Don’t believe the Hype

Wahrscheinlich haben Sie auch schon von TikTok gehört. Die App, mit der man 15-sekündige Playback-Videos erstellen kann ist derzeit DIE Social Media Plattform auf den Schulhöfen der Welt. Die App hat mittlerweile 800 Millionen monatliche Nutzer und ist zweifellos the next big thing im Social Media Kosmos. Über den richtigen Umgang mit Hypes

Der letzte Schrei an Schulen: Mit der App TikTok lassen sich kurze Playback-Videos produzieren. Der Messenger könnte ein weiterer Kundenkanal werden.

Was bedeutet das nun für Sie? Will ich Ihnen sagen, dass Sie nun unbedingt einen TikTok-Account eröffnen und Playbackvideo kreieren müssen? Nein! Ganz genau das sollen Sie nicht! Denn schauen wir einmal drei Jahre zurück. 2016 wurde Snapchat zum Facebook-Killer hochgejazzt und im gleichen Jahr nahm auch der InsurTech-Hype mächtig Fahrt auf. Ein Großteil der Digitalexperten prognostizierte, dass die StartUps mit der Versicherungsbranche das machen werden, was Amazon im Buchhandel bewirkte, vollständige Disruption! InsurTechs wurden als junge, digitale Schnellboote gepriesen, welche die alten, lahmen Versicherungstanker überholen und mittelfristig versenken werden.

Jetzt haben wir 2019 und weder hat Snapchat Facebook gekillt, noch haben InsurTechs die Versicherungsbranche neugeordnet. Wie kann es sein, dass 99% der Digitalexperten so daneben liegen und was bedeutet es für Sie und den nächsten Hype? Um Hypes zu verstehen, hilft der  Gardner Hype-Zyklus, der aus insgesamt fünf Phasen besteht.

  • Die erste Phase ist der Auslöser, bei dem das Thema auf großes Interesse in der Fachwelt stößt und zunehmend Trittbrettfahrer auf den Hypezug aufsteigen.
  • In der zweiten Phase führen immer mehr Trittbrettfahrer und eine damit verbundene zunehmende Berichterstattung zu einer medial übersteigerten Euphorie und letztendlich unrealistischen Erwartungen.
  • In der dritten Phase kommt es zum „Tal der Enttäuschungen“, da sich die Erwartungen nicht erfüllen lassen und aufgrund nachlassender Aktualität auch die Berichterstattung abebbt.
  • In der vierten Phase steht das Thema nicht mehr im Fokus der Öffentlichkeit, aber dafür setzt ein Verständnis für die Vorteile, die praktische Umsetzung, aber auch für die Grenzen der neuen Technologie ein.
  • Wenn die Vorteile allgemein anerkannt und akzeptiert werden, dann kommt man zur fünften und letzten Phase, dem „Plateau der Produktivität“. Das anfänglich gehypte Thema hat nun einen sichtlich erkennbaren Mehrwert für den Großteil der Menschen und ist wirtschaftlich rentabel.

Egal welchen Hype Sie sich anschauen, sie alle durchlaufen diese Phasen, wobei viele auch in der dritten ende. Mit dem Hype-Zyklus lässt sich auch erklären, warum bspw. die meisten Digitalexperten beim Thema InsurTechs so falsch lagen. Sie sind häufig Fans der Digitalisierung und nicht nüchterne Beobachter. Sie lassen sich oft von der medialen Berichterstattung mitreißen und fachen Hypes eher an, als sie realistisch einzuordnen.

Keep Calm and carry on

Ob Sie wollen oder nicht, Sie sind somit gezwungen eigene Mechanismen zu entwickeln, um mit Hypes richtig umzugehen. Denn aufgrund der rasant zunehmenden Schnelllebigkeit unserer Zeit, werden in Zukunft immer mehr, statt weniger Hypes auf Sie einprasseln. Sie müssen lernen damit richtig umzugehen. Ansonsten werden Sie viele Ressourcen verschwenden. Nur was ist der richtige Umgang?

Sie kennen wahrscheinlich dieses Bild. Was die wenigsten wissen ist, dass es sich hierbei um ein Propagandaposter aus dem 2. Weltkrieg handelt. Es wurde vom UK-Informationsministerium 1939 in einer Auflage von über 2,5 Millionen Stück gedruckt, um die Moral der Bevölkerung im Falle einer deutschen Invasion zu stärken. Zu der es bekanntlich jedoch nie kam, weswegen es auch nie veröffentlicht wurde. Erst 2000 wurde es wiederentdeckt und ist seitdem zu einem weltweit bekannten Mem geworden.

