstellen, würde die Gefahr einer Rezession deutlich steigen“, erklärt Sauer. Jedoch gebe es auch positive Impulse, die nicht außer Acht gelassen werden sollten: „Sowohl in den USA als auch in Europa ist die Arbeitslosenquote gering und die Sparquote der privaten Haushalte ist in der Pandemie stark gestiegen“, führt die Expertin aus. „Somit kann die Verbrauchernachfrage trotz der gestiegenen Preise hoch bleiben. Eine Stagflation/Rezession wäre unter diesen Umständen nicht zu befürchten.“

Der Ausblick für die Emerging Markets gemischt

Einige Schwellenländer träfen die gestiegenen Kraftstoff- und Nahrungsmittelpreise besonders hart und durch ihre begrenzten fiskalischen Mittel hätten sie diesen wenig entgegenzusetzen. „Die gestiegenen Kraftstoffpreise sind insbesondere für ölimportierende Länder wie zum Beispiel Indien und die Türkei problematisch; die gestiegenen Nahrungsmittel- und Düngerpreise werden hingegen insbesondere die ärmsten Länder hart treffen“, so Sauer. „In China bedroht die Null-Covid-Politik zwar die heimische Wirtschaft, jedoch ist es dem Land bislang in jeder Krise (Handelskrieg, angeschlagener Immobiliensektor) gelungen, durch politische Eingriffe recht unbeschadet davonzukommen. Warum sollte es diesmal anders sein?“

Hohes Rückschlagsrisiko bei Aktien, aber auch Chancen Mit Blick auf die Kapitalanlage sollten Anleger aus Sicht der Investmentstrategin auf mögliche Rückschläge vorbereitet sein: „Die Aussichten sind für alle Anlageklassen gedämpft, aber insbesondere die Rentenmärkte befinden sich derzeit in einem Bärenmarkt. Die starken Renditeanstiege seit Jahresbeginn haben für hohe Kursverluste an den Anleihenmärkten gesorgt.“ Die Frage, wieweit die Renditen noch steigen werden, treibe Anleger um. „Angesichts der hohen Inflationszahlen ist die monetäre Expansion der Zentralbanken eindeutig vorbei und Anleger müssen sich auf ein neues Zinsumfeld einstellen“, sagt Desiree Sauer. Neben den Negativauswirkungen auf bestehende Rentenanlagen eröffne das neue Umfeld gleichzeitig aber Chancen zum Beispiel im Bereich Buy & Hold.

Der Verzicht auf Diversifizierung stellt ein unnötiges Risiko dar

„Generell ist mit Blick auf die nächsten Monate weiter mit einer hohen Volatilität zu rechnen“, so die Expertin. „Das Rückschlagsrisiko bei Aktienanlagen ist derzeit sehr ausgeprägt. Ein Schwerpunkt bei der Aktienauswahl sollte deshalb auf Qualität liegen.“ Wandelanleihen könnten nach vorne hin einen guten Kompromiss zwischen Aktien- und Renten-Investments darstellen. Bei einer Aktienrallye partizipieren Wandelanleihen stark von ihrem Aktien-Exposure. In größeren Korrekturen werden sie eher zu Unternehmensanleihen, bieten Schutz und weisen im Vergleich zu Aktien ein attraktives „Downside Capture“ auf.

Auch „marktneutrale“ alternative Long/Short-Aktien- oder Wandelanleihen-Strategien, aktiv gesteuerte Multi-Asset-Konzepte, sowie von einer steigenden Inflation profitierende Geschäftsmodelle mit robusten Cashflows könnten sich in einem volatilen Umfeld gut behaupten. Aus antizyklischer Sicht könnten zudem Small Cap-Aktien interessante Gelegenheiten bieten.

Sauer gibt jedoch zu bedenken: „Als Anleger sollte man sich nicht nach kurzfristigen Entwicklungen richten, sondern vielmehr langfristig im Sinne einer strategischen Asset Allocation denken. Ein wohldiversifiziertes Portfolio beinhaltet verschiedene Assetklassen und verschiedene Regionen. Der Verzicht auf Diversifizierung stellt ein unnötiges Risiko dar.“

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