Standards zur Offenlegungs-VO endlich fertig – Posse geht weiter

EU-Flagge mit Paragraf
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Nach langem Hickhack sind die technischen Regulierungsstandards (RTS) zur EU-Offenlegungsverordnung nun im EU-Amtsblatt als Delegierte Verordnung (EU) 2022/1288 veröffentlicht worden und am Sonntag in Kraft getreten. Die Geschichte ist damit aber keineswegs zu Ende.

Anzuwenden sind die RTS ab dem 1. Januar 2023. Sie legen den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen fest, erklärt die Finanzaufsicht BaFin. Es geht um die Angaben in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Unternehmen und Finanzprodukten.

„Mit Inkrafttreten der Standards ist aus Sicht der BaFin ein wichtiger Meilenstein erreicht, durch den die Qualität und die Vergleichbarkeit der offenzulegenden Informationen verbessert werden soll“, heißt es in dem Beitrag der Behörde. Die RTS konkretisieren die EU-Offenlegungsverordnung, die bezüglich der Angaben von Unternehmen bereits seit März 2021 in Kraft ist. Sie kommen also mit kolossaler Verspätung.

Relevant sind die RTS zur Offenlegungsverordnung aber vor allem auch für den Vertrieb in Zusammenhang mit der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden nach der Neufassung der delegierten Verordnung zur Finanzmarktrichtlinie MiFID II, die am 2. August 2022 in Kraft getreten ist. Demnach müssen in der Finanzberatung nun die nicht weniger als 72 eng bedruckten Seiten der RTS-Verordnung (inklusive Anhang) berücksichtigt werden. Der freie Vertrieb (Paragraf 34f Gewerbeordnung) ist davon vorerst noch ausgenommen.

Aufsichtsbehörden setzten Arbeit an RTS fort

Damit ist die Geschichte indes keineswegs zu Ende. „Die konkretisierende Regulierung zur Offenlegungsverordnung ist damit aber nicht abgeschlossen“, schreibt die BaFin. Die Europäische Kommission hat demnach bereits im April 2022 mit zwei Mandaten die Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, wie die RTS überarbeitet werden können.

Bis spätestens zum 30. September 2022 sollen die ESAs demnach Ergänzungen zu den RTS bezüglich Kernenergie- und Gasaktivitäten vorschlagen. Bis April 2023 sollen die ESAs zudem die Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impact – PAI) und die produktbezogenen Offenlegungspflichten überarbeiten, also die zentralen Bestandteile der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen.

Vor allem die Vorschriften zu den PAI sind höchst komplex. Derzeit werden sie, soweit sie schon bekannt waren, mit Hochdruck von den Finanzvertrieben umgesetzt und in die Beratungsprozesse eingebunden. Wenige Monate nach Inkrafttreten der RTS darf sich die Branche indes wohl auf eine neuerliche Diskussion und erneuten Anpassungsbedarf einstellen.

Korrekturbedürftige deutsche Sprachfassung

Geradezu skurril – aber durchaus passend zu dem chaotischen Regulierungsprozess – mutet ein weiterer Punkt an: „Die BaFin weist darauf hin, dass einige Anhänge der im Amtsblatt veröffentlichten deutschen Sprachfassung redaktionelle Versehen enthalten“, heißt es in der Mitteilung der Behörde. Bis zur voraussehbaren offiziellen Korrektur empfiehlt die BaFin, insoweit auf den korrekten Entwurf der Europäischen Kommission zurückzugreifen, den diese am 6. April 2022 veröffentlicht hatte.

Die BaFin selbst hat sich schon mehrmals kritisch mit dem Regulierungsprozess auseinandergesetzt. Unlängst hatte sie gar mit dem Hinweis auf die „dynamische regulatorische Lage“ darauf verzichtet, eine angekündigte Richtlinie für nachhaltige Investmentfonds zu finalisieren und damit faktisch selbst vor der Regulierung kapituliert.

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