Verschluss-Sache Wertgutachten

Schließlich liefert er dem Anlegeranwalt damit, auch wenn das Gutachten fehlerfrei war, ein gutes Argument: Wenn der Anleger die Grundlagen der Bewertung gekannt hätte, hätte er sich nie im Leben an dem Fonds beteiligt. Dazu hatte er jedoch keine Chance, weil das Gutachten unter Verschluss gehalten wurde. Also ist der Bewerter schuld.

Gefährliche BGH-Logik

Gefährlich könnte es für die Gutachter vor allem dann werden, wenn am Ende der BGH nach der gleichen Logik entscheidet wie bei der Prospekthaftung: Selbst wenn ein Anleger den Prospekt gar nicht kannte, kann er Regressforderungen aus Prospektfehlern ableiten, weil der Prospekt die Grundlage für den Informationsstand des Vermittlers und damit für die Beratung des Anlegers war.

Umgemünzt auf die Wertgutachten könnte das heißen: Hat der Gutachter die Herausgabe an den Vermittler verweigert oder an inakzeptable Knebelklauseln geknüpft, hat er den Vertrieb und damit den Anleger daran gehindert, sich vollständig zu informieren. Mögliche Folge: Schadenersatz.

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Ob es jemals so weit kommt, weiß heute niemand. Doch wenn der Gutachter seine Expertise öffentlich zur Verfügung stellen würde, könnte er seinerseits im Haftungsprozess vorbringen, der Anleger oder zumindest der Vermittler hätte sich das Gutachten und dessen Grundlagen schon vor der Beteiligung genauer ansehen können.

Risiko verringern statt erhöhen

Durch die Veröffentlichung verringert der Bewerter also eher sein Haftungsrisiko statt es zu erhöhen. Allenfalls läuft er dadurch Gefahr, dass zum Beispiel ein Analyst – oder gar ein Journalist (huch!) – nachfragt, worauf diese oder jene Annahme basiert. Das dürfte jedoch in der Regel weit weniger unangenehm sein, als später womöglich horrenden Schadenersatz leisten zu müssen.

Dennoch mauern die meisten Gutachter. Natürlich könnte sich auch die KVG einen anderen Bewerter suchen, der nicht so ängstlich und kurzsichtig ist und die Veröffentlichung des Gutachtens ohne Restriktionen erlaubt.

Ob sich ein solcher findet, ist jedoch offen. Denn das wäre ja in etwa so verwegen, als würde jemand mit seinem teuer bezahlten Auto dann auch fahren wollen.

Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und beobachtet den Markt der Sachwertanlagen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 20 Jahren. G.U.B. Analyse gehört wie Cash. zu der Cash.Medien AG.

Foto: Anna Mutter

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