ESG: Die Stunde der Sachwertanlagen?

Zwei Arbeiter auf einem Dach mit Solar Anlagen
Foto (Symbolbild): Shutterstock

Nach der Bundestagswahl steht bei den relevanten Parteien ein Punkt weit oben auf der Agenda: Riesige Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Privates Anlagekapital kann dabei helfen – und soll es vielleicht auch.

Die „Berliner Runde“ mit den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien am Wahlabend war ausnahmsweise nicht nur das übliche Polit-Gebrabbel. Vielmehr deutete sich für die Branche der Sachwertanlagen, also alternative Investmentfonds (AIFs) und Vermögensanlagen, eine überraschend konkrete Perspektive an.

Als die TV-Runde am 26. September um 20:15 Uhr zusammenkam, war noch nicht klar, wer nach der Wahl am Ende die Nase vorn haben würde. Auch bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe* stand noch nicht abschließend fest, welche Partei die nächste Bundesregierung führen und den nächsten Bundeskanzler stellen wird. Ziemlich sicher ist nur, dass sowohl Bündnis 90/Die Grünen als auch die FDP der künftigen Regierung angehören werden, wahrscheinlich zusammen mit der SPD, vielleicht aber doch noch mit der CDU/CSU. Sehr unwahrscheinlich ist aus heutiger Sicht indes die Fortsetzung der ungeliebten großen (Not-)Koalition aus Union und SPD mit umgekehrten Vorzeichen. Diese käme wohl nur in Betracht, wenn FDP und Grüne sich wieder nicht einigen können.

FDP will ein „Super-Abschreibungsprogramm“

Doch danach sah es bei der „Berliner Runde“ nicht aus. Insofern muss die Branche der Sachwertanlagen vor allem ein Beitrag von FDP-Chef Christian Lindner aufhorchen lassen. Er lehnte öffentliche Koalitionsverhandlungen zwar eigentlich ab, brachte dann aber doch einen einzigen Punkt konkret ins Spiel, der bei ihm demnach offenbar ziemlich weit oben auf seiner Agenda steht: Ein „Super-Abschreibungsprogramm, wonach private Anlageinvestitionen, die dem Klimaschutz und der Digitalisierung dienen, schnell steuerlich wirksam werden“, so Lindner. Er will für die Investitionen also privates Kapital über Steuervorteile mobilisieren.

Die Grünen sind da offenbar nicht grundsätzlich abgeneigt. Auch sie sehen nach den Worten ihrer Co-Parteichefin Annalena Baerbock die Notwendigkeit von „massiven Investitionen“. Sie wollen diese aber unter anderem durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Installation von Solaranlagen auf Neubauten erreichen und waren damit im Wahlkampf kräftig mit der FDP zusammengerasselt.

Nun sagte Baerbock, in einer Demokratie seien Kompromisse notwendig und es gehe nicht um die Mittel, sondern um das Ziel, das am Ende erreicht werden müsse. Bei dem Ziel – mehr Investitionen in den Klimaschutz – sind sich Grüne und FDP schließlich einig. Und bezüglich der Mittel „ist es ja gut, wenn jetzt zum Beispiel eine andere Partei sagt: Statt einer Solarpflicht machen wir ein Solar-Sonderausschreibungsprogramm“, so die Grünen-Chefin. Ob sie wirklich Aus- oder doch Abschreibungsprogramm meinte, blieb allerdings offen.

Wer Kanzler wird, ist in dem Punkt wahrscheinlich egal

Welchen der beiden Kanzlerkandidaten Grün und Gelb am Ende ins Amt hieven, ist in diesem Punkt für die Sachwertanlagen wahrscheinlich ziemlich egal. SPD-Kandidat Olaf Scholz, der noch amtierende Finanzminister, ging in der „Berliner Runde“ zwar nicht konkret auf das Thema ein, betonte aber: „Es muss sich in einer Regierung jede Partei mit ihren Wählerinnen und Wählern wiederfinden.“ Also wohl auch die FDP. Bei der industriellen Modernisierung des Landes gehe es um überwiegend privatwirtschaftliche Investitionen. „Da braucht es also gar kein öffentliches Geld zuallererst, sondern es muss möglich gemacht werden, dass diese Dinge zustande kommen“, so Scholz. Das klingt durchaus ein wenig nach Lindner. Und auch CDU-Kanzlerkanditat Armin Laschet würde – wenn er denn darf – nach der Pandemie „Fesseln wegnehmen“ und „für die, die da investieren sollen, Anreize geben“, sagte er.

