Dirk Kreuter: Finanzvertrieb quo vadis?

Der Finanzvertrieb befindet sich inmitten eines gewaltigen Wandels. „Vater Staat“ hat sein Vertrauen im Bereich Altersvorsorge verspielt. Dementsprechend schauen sich die Verbraucher verstärkt nach passenden Finanzprodukten um. Märkte und Zentralbanken bieten aber leider auch keine Orientierung mehr. Die Verbraucher sind gezwungen, sich selbst das nötige Know-how zu besorgen – und werden im Internet fündig. Das schafft Druck auf den Vertrieb.

Dirk Kreuter

Tatsächlich gibt es hier eine Vielzahl von sinnvollen, gut recherchierten und kritischen Quellen. Nicht ohne Grund engagiere ich mich auch schon selbst seit etlichen Jahren mit Podcasts und einem eigenen YouTube-Kanal, die beiden Info-Angebote weisen mittlerweile jeweils mehr als zehn Millionen Zugriffe/Downloads auf und organisiere mit der Vertriebsoffensive das Größte Event im Bereich Sales in Deutschland. Im Zusammenspiel dieser Entwicklungen ergeben sich für Finanzvertriebler ein paar wichtige Erkenntnisse – und natürlich auch entsprechende To-Dos.

Die Schere

Tatsächlich passt für mich das Bild einer sich immer weiter öffnenden Schere sehr gut: Die eine Klinge symbolisiert die Notwendigkeit, sich mehr Know-how anzueignen und das persönliche Service-Level anzuheben – die andere Klinge stellt die zunehmende Automatisierung – und die Selbstinformation der Kunden dar. Im Zwischenraum agiert nun der Finanzvertriebler der Zukunft – und muss genau aufpassen, dass er nicht zu dicht an eine der beiden sehr scharfen Schneiden gerät. Schafft man es nicht, beide Pole miteinander in Einklang zu bringen und „klebt“ zu sehr an einem Extrem, wird man sehr schnell aus dem Spiel geworfen.

Selektierung, Verkäufer- und Service-Qualität

Wir müssen nun schnellstmöglich damit beginnen, unsere Kunden nach ihren potentiellen Umsatzwerten zu selektieren. Dies schafft man mittlerweile nur noch mithilfe eines effektiven und leistungsfähigen CRMs. Anders werden wir überhaupt nicht mehr in der Lage sein, die für eine sinnvolle Kategorisierung notwendigen Informationen zu sammeln und zu verarbeiten. Parallel nutzen wir die gewonnene Zeit, unser Verkäuferprofil zu schärfen, unsere Unterscheidbarkeit auszubauen und eine Service-Strategie zu erstellen. Hier gilt das Prinzip der Übererfüllung. Dabei positionieren wir uns bei unseren Premium-Kunden als 360°-Problemlöser, sorgen aber auch dafür, dass unser Standard-Klientel keinen Grund zur Klage findet.

Dieser Bereich wird in Zukunft mehr und mehr komplett online abgewickelt. Hochgradig vorkonfigurierte Angebote, automatisierte Prozesse und zahlreiche „Self-Service“-Optionen ermöglichen dem „normalen“ Verbraucher, zu annehmbaren Preisen einen immer größer werdenden Bereich seiner Wünsche und Bedürfnisse bestmöglich abzudecken. Wer hingegen besondere Ansprüche hat, für ungewöhnliche Bedürfnisse sehr individuelle Lösungen sucht und auch bereit ist, mehr Geld auszugeben, kommt dann in den Genuss der persönlichen und individuellen Betreuung.

Diese Selektierung ist aber auch vollkommen legitim und hat sich in vielen anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen schon etabliert. Da sich das „Highend“-Klientel die Ansprechpartner ihres Vertrauens genau aussuchen kann, führt kein Weg an der bereits angerissenen Weiterqualifizierung, Profilschärfung und Service-Ausrichtung vorbei.

Automatisierung, Virtualisierung und Empfehlungsmarketing

Neben modernen und hocheffektiven CRMs gibt es aber momentan bereits eine Vielzahl an pfiffigen Lösungen, um sich als Finanzvertriebler immer mehr ungeliebte Routinearbeit vom Hals schaffen – und sich wieder mehr um das eigentliche Verkaufen kümmern – zu können. Das allgemeine Virtualisierungs-Niveau klettert gefühlt jeden Tag aufs Neue in bisher unbekannte Höhen.

Ich wiederhole es auch immer wieder bei der Vertriebsoffensive: hier kontinuierlich am Ball zu bleiben, zahlt sich nicht nur langfristig aus. Es setzt auch schon jetzt Zeitressourcen frei, die wir vornehmlich fürs Netzwerken nutzen sollten. Gerade die Finanzbranche lebt von langfristig ausgelegten und sehr vertrauensvollen persönlichen Beziehungen. Natürlich ist hier im Zuge der Finanzkrise sehr viel Porzellan zu Bruch gegangen – umso wichtiger stellt sich aber meiner Meinung nach heute und in Zukunft die Fokussierung auf den „persönlichen Draht“ dar.

Es bleibt spannend …

Nimmt man als Finanzvertriebler die sich gerade massiv bietenden Gelegenheiten und Werkzeuge offen und interessiert an, beginnt JETZT mit der Schärfung des eigenen Verkäuferprofils und legt sich auch im Servicebereich ordentlich ins Zeug, hält die Zukunft meiner Einschätzung nach noch so einige schöne Überraschungen bereit.

Autor Dirk Kreuter, CSP – Certified Speaking Professional – ist einer der einflussreichsten Vordenker zu den Themen Vertrieb, Verkauf und Akquise, sowohl online wie offline, hält schon seit 1990 begeisternde Vorträge und ist Autor von über 50 Büchern & Hörbüchern. Sein Event, die Vertriebsoffensive haben in diesem Jahr mehr als 40.000 Menschen partizipiert.

Foto: Jamie Lee Arnold

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