Könnte die Fed der Growth-Rally zwischenzeitlich den Garaus machen?

Geht es nach den Analysten, werden die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 in diesem Jahr um durchschnittlich zwei Prozent steigen. Seit Anfang des Jahres hat der wichtigste Index für den US-Aktienmarkt aber bereits um gut 20 Prozent zugelegt. Rund 90 Prozent dieser Wertentwicklung stammen also nicht aus höheren Gewinnen, sondern aus einer ausgeweiteten Bewertung. Ein Kommentar von Marcus Poppe, Fondsmanager bei der DWS.

Ein genauerer Blick zeigt dabei: Verteuert haben sich vor allem die Wachstumsaktien.

„Das Ergebnis ist eine Bewertungslücke zwischen den sogenannten Growth-Werten und dem breiten Markt, wie sie wohl nur wenige Kapitalmarktteilnehmer zuvor gesehen haben“, sagt Marcus Poppe, Fondsmanager des DWS Global Value bei der DWS.

Einkaufsmanagerindizes schreiben das Drehbuch

Der Auslöser für diese asymmetrische Entwicklung sind die trüben Perspektiven für die Weltwirtschaft. Beredten Ausdruck findet dies in den weltweiten Einkaufsmanagerindizes.

So ist beispielsweise der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA vom Hoch bei 60,8 Punkten im August vergangenen Jahres auf aktuell 51,7 Zähler gefallen.

Damit ist er nur noch einen Hauch von der 50-Punkte-Marke entfernt, die Wachstum von Schrumpfung des Sektors trennt. Mit diesem Rückgang hat der Stimmungsindikator auch das Drehbuch für die Flucht der Anleger in die Wachstumsaktien geschrieben.

Denn je düsterer die wirtschaftlichen Aussichten werden, desto gefragter sind Papiere von Unternehmen, die auch während konjunktureller Schwächephasen weiter zulegen.

Schwächeres Wachstum nach der Finanzkrise verstärkt bekanntes Phänomen

Dieses Muster war in der Vergangenheit schon im Verlauf zahlloser Börsenzyklen zu beobachten. Einen wichtigen Unterschied gibt es dieses Mal jedoch:

Die nur Ende 2018 kurz unterbrochene Growth-Rally, die einsetzte, nachdem der Einkaufsmanagerindex im August vergangenen Jahres seinen Zenit überschritten hatte, hat den Bewertungsunterschied zu anderen Aktien auf ein seit Beginn der Erholung 2010 nicht gekanntes Niveau katapultiert.

Doch warum ist der Anstieg dieses Mal so viel deutlicher gewesen? Hier hilft ein Blick auf die Finanzkrise 2008. Nach dieser Zäsur hat sich das Wirtschaftswachstum signifikant verlangsamt.

In den USA etwa ist das reale Bruttoinlandsprodukt seit 2008 nur noch um durchschnittlich 1,6 Prozent pro Jahr gestiegen. Zwischen 2000 und 2008 legte die Wirtschaftsleistung im Schnitt noch um 2,7 Prozent zu, 1980 bis 1999 waren es im Mittel sogar noch 3,2 Prozent.

Anleger sind unentschlossen

„Ein wichtiger Grund für diese Abschwächung war der massive Rückgang der Verschuldung der privaten US-Haushalte nach dem Platzen der Subprime-Blase, der den Konsum auf Pump der vorangegangenen Dekaden kräftig ausgebremst hat“, erklärt Poppe.

In einem solchen Umfeld ist die Dichte an kontinuierlich kräftig wachsenden Unternehmen dann deutlich niedriger, so dass sich die Investoren zuletzt auf eine vergleichsweise geringe Zahl von Aktien konzentrieren und damit deren Kurse kräftig nach oben getrieben haben.

Nun fragen sich viele Anleger, ob die Rally bei Growth-Aktien weitergehen wird, oder ob Substanzwerte und Zykliker ein Comeback erleben werden.

Aus fundamentaler Sicht dürfte dafür vor allem die weitere Entwicklung im Handelskonflikt entscheidend sein. Für die Kapitalmärkte jedoch sollte die Geldpolitik der Federal Reserve den Ausschlag geben.

Verschlechtern sich die Rahmenbedingungen, dürfte ein Favoritenwechsel stattfinden

Wartet die US-Notenbank mit einer oder mehreren präventiven Leitzinssenkungen auf, könnte dies auch zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen führen, wenn die Marktteilnehmer mit einer anschließenden konjunkturellen Verbesserung rechnen.

Dann könnten auch Substanzwerte und zyklische Aktien wieder stärker nachgefragt werden, was eine Sektorrotation auslösen könnte. Verschlechtern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber weiter und fallen die langfristigen Zinsen noch tiefer, dürfte ein ausgeprägter Favoritenwechsel jedoch ausbleiben.

Dies ist das Szenario, dem wir die größte Wahrscheinlichkeit beimessen. Ein echter Regimewechsel ist in jedem Fall aber erst nach einer Rezession zu erwarten.

 

Foto: Shutterstock

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