Insofern ist nicht unwahrscheinlich, dass Lindner sich mit seinem Vorschlag durchsetzt und private Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung eine spezielle steuerliche Förderung erhalten. Das könnte dann die Stunde der Sachwertanlagen sein, sofern nicht nur Unternehmen, sondern auch Privatanleger diese nutzen können. Die Branche hat schon oft bewiesen, dass sie enorme Summen privates Kapital mobilisieren kann, wenn sie entsprechende Anreize erhält und ihr nicht nur Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.

Aber ein „Super-Abschreibungsprogramm“? Nicht wenige der etwas älteren Leser werden sich nun vielleicht mit Grausen an die Sonderabschreibungen in den 1990er Jahren für Immobilien-Investitionen in den damals neuen Bundesländern und dem Ostteil Berlins erinnern. Die Anleger konnten damals zunächst 50 Prozent, später 40 beziehungsweise 25 Prozent ihrer Investition direkt von der Steuer absetzen. Durch Fremdkapital ließ sich der Prozentsatz problemlos auf 100 Prozent des eingesetzten Kapitals und mehr hebeln. In der Folge flossen über geschlossene Immobilienfonds jährlich zweistellige (D-Mark-) Milliardenbeträge in Ost-Immobilien.

Branche damals praktisch komplett unreguliert

Die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP hatte damit zwar ihr Ziel erreicht: Das private Kapital trug wesentlich zum „Aufbau Ost“ bei, befeuerte die Baubranche und stützte so über Jahre maßgeblich die gesamte im Umbau befindliche Ost-Wirtschaft. Aber der Anreiz war offenbar deutlich zu groß. Für die Anleger jedenfalls führten die Investitionen vielfach zu hohen Verlusten. Zum einen waren die Steuervorteile so hoch, dass nicht selten der wirtschaftliche Sinn der Bauvorhaben aus dem Blick geriet, zu teuer und am Bedarf vorbei gebaut wurde. Zum anderen blieben die vom damaligen Kanzler Helmut Kohl (CDU) versprochenen „blühenden Landschaften“ aus.

Doch so muss es bei einem maßvollen Steueranreiz nicht ausgehen, zumal die Branche der Sachwertanlagen damals praktisch komplett unreguliert war. Heute stehen mit AIFs voll regulierte Produkte zur Verfügung, Vermögensanlagen haben ebenfalls einen umfangreichen gesetzlichen Rahmen erhalten und auch der Vertrieb muss eine Vielzahl von Vorschriften beachten.

Bisher nutzt die Bundesregierung dieses Potenzial der Sachwertanlagen so gut wie gar nicht, obwohl die Bundesbürger nach der neuesten Bundesbankstatistik mittlerweile ein Geldvermögen von sagenhaften 7,1 Billionen Euro gehortet haben und händeringend nach Kapitalanlagen suchen, die bei überschaubarem Risiko wenigstens eine schmale Verzinsung erwarten lassen. Allein im ersten Quartal 2021 sind 192 Milliarden Euro Geldvermögen hinzugekommen. Schon ein kleiner Teil dieses riesigen Privatvermögens könnte einiges bewegen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Nur zwei Anbieter von Erneuerbare-Energien-Fonds

Doch schon seit einiger Zeit bieten nur noch zwei Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) Publikums-AIFs an, die in Erneuerbare Energien investieren: Ökorenta und Hep. Und nur ein Teil davon entfällt auf den Bau neuer Anlagen. Der Ökorenta Erneuerbare Energien 12 investiert in Beteiligungen an einer Vielzahl von Windenergie- und Solaranlagen im In- und Ausland, auch am Zweitmarkt.

Zudem hat das Unternehmen im September mit dem Ökorenta Infrastruktur 13E erstmals einen Fonds aufgelegt, der in Ultra-Schnellladesäulen für Elektroautos investiert. Bei einer geplanten Laufzeit von etwa neun Jahren nach Vollinvestition prognostiziert Ökorenta vor Steuern Auszahlungen von 163 Prozent der Einlage inklusive Rückzahlung des eingesetzten Kapitals. „Wir sind davon überzeugt, dass Schnellladestationen ein hervorragendes Asset für unsere Portfoliofonds sind und unsere Anleger damit wirtschaftlich und ökologisch ebenso erfolgreich sein können wie mit unseren bewährten Erneuerbare Energien Fonds“, so Tjark Goldenstein, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Ökorenta.

