P&R: Risikoaufklärung bei Sachwertanlagen

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Jürgen Evers

Aufklärungsbedürftige Risiken in Kapitalanlagesachen sollten von Gerichten eigentlich einheitlich bewertet werden. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt ein Urteil des Landgerichts Kleve, das leider nicht allein steht. Gastbeitrag von Rechtsanwalt Jürgen Evers

Der Streitfall

Gestritten wurde um eine angeblich fehlerhafte Beratung beim Abschluss einer Sachwertanlage in Seefrachtcontainer des Emittenten P&R. Der Schadensersatz begehrende Anleger war Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG. Er verfügte über ein Anlagevermögen von rund 420.000,00 Euro. Seine Risikobereitschaft war in einer Basisanalyse mit „ausgewogen“ beschrieben und der Anleger als „Risikotyp 3“ eingestuft.

Danach erwarte der Anleger höhere Erträge, jedoch nicht um jeden Preis. Dabei nehme er Werteinbußen in gewissem Maße temporär in Kauf. Allerdings sollten Ertragschancen und Risiken prinzipiell in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Der Anleger erwarb 19 Container zum Kaufpreis von 38.570,00 Euro. Über die Vermögen der Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Emmittentin wurde im Juli 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dabei stellte sich heraus, dass rund 1 Millionen der buchmäßig erfassten 1,6 Millionen Container tatsächlich gar nicht existierten. Die Klage war vor dem Landgericht erfolgreich.

Die Urteilsbegründung

Die 14. Zivilkammer begründete ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Inhalt und Umfang der bei der Vermittlung einer Kapitalanlage bestehenden Beratungspflichten seien von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen.

Die konkrete Ausgestaltung der Beratungspflicht hänge entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu den Umständen in der Person des Anlegers gehöre insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft. Zu berücksichtigen sei vor allem, ob es sich um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handele und welches Anlageziel er verfolge.

Die Kenntnis davon könne der Berater aus langjährigen Geschäftsbeziehungen gewonnen haben, verfüge er nicht über entsprechendes Wissen, müsse er Informationsstand und Anlageziel erfragen.

Umfang der Aufklärungspflichten

Die Anlageberatung habe sich daran auszupassen, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage diene oder spekulativen Charakter habe. Eine empfohlene Kapitalanlage müsse unter Berücksichtigung des Ziels des Anlegers auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also „anlegergerecht“ sein. 

In Bezug auf das Anlageobjekt habe sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben. Über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken sei aufzuklären. Nach der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) seien folgende Risiken aufklärungspflichtig: das Risiko des Verlustes der gesamten Kapitalanlage; das Ausmaß von Preisschwankungen (Volatilität) und Beschränkungen des für solche Finanzanlagen verfügbaren Marktes; der Umstand, dass jeder Anleger aufgrund von Geschäften mit den betreffenden Finanzanlagen möglicherweise finanzielle und sonstige Verpflichtungen einschließlich Eventualverbindlichkeiten übernehmen muss, die zu den Kosten für den Erwerb der Finanzanlagen hinzukommen; Einschusspflichten oder ähnliche Verpflichtungen sowie die Möglichkeit, dass dem Anleger aus den Geschäften weitere Kosten und Steuern entstehen können.

Haftung für unbezahlte Standgebühren

Offen blieb im Streitfall, welches Anlageziel der Anleger verfolgt habe. Denn jedenfalls sei er nicht über die Risiken der Investition aufgeklärt worden, weshalb es an einer anlagegerechten Beratung fehle. Ein Anleger, der Geld in den Kauf von Seefrachtcontainern investiere, müsse darauf hingewiesen werden, dass – auch nach der mit dem Anlagemodell vorgesehenen Eigentumsverschaffung an den Containern – ein erhebliches Risiko durch die Haftung für den Container und nicht bezahlte Standgebühren bestehe, das über den Totalverlust bis zur Privatinsolvenz des Anlegers hinausgehen könne.

Kommentar

Die Entscheidung kann nicht überzeugen. Die Kammer ließ sich von Präjudizien leiten, die sich nicht damit auseinandersetzen, dass nicht über jedes Risiko aufzuklären ist, sondern nur über ein solches, mit dessen Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder das jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegt.

Deshalb ist bei der Vermittlung von Sachwertanlagen zwischen relevanten und konzeptionell geringen (Rest-)Risiken zu unterscheiden. Ein Risiko ist konzeptionell gering, wenn der Investition des Anlegers der Sachwert von Containern gegenübersteht, die gegen Beschädigung, Verlust oder Diebstahl versichert sein sollen und die zudem für den Fall des Abhandenkommens nach dem mit dem Emittenten geschlossenen Vertrag durch zu übereignende gleichwertige Container gleichen Typs und Baujahres zu ersetzen sind.

Soweit es um die Risiken der Betriebsgefahr des Containers und etwaiger Standgebühren geht, sind diese Risiken nicht relevant, da nicht ersichtlich ist, dass der Sachwert der Container durch diese Kosten aufgezehrt werden könnte. Verbleibende „Restrisiken“ dieser Art sind also allgemeiner Natur, Anlegern regelmäßig bekannt und damit nicht aufklärungsbedürftig. Hiervon abweichende tatsächliche Feststellungen hat die Kammer nicht getroffen. Das Risiko einer Privatinsolvenz war ohnehin abwegig, da der Anleger über ein Anlagevermögen nicht unbeträchtlicher Höhe verfügte.

Schließlich hat die Kammer auch nicht geprüft, ob es auch an der Kausalität der Pflichtverletzung fehlt. Die Prüfung war geboten, da der Anleger ein Totalverlustrisiko in Kauf genommen hat. Dies spricht dafür, dass er die Anlage auch trotz weiterer mit ihr verbundener Gefahren eher theoretischer Natur gezeichnet hätte.

Autor Jürgen Evers ist Inhaber der Kanzlei Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht.

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