Zinszusatzreserve: „Korridormethode bringt zehn Milliarden Euro Entlastung – allein 2018“

Die Kölner Rating-Agentur Assekurata kritisiert in ihrem diesjährigen Marktausblick zur Lebensversicherung 2018 erneut die gegenwärtige Berechnungsmethodik zum Aufbau der Zinszusatzreserve (ZZR) und mahnt eine Umstellung auf die Korridormethode an. Diese war von der deutschen Aktuarvereinigung (DAV) in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erarbeitet worden.

Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse bei Assekurata und Mitautor der Untersuchung.

Ziel der ZZR sei, die langfristige Erfüllbarkeit der Garantieversprechen der Lebensversicherer. Seit Einführung im Jahr 2011 habe die Branche knapp 60 Milliarden Euro zugeführt, so Assekurata. Mit der Folge, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Lebensversicherer gestiegen ist, künftig auch bei schwierigen Zinsverhältnissen sämtliche Leistungsansprüche ihrer Kunden bedienen können. Mittlerweile drohen die Zahlungen allerdings die Unternehmen über Gebühr zu belasten.

Verdreifachung des Volumens

Derzeit orientieren sich die jährlichen Zuführungen an einem Zins, der rückblickend viel schneller gesunken ist als die Experten ursprünglich in ihren Szenariorechnungen erwartet hatten. „Ohne Änderung der Berechnungsmethodik würde sich das bisherige ZZR-Volumen selbst bei konstantem Zinsverlauf in den kommenden Jahren bis 2023 nahezu verdreifachen“, mahnt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

In der Breite wären die ZZR-Anforderungen nur mit großer Mühe zu stemmen und würden die Überschussdeklarationen der Kunden überproportional unter Druck setzen, so Heermann weiter. Daher sei der Vorschlag des Finanzministeriums zu begrüßen, der auf eine Änderung der ZZR-Berechnung abzielt, um den Reserveaufbau über die Zeit gleichmäßiger zu verteilen.

Entlastung durch Korridormethode

Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine neue Formel für die ZZR, die so genannte „Korridormethode“, erarbeitet. Diese soll große Sprünge bei der ZZR-Bildung verhindern sowie ihre Finanzierung weitestmöglich aus den laufenden Erträgen ermöglichen und nicht, wie aktuell von den Unternehmen praktiziert, durch die Auflösung von Bewertungsreserven der Kapitalanlagen.

Die Unterschiede zwischen dem bestehenden Verfahren und der Korridormethode hat Assekurata nun durchgerechnet. Unter Beibehaltung der bestehenden Methodik würde der Referenzzins 2018 von 2,21 Prozent (2017) auf circa 1,9 Prozent sinken. Demgegenüber fällt er nach der Korridormethode deutlich geringer auf lediglich 2,10 Prozent ab.

Zehn Milliarden Euro

„Für die gesamte Lebensversicherungsbranche würde die Korridormethode allein für 2018 eine Entlastung von ungefähr zehn Milliarden Euro bedeuten“, erklärt Thomas Keßling, Fachkoordinator Lebensversicherung und Mitautor der Studie.

„Für die Unternehmen ist zudem der Einführungszeitpunkt dieser neuen Berechnungsformel von hoher Bedeutung, da das Verfahren möglichst bereits für den Jahresabschluss 2018 angewendet und die Reservepolitik entsprechend ausgerichtet werden soll. Denn mit einer Verfahrungsumstellung würde sich nach unseren Berechnungen die Renditeanforderung aus der Kapitalanlage marktweit für 2018 um mehr als 100 Basispunkte reduzieren, wodurch die Kollektive spürbar entlastet würden.“

Die Hoffnung dazu scheint berechtigt, denn laut BMF-Evaluierungsbericht soll eine entsprechende Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung schon in diesem Jahr vorgenommen werden. Unter Anwendung der Korridormethode hätten die Lebensversicherer 2018 nach Schätzungen von Assekurata Zuführungen von insgesamt sieben bis acht Milliarden Euro zu leisten, was branchenweit noch immer ungefähr der Hälfte des bilanziellen Eigenkapitals entspricht und eine entsprechende Ertragskraft voraussetzt.

Korrektur der Berechnungsmethodik

Ein Folge des Korridormethode ist, dass dass der weitere Aufbau der ZZR in den Jahren nach 2018 in Folge des langsameren Absinkens des Referenzzinses deutlicher flacher verläuft. „Damit würde sich der bisher angenommene Höchststand an ZZR von rund 150 Milliarden Euro im Jahr 2023 zeitlich viel weiter nach hinten verschieben“, prognostiziert Keßling. „Die Methodenänderung entfaltet damit die gewünschte Glättungswirkung, nimmt die Versicherer aber nicht aus der Verantwortung, langfristige Zinsvorsorge zu betreiben.“

Drastische Folgen eines Zinsanstiegs

Eine weitere Wirkung der Korridor-Methode sei, so Assekurata, dass der Nachlaufeffekt bei steigenden Zinsen gedämpft werde. Bei der bestehenden Methodik droht nämlich Gefahr, dass selbst bei einem positiven Marktzinsenniveau von zwei Prozent der ZZR-Aufbau zunächst weiter zunimmt, auf geschätzt 129 Milliarden Euro im Jahr 2025. „Dass selbst bei steigendem Zinsniveau die ZZR-Zuführungen so deutlich zunehmen, zeigt den Anpassungsbedarf der Methodik“, bezieht Lars Heermann hierzu Stellung. „Denn bei steigenden Zinsen sinken auch die Bewertungsreserven, die die Unternehmen zur Finanzierung der ZZR bisher benötigen.“

Weniger Belastung, mehr Gerechtigkeit

Fazit der Assekurata-Experten: In allen dargelegten Szenarien wird die stabilisierende Wirkung der Korridormethode offenkundig, da Belastungsspitzen reduziert und gleichförmiger auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. „Damit würde die ZZR in der Langfristbetrachtung weiterhin ihre stabilisierende Wirkung entfalten, gleichzeitig die einzelnen Lebensversicherer jedoch in einzelnen Jahren weniger stark belasten, was letztlich auch der Generationengerechtigkeit zwischen den Versicherten zugutekäme“, fasst Heermann zusammen. (dr)

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