Heß, WWK: „Verzahnung von Vertrieb und Marketing ist essentiell“

Die WWK hat Thomas Heß zum Bereichsleiter des Marketings der WWK und zum Organisationsdirektor für die neu geschaffene Sonderdirektion des WWK Partnervertriebs ernannt. Cash. sprach mit dem ausgewiesenen Marketing- und Vertriebsexperten über das enorme Aufgabenspektrum, den Erfolg bei Riester und die Herausforderungen im Markt.

Produktmanagement, Verkaufsförderung, Werbung, Verkaufstechnologie, Außendienst-Ausbildung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zudem leiten sie noch wesentliche Teile des WWK Partnervertriebs. Warum bündelt die WWK diese Aufgaben bei Ihnen?

Heß: Dazu muss man wissen, was die WWK plant. Der Partnervertrieb hat im Jahr 2019 erstmalig eine abgerechnete Produktion von zwei Milliarden Euro Beitragssumme erzielt. Seit der Gründung des Unternehmens haben freie Makler, Vermittler und Strukturvertriebe noch nie so viel Umsatz für die WWK geschrieben. Die großen Vertriebe sind marktstärker denn je, weil sie ihre Beratungsprozesse extrem professionalisiert haben. Die Konzentration im Markt auf die großen Vertriebseinheiten hat zugenommen, branchenweit und bei uns. Die größten 20 Partner meines Vertriebswegs hatten vor sechs, sieben Jahren noch 65 Prozent Anteil am Geschäft. Jetzt sind wir schon bei fast 75 Prozent. Wir wachsen in allen Marktsegmenten, aber am stärksten bei den großen 20 sogenannten Key Accounts. Diese Partner wünschen vielfach Sonderlösungen, wie beispielsweise spezielle Index-Fonds in der Fondspolice und spezielle Ablaufmodelle mit Log-in-Möglichkeiten. Da die Anforderungen stetig mehr werden, benötigt man für diese Partner einen anderen Betreuungsansatz, der von einer deutlich stärkeren Verzahnung mit Marketing, Produktmanagement und Technologiethemen geprägt sein muss. Daneben wollen wir natürlich auch die klassischen Marketingthemen wie Werbung und Verkaufsunterstützung stark vorantreiben. Hier investieren wir beträchtliche Mittel, um unsere Markenbekanntheit zu steigern. Zu nennen ist unser großes Engagement mit dem FC Augsburg in der Fußball-Bundesliga und das Sponsoring des Volleyball-Bundesligaclubs WWK Volleys Herrsching. Der Wunsch unseres Vorstands war es, all diese Themen in einem Bereich unter einer Führung zu bündeln. Und weil ich das Unternehmen seit vielen Jahren sehr gut kenne, ist man an mich herangetreten.

Warum wird ein Münchner Versicherer Werbepartner eines Augsburger Fußballvereins?

Heß: Das sind wir schon oft gefragt worden. Die WWK ist in Süddeutschland ganz stark vertreten. Augsburg gehört zu Bayern und ist somit seit jeher vertriebliches Kerngebiet der WWK. Über unsere Tochter, den Maklerpool 1:1 Assekuranz Service AG, der seinen Firmensitz in Augsburg hat, ist der Kontakt zum Management der WWK entstanden. Damals suchte der FC Augsburg einen neuen Hauptsponsor. Unser Vorstandsvorsitzender Jürgen Schrameier fand die Idee äußerst attraktiv: Mit einem derartigen Investment, so war er sich sicher, könnte die Markenbekanntheit und die Sympathiewerte der WWK noch deutlich verbessert werden. Diese Einschätzung hat sich bewahrheitet, denn Fußball ist in Deutschland eine allgegenwärtige Leidenschaft großer Teile der Bevölkerung, wie sich an der TV-Berichterstattung ablesen lässt. So war nach dem Spiel des FC Augsburg  gegen Borussia Dortmund bei den anschließenden Interviews das WWK-Logo über drei Minuten in der Sportschau eingeblendet.

Das Spiel hatte Augsburg aber deutlich verloren.

Heß: Dennoch sind das die süßen Momente der sportlichen Niederlage. Anfang 2019 haben wir den Vertrag mit dem FC Augsburg als Trikot-Hauptsponsor bis zum Jahr 2030 verlängert. Und haben uns dann entschieden, auch die Namensrechte an der WWK Arena langfristig zu sichern. Zudem hat die WWK für eine optisch ansprechende Stadionfassade gesorgt und finanziert auch das geplante Internat im Augsburger Nachwuchsleistungszentrum. Dies alles bietet dem Fußballverein Sicherheit, weil er damit stabile Einnahmen erhält.

Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Heß: In erster Linie geht es wie gesagt um eine noch bessere Verzahnung von vertrieblichen Anforderungen mit unserer Produkt- und Marketingstrategie. Das Marketing hat in vielen Unternehmen ein starkes Eigenleben entwickelt. Oftmals hat der Vertrieb kaum Ahnung vom Marketing und das Marketing wenig Verständnis für den Vertrieb. Ich würde es so ausdrücken: Die einen machen sich die Welt, wie sie sie sich am Tisch vorstellen. Die anderen sehen eine Welt wie sie sie draußen erleben. Wenn diese zwei Seiten der Medaille ihre Berührungspunkte verlieren, fallen die Synergieeffekte weg. Ich will strukturell und personell eine enge starke Verzahnung dieser beiden Medaillenseiten sicherstellen. Das klingt nach einer Platitüde, ist aber essentiell. Und ich will dafür sorgen, dass das Marketing optimal auf unsere Absatzkanäle ausgerichtet wird.

Was verbirgt sich hinter der neu geschaffenen Sonderdirektion Partnervertrieb?

Heß: Im gesamten Partnervertrieb haben wir im vergangenen Jahr zwei Milliarden Euro Beitragssumme generiert. Die großen deutschen Key Account Vertriebe und unser Vertrieb in Österreich haben davon rund die Hälfte beigesteuert. Sie unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten von dem Geschäft der Vertriebsdirektionen in Deutschland, die sich in der Fläche um die Betreuung von Maklern, Mehrfachagenten, Maklerpools und überwiegend regionale Vertrieb kümmern. Die Betreuung der großen Vertriebsgesellschaften in meinem Verantwortungsbereich erfordert eine stärkere Aufmerksamkeit. Diese können wir mit einer schlagkräftigen Marketingmannschaft im Hintergrund optimaler versorgen. Ich weiß nicht, wie andere Unternehmen verfahren. Key-Account-Vertriebsbereiche, die speziell die großen Vertriebe betreuen, gibt es beinahe überall. Aber dass der Marketingchef auch gleichzeitig für das Geschäft mit den Key Accounts verantwortlich ist, hat meines Wissens kein Versicherer so geregelt. Insofern ist das für mich selbst wie für meine Kollegen ein Pilotversuch, von dem ich überzeugt bin, dass wir ihn gut hinbekommen.

Stichwort Außendienst und Außendienstausbildung: Normalerweise sind bei im Vertriebsbereich oder im Personalwesen angesiedelt. Warum im Marketing?

Heß: Das ist eine Besonderheit. Wir haben eigene Schulungseinheiten sowohl Offline als auch Online. In unserem Schulungszentrum in Raubling nahe Rosenheim mit knapp hundert Betten bieten wir allen unseren Vertriebswegen ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot. Darüber hinaus ist Raubling eine kommunikative Begegnungsstätte, bei der wir nicht nur die Bildung sondern auch den informellen Austausch in angenehmer Atmosphäre fördern. Die Webinare unserer WWK Akademie Online finden jeden Freitag um 9.30 Uhr und um 13.30 Uhr statt. Zu ausgewählten Themen referieren oftmals renommierte externe Referenten aus Investment- und Analysehäusern. Ein Seminar dauert zwischen circa 45 Minuten. Wir hatten in den vergangenen sieben Jahren knapp 40.000 Teilnehmer in der Online-Akademie. Die Akzeptanz ist also sehr hoch.

Traditionell bei der WWK ist das Marketing- und Produktmanagement in einem Bereich angesiedelt. Verträgt sich das aus Ihrer Sicht?

Heß: Früher war das Aktuariat die Produktfabrik. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Um die Fragen, welche Produktthemen, welche Deckungskonzepte, welche Vorsorgemodelle die Menschen bewegen, beantworten zu können, braucht es allerdings auch empirische Daten und ein gewisses Gespür für Markttrends. Genau das ist die Aufgabe unseres Produktmanagements. Hier werden zentrale Fragen analysiert: Was läuft im Moment bei welchem Wettbewerber warum gut? Wie aufwändig ist es ein Produkt, das man für sinnvoll hält, zu entwickeln? Wie lange dauert die Entwicklung? Und welche Ressourcen bindet es? Ist unser Vertrieb in der Lage, in Abhängigkeit von unserer traditionellen Zielgruppe so ein Produkt richtig zu transportieren? Haben wir die Manpower und das Know-how dafür? All das muss ich bei meinem Vorschlag, Ressourcen für die Produktentwicklung einzusetzen, vorher beurteilen und dem Vorstand eine Empfehlung geben, damit der den Startschuss gibt. Und dann kommt die Mathematik ins Spiel, die ja unverzichtbar ist. Wie viel Fixkosten haben wir? Wie hoch sind die IT-Kosten? Wie hoch sind die Personalkosten? Und dann die klassische Versicherungsfrage: Wie ist die Wahrscheinlichkeit eines Risikoeintritts des jeweils versicherten Risikos? Aus all diesen Parametern entsteht eine komplexe mathematische Kalkulation und daraus schließlich das marktreife Produkt. Sie sehen also, auf der Zeitstrecke sind es zwei verschiedene Abschnitte, und deswegen ersetzt ein Produktmanagement im Marketing nicht die Mathematik und den Aktuar.