Jörg Busboom (links) und Tjark Goldenstein, beide Ökorenta, haben erstmals einen Publikums-AIF aufgelegt, der in Ladestationen für Elektroautos investiert.

Hep wiederum investiert mit dem Solarportfolio 2 international in den Bau und Betrieb von Solaranlagen, zuletzt vor allem in den USA. Das Unternehmen hat zudem ein neues Konzept angekündigt, mit dem es auch wieder Solaranlagen in Deutschland bauen will: Hep sucht Unternehmen, die mindestens 1.500 Quadratmeter Dachfläche oder freies Betriebsgelände zur Verfügung stellen können, und bietet ihnen an, dort Solaranlagen zu errichten. Den produzierten Solarstrom kann das betreffende Unternehmen dann günstig zur Deckung des eigenen Strombedarfs nutzen, der Überschuss wird ins Stromnetz eingespeist. Hep-Chef Thorsten Eitle plant zur Finanzierung auch die Auflage eines Fonds, der als Spezial-AIF aber voraussichtlich nur Großanlegern zur Verfügung stehen wird, hauptsächlich aus dem Bereich der institutionellen Investoren, wie er unlängst sagte (siehe Video-Interview auf Cash. Online).

Finanzierung durch Privatanleger praktisch zum Erliegen gekommen

Im breiteren Publikumsvertrieb platzieren neben den AIFs derzeit nur Wattner und Reconcept Vermögensanlagen, die in Erneuerbare Energien investieren. Ansonsten gibt es lediglich noch eine Handvoll Bürgerwindparks, die dem überregionalen Vertrieb jedoch nicht zur Verfügung stehen. Vor allem seitdem die Höhe der Einspeisevergütung 2017 auf Ausschreibungsverfahren umgestellt wurde, ist die klassische Finanzierung neuer Wind- und Solarparks in Deutschland durch Privatanleger über Sachwertanlagen nahezu zum Erliegen gekommen. Es ist davon auszugehen, dass die Grünen – in welcher Regierungskonstellation auch immer – auf deutliche Verbesserungen der Ausschreibungsverfahren bestehen werden. Ein Steuervorteil kann ein übriges tun, um wieder mehr privates Kapital in die Energiewende zu lenken.

Die regenerative Energieerzeugung ist jedoch keineswegs die einzige Baustelle der CO2-Reduktion. Schon die bisherige Bundesregierung hat ein weiteres Feld identifiziert: Die energetische Sanierung des Gebäudebestands. Schlecht gedämmte Altbauten mit veralteten Heizungsanlagen verschlingen Ummengen an Energie, die überwiegend durch die fossilen Brennstoffe Öl und Gas erzeugt wird – Klimakiller also. So hat schon die GroKo ihr Förderprogramm für energetische Gebäudesanierungen für 2021 erst wenige Tage vor der Wahl um 5,7 Milliarden Euro auf 11,5 Milliarden Euro aufgestockt.

Weiterer Impuls durch ESG-Kriterien

Die Politik ist also schon in der bisherigen Konstellation bereit, namhafte Summen in die Hand zu nehmen, um private Investitionen in den Klimaschutz anzustoßen. Aber auch ohne spezielle Förderungen spielt Nachhaltigkeit in den Fonds- und Vermögensanlage-Konzepten für Sachwertanlagen eine zunehmend größere Rolle. Das hat vor allem mit der EU-Offenlegungsverordnung zu tun, die im März in Kraft getreten ist. Danach müssen alle Anbieter im Finanzmarkt offenlegen, also angeben, inwieweit sie bestimmte Kriterien in punkto Umwelt (Environment), Sozialstandards (Social) und Unternehmensführung (Governance), kurz ESG, beachten. Die Crux: Die Detailvorschriften – die sogenannte „Taxonomie“ – mit den genauen Voraussetzungen, unter denen ein Angebot als nachhaltig eingestuft werden kann, sind noch nicht fertig. Die EU hat die ursprünglich für Ende 2021 geplante Finalisierung gerade erst auf Mitte 2022 verschoben.