Drei Kernbotschaften für den Umgang mit Hypes

Was noch weniger wissen, es beinhaltet auch drei Kernbotschaften für den richtigen Umgang mit Hypes. Die erste Botschaft ist „Keep calm“. Bewahren Sie ruhe! Wenn plötzlich ein neues Thema aufkommt. Wenn es omnipräsent in sämtlichen Medien ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen Hype handelt. Das bedeutet nicht, dass Sie das Thema ignorieren sollen. Auf keinen Fall. Sie sollen sich aber ebenso wenig von der allgemeinen Euphorie mitreißen lassen und vielleicht Entscheidungen treffen, deren Auswirkungen langfristig sind. Schauen Sie sich den Hype in aller Ruhe und vor allem kritisch an.

Nehmen wir z.B. TikTok. Warum sollten Sie dort heute aktiv werden? Unbestritten wird es in 5 Jahren höchstwahrscheinlich das sein wird, was Instagram heute ist. DIE Social Media Plattform der Anfang 20-jährigen. Nur frage ich Sie, was hätte Ihnen vor 5 Jahren ein Instagram-Engagement gebracht? Nichts. Auf TikTok ist ein Großteil der Nutzer heute noch minderjährig. Ist das Ihre Zielgruppe? Ich glaube nicht. Unabhängig davon gibt es noch keinen gelungenen Ansatz für Versicherungsmarketing auf der Plattform. Natürlich können Sie nun versuchen, die ersten zu sein. Aber wenn Sie Zeit und Geld in Relation zum Ertrag setzen, dann sind Aktivitäten auf anderen, etablierteren Plattformen weitaus sinnvoller.

Nichts anderes sagt „Carry on“, was die zweite Botschaft für den richtigen Umgang mit Hypes ist. Vertrauen Sie erstmal weiterhin auf das, was sich als erfolgreich bewiesen hat. Planen Sie nicht plötzlich Ressourcen um, nur weil ein neuer Hype aufkommt. Beobachten Sie ihn erst einmal und haben Sie dabei immer im Hinterkopf, dass Sie sich in Phase zwei des Hype-Zyklus befinden und medial primär überzogene Erwartungen kommuniziert werden.

Die dritte Botschaft des Plakates bzw. seiner Geschichte ist das Thema „Vorbereitung“. Denn auch wenn ich davon abrate auf jeden Hype aufzuspringen, sollten Sie trotzdem jeden beobachten und sich darauf vorbereiten, was passiert, wenn er sich konsolidiert und allgemein akzeptiert ist.  Welche strukturellen Auswirkungen kann er auf Ihre Kommunikation und Geschäftsprozesse haben? Bei TikTok wäre die Frage, wie können Sie die Plattform einbinden? Die Antwort, wahrscheinlich wird der TikTok-Messenger ein weiterer Kundenkanal. Somit wäre es heute schon relevant eine Messengerstrategien zu entwickeln, in die sich problemlos neue Messenger einbinden lassen.

Auch von Hypes kann man profitieren

Unabhängig davon möchte ich am Ende noch betonen, dass man natürlich auch von Hypes profitieren kann. Allerdings muss man sich hierfür bewusst machen, dass es auch ein Hype ist und dieser im Marketing kurzfristig genutzt werden kann. So konnte man als Versicherer oder Vermittler bspw. in der Hochphase des Pokémon Go-Hypes, von ihm mit Marketingaktivitäten profitieren. Man konnte Handyladestationen im Büro anbieten oder gemeinsame Pokémon-Jagd-Events kreieren. Aber man sollte keine langfristigen strukturellen Entscheidungen treffen wie bspw. Antragsstrecken mit Augmented Reality Elementen entwickeln.

Sie sehen nun hoffentlich klarer. Betrachten Sie Hypes als das was sie sind. Machen Sie sich bewusst, dass das was Ihnen in der ersten Phase langfristig versprochen wird, höchstwahrscheinlich nicht eintreffen wird. Verwenden Sie somit nicht unnötig viele Ressourcen darauf. Allerdings dürfen Sie Hypes auch nicht ignorieren, sondern immer registrieren und potenzielle langfristige Auswirkungen im Auge haben. Und nur wenn es ich anbietet, sollten Sei auf den Hype-Zug aufspringen und versuchen kurzfristig von ihm zu profitieren.

Autor MarKo Petersohn ist Gründer und Inhaber von „As im Ärmel“ und war Referent auf dem 1. und 2. Digital Day by Cash. in Hamburg und Frankfurt.

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