Ihre abgerechnete Produktion lag in 2019 bei zwei Milliarden Euro Beitragssumme. Welchen Anteil hat Riester an diesem Erfolg?

Heß: Einen sehr bedeutenden. Bei der Riester-Rente stellen sich viele Marktteilnehmer die Frage nach der Rentabilität. Vor dem Hintergrund der Zinsmisere wollen die Menschen keine festverzinslichen Produkte. Aber auch keine rein spekulativen Börsenprodukte, die im Falle von Kapitalmarktverwerfungen hohes Verlustpotenzial haben, wie sich jetzt dramatisch gezeigt hat. Wir haben das Problem durch unsere Produktgeneration WWK IntelliProtect im Sinne der Kunden gelöst. Das zugrunde liegende iCPPI-Modell bietet seit über zehn Jahren hohe Renditechancen bei gleichzeitiger Sicherstellung einer vollständigen Bruttobeitragsgarantie. Bei Riester kommt die enorme staatliche Förderung dazu. Damit ist die Gesamtrendite unseres Produkts fast unschlagbar.

Das ist bemerkenswert, zumal andere Anbieter die Riester-Rente nicht mehr offerieren wollen.

Heß: Das eine ergibt das andere. Wenn Anbieter sich aus dem Markt zurückziehen, ist das Potenzial für andere eben größer. Warum andere Anbieter zu einer gänzlich unterschiedlichen Auffassung zu Riester kommen, ist in erster Linie eine Frage der Leistungsfähigkeit der eigenen IT. Wir sind in der Lage, in unserem System tägliche Umschichtungen zwischen Investmentfonds und Sicherungsvermögen für jeden einzelnen Kunden börsentäglich vorzunehmen. Das gibt es so im gesamten Markt kein zweites Mal. Und wie man sieht, kann man mit einem innovativen Riester-Produkt sehr viel Umsatz für das Versicherungsunternehmen und auch gute Renditen für die Kunden generieren.

Stichwort Staat: Es gibt jetzt wieder einige Bestrebungen in Sachen staatlicher Vermögensfonds oder Bürgerversicherung auf privater Altersvorsorgeebene. Früher war es die Krankenversicherung, jetzt ist es die Altersvorsorge. Was halten Sie von solchen Modellen, dass die Altersvorsorge in öffentlich-rechtliche Trägerschaft überführt wird?

Heß: Alle Bemühungen, staatliche Regulierung in den Vordergrund zu stellen, Eigeninitiative und private Risikoübernahme zu dämpfen oder zu verbieten, hat bereits in der Vergangenheit zu deutlichen Wohlstandsverlusten geführt. Wenn es um ihre Rente geht, verlassen sich mehr als 30 Millionen Angestellte in Deutschland auf den Pfeiler der gesetzlichen Rente. Allerdings wird die Höhe der Renten in den kommenden Jahren bekanntermaßen weiter schrumpfen; denn immer weniger Erwerbstätige müssen künftig immer mehr Rentner finanzieren. Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, ist zusätzliche Vorsorge daher das Gebot der Stunde. Mit Hilfe der bAV lässt sich die Lücke bei der Rente verkleinern. Alternativ kommen für Angestellte natürlich staatlich gefördertes Riester-Sparen oder eine flexible private Vorsorge infrage.

Stichwort bAV. Warum stößt das Sozialpartnermodell auf derart wenig Gegenliebe?

Heß: Es liegt in erster Linie an der fehlenden Garantie. Dies stößt bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf große Skepsis. Denn beim Thema Geldanlage und Altersvorsorge setzen die Deutschen von je her auf Sicherheit. Das ist keine neue Erkenntnis und wird von vielen unabhängigen Studien belegt. Beim Sozialpartnermodell fehlt zudem die nicht zu unterschätzende Vertriebskraft der einzelnen Finanzberater, sei es Einzelmakler, großer Mittelstandsmakler oder etablierte bAV-Beratungshäuser. Sie sind die Treiber und geben die Impulse in der bAV. Beim Sozialpartnermodell verhandeln Gewerkschafter. Sie vertreten die Interessen der abhängig Beschäftigten in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband. Aber eine Beratung vor Ort unter Berücksichtigung der spezifischen Interessenlage gibt es nicht. Bei der WWK entwickelt sich die bAV sehr gut. Auch, weil wir auf der technologischen Seite viel investieren. Wir arbeiten erfolgreich mit dem bekannten Technologieanbieter XbAV zusammen und nutzen die verschiedenen Komponenten. Dadurch wird die bAV auch für Arbeitgeber effizient und einfach. Die Vorteile der xbAV-Lösung in Kombination mit unserem WWK IntelliProtect der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor Verlusten bewahrt ergibt sich eine haftungssichere Beratung mit geringem Verwaltungsaufwand. Und das überzeugt.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

Foto: Alexander von Spreti

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