So haben die Anbieter von Sachwertanlagen im März zwar durchweg ihre Websites und Unterlagen um die notwendigen Angaben gemäß der Offenlegungsverordnung ergänzt (siehe Artikel in Ausgabe 5/2021). Fast alle verzichten jedoch noch darauf, ihre Fonds explizit als nachhaltig einzustufen, selbst wenn sie es vielleicht könnten. Einzige Ausnahme ist Patrizia Grundinvest. Das Unternehmen hat im Juni einen Publikums-AIF aufgelegt, der in zwei Geschäftshäuser in Augsburg und Nürnberg investiert. „Der Fonds ist unser erstes ESG-Strategieprodukt und zugleich der erste geschlossene Fonds dieser Art gemäß Artikel 8 der Offenlegungsverordnung in Deutschland“, so Geschäftsführer Andreas Heibrock.

Energetische Gebäudesanierung

Andere Anbieter von Sachwertanlagen in Immobilien hätten ebenfalls gute Argumente für die Einstufung als nachhaltig, etwa die Primus Valor AG, deren Fonds in Bestands-Wohngebäude und deren Sanierung investieren. So betont Vorstand Gordon Grundler im Cash.-Interview (siehe Video auf Cash. Online), dass dazu schon seit vielen Jahren auch die energetische Sanierung zählt. „Zugegebenermaßen aus ökonomischen und weniger aus ökologischen Gründen“, fügt er hinzu. Schon bei dem 2012 aufgelegten Fonds 5 sei das Foto einer Wärmebild-Kamera auf dem Prospekt gewesen. „Wir machen das also schon lange“, sagt Grundler. Er sieht die EU-Kriterien grundsätzlich durchaus positiv, würde sich aber klarere Regelungen wünschen, was als nachhaltig bezeichnet werden darf und was nicht. „Das ist leider noch nicht der Fall“, so Grundler.

Auch für die d.i.i. Deutsche Invest Immobilien zählt die energetische Sanierung von Gebäuden schon seit eh und je zum Tagesgeschäft. Das Unternehmen ist auf die Investition in Bestands-Wohnimmobilien mit Optimierungspotenzial spezialisiert. Dazu gehören regelmäßig auch Maßnahmen wie die Verbesserung der Wärmedämmung, neue Fenster und gegebenenfalls der Austausch der Heizungsanlage, berichtet Thomas Mitzel, Geschäftsführer der d.i.i. Investment GmbH, die innerhalb der Gruppe für die Entwicklung, Konzeption und Verwaltung der alternativen Investmentfonds (AIF) zuständig ist und aktuell ihren zweiten Publikumsfonds in der Platzierung hat.

Noch kaum konkrete Auswirkungen der Offenlegungsverordnung

Das Unternehmen hat sich im Rahmen seiner ESG-Kriterien zudem unter anderem selbst eine „Sozialcharta“ gegeben, die das Ziel verfolgt, „die Interessen von Investoren, Käufern und Mietern in Einklang zu bringen und gleichzeitig wertsteigernde Investitionen am deutschen Wohnimmobilienmarkt durchzuführen“. Dazu zählt neben verschiedenen anderen Selbstverpflichtungen, dass modernisierungsbedingte Erhöhungen der Kaltmiete durch eine entsprechende Reduzierung der Nebenkosten nach Möglichkeit „wertneutral“ für die Mieter gestaltet werden sollen.

Die d.i.i. stellt ihre ESG-Strategie auf der Website ausführlich vor. Eine (Selbst-) Einstufung ihres Wohnimmobilien Deutschland 2 als Fonds gemäß Artikel 8 der Offenlegungsverordnung hat indes auch sie noch nicht vorgenommen. „Wir warten diesbezüglich noch auf die Level-2-Verordnung der EU, um auch in Bezug auf die Details auf der sicheren Seite zu sein“, so Mitzel.

Noch hat die Nachhaltigkeitsverordnung also kaum konkrete Auswirkungen auf die Fondskonzeptionen. Es ist aber davon auszugehen, dass spätestens ab Mitte 2022 vermehrt ESG-konforme Sachwertanlagen auf den Markt kommen. Für eine spürbare Erhöhung des Investitionsvolumens dürfte indes ein zusätzlicher Kick erforderlich sein, vor allem bei Erneuerbaren Energien. Ob dazu auch ein Turbo durch Lindners „Super-Abschreibungsprogramm“ zählen wird, hängt vom weiteren Verlauf der Koalitionsverhandlungen ab. Doch so oder so kann die Branche der Sachwertanlagen einiges zum Thema Klima beitragen – wenn man sie lässt.

Autor: Stefan Löwer

*Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Cash.-Ausgabe 11/2021.

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