„Wir sind keine Treppenterrier“

Cash. sprach mit Klaus Hermann, Versicherungskaufmann und Entertainer, über Herrenwitze, Selbstironie, Anglizismen, Unwörter und seine Liebe zur Versicherungsbranche.

Herr Hermann, wie groß ist die Entfernung zwischen Magdeburg und Marburg?

Hermann (lacht): Die Frage kommt mir irgendwie bekannt vor.

In der TV-Show „Schlag den Raab“ lagen Sie im Jahr 2011 mit Ihrem Tipp näher an der richtigen Antwort als Stefan Raab und gewannen dadurch 500.000 Euro. Wissen Sie die richtige Antwort noch?

Hermann: Nicht genau. Ich glaube, es sind ungefähr 235 Kilometer.

Nicht ganz, es sind 301 Kilometer. Ihr Tipp damals waren 165 Kilometer, Raab schätzte 465 Kilometer.

Hermann: Ich war dichter dran, zum Glück.

Ihr Auftritt bei „Schlag den Raab“ war nicht das erste Mal, dass Sie im Rampenlicht standen. Sie waren bereits seit der Jahrtausendwende als Kabarettist auf deutschen Bühnen unterwegs. Wie kam es dazu?

Hermann: Ich war schon in der Schule immer der Klassenclown. Das hatte aber nur mäßigen Erfolg, weil die Lehrer was dagegen hatten, dass ich das Ruder an mich reißen wollte. Als junger Mann bin ich dann beispielsweise auf Hochzeiten aufgetreten. Im Jahr 1997 habe ich nach einer großen Karnevalsveranstaltung mit 600 Leuten zum Veranstalter gesagt:

‚Was die da oben machen, kann ich auch‘. Prompt hatte ich den Job als Büttenredner fürs nächste Jahr. Und ich kam richtig gut an. Später schrieb ich dann mein erstes Comedy-Programm, mit dem war ich 2001 auf Tour. Ich fand es fürchterlich, aber es hat funktioniert.

Später kamen dann die Versicherungsthemen dazu. Wie wurden Sie zum „Versicherungsentertainer“?

Hermann: Ich wurde auf einer Branchenveranstaltung gefragt, ob ich nicht spontan den Tag auf der Bühne zusammenfassen könne. Das habe ich gemacht und danach kam dann gleich die nächste Anfrage, ob ich nicht die Jahresauftaktveranstaltung eines Versicherers moderieren möchte. So entstand dann das Versicherungskabarett.

Wie humorvoll ist denn die Versicherungsbranche? Man hat ja leider häufig das Gefühl, dort regiert noch der Herrenwitz der fünfziger Jahre.

Hermann: Das ist auch meine Wahrnehmung. Ich versuche, das im Rahmen meiner Möglichkeiten zu verändern. Wenn wir in der Beliebtheitsskala der Branchen und Berufe die Abstiegszone verlassen wollen, müssen wir den Mut haben, lockerer zu werden. Die fehlende Krawatte zum Anzug reicht aber nicht aus.

Viele Vorstände meinen ja, wenn sie die Krawatte weglassen, haben sie die Agilität schon umgesetzt. Wenn wir eine Chance haben wollen, anders wahrgenommen zu werden, müssen wir bei uns selbst anfangen. Es gibt aber schon tolle Ansätze. Ich bin auf vielen Veranstaltungen, auf denen ich mich frage: Ist das noch die Versicherungsbranche oder bin ich gerade bei einem Start-up? Das macht mir Mut.

Ralf Husmann, der Erfinder und Autor der Comedy-Serie „Stromberg“, hat mir mal gesagt, dass er in der Versicherungsbranche und der Bürowelt insgesamt eine große Bereitschaft zur Selbstironie wahrnehme. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Hermann: Selbstironie ist vorhanden, aber nicht ausgeprägter als in anderen Branchen. Die Frage ist ja auch: Ist das noch Selbstironie oder schon Masochismus? Wir sind ja seit Jahrzehnten die Prügelknaben und müssen uns eine Menge gefallen lassen. Aber wir müssen endlich aus der Rolle des Klassendeppen rauskommen.

Man ist immer nur so lange der Klassendepp, wie man es sich gefallen lässt. Als Branche dürfen wir ruhig selbstbewusster auftreten – in der nötigen Demut unseren Kunden gegenüber.

Ist die Versicherungsbranche zu oft unfreiwillig komisch?

Hermann: Um wirklich unfreiwillig komisch zu sein, ist das, was wir tun, zu wichtig. Die Leute lachen zwar über die verrücktesten Versicherungsfälle – aber wenn ein Schwerverletzter sein Geld nicht vom Versicherer bekommt ist das nicht unfreiwillig komisch, sondern einfach nur tragisch. Es gibt aber Beispiele für gute Komik über die Versicherungsbranche, zum Beispiel „Stromberg“ und den „Vertreterbesuch“ von Loriot.

Ist das Thema Versicherungen humoristisch mit „Stromberg“ nicht sowieso abschließend abgehandelt worden? Kann da noch was kommen?

Hermann: Die Möglichkeit, mit Humor auf bestimmte Dinge zu reagieren, ist in der Versicherungsbranche genauso gegeben wie in der Politik. Auch dort geht den Kabarettisten nicht der Stoff aus – so wie mir nicht in der Versicherungsbranche. Ganz im Gegenteil:

Ich komme gar nicht dazu, alle Vorlagen zu verarbeiten, die geliefert werden. Es wäre ohne Probleme möglich, das Kabarett hauptberuflich zu machen, der Stoff ist mannigfaltig.

Dennoch haben Sie mit den öffentlichen Kabarettprogrammen mittlerweile aufgehört. Warum?

Hermann: Es ist viel zu zeitaufwendig. Man muss die komplette Organisation übernehmen, eine Location buchen, den Vorverkauf regeln. Häufig ist es auch schwer, in der Presse auf eine Veranstaltung hinweisen zu lassen. Aufwand und Ertrag stehen einfach in keinem gesunden Verhältnis.

Gelegentlich treten Sie aber doch noch auf. So werden Sie am 20. September die Cash. Gala in Hamburg moderieren. Was erwartet die Gäste, worauf können sie sich freuen?

Hermann: Zunächst einmal freue ich mich darauf, dass ich die „Oscar-Verleihung“ der Finanzdienstleistungsbranche moderieren darf. Das wird meine erste Cash. Gala, und dann direkt als Moderator! Ich hoffe, dass ich die Gala so angenehm begleiten kann, dass alle Gäste hinterher sagen: Das war ein toller Abend!

Und wir werden von Ihnen auf der Bühne keine Anglizismen hören, denn die mögen Sie nicht. Eine wohltuende Ausnahme in der Finanzbranche.

Hermann: Das stimmt, ich mag keine Anglizismen. Ich fordere Sie hiermit persönlich auf, eine Strichliste zu führen, falls ich dagegen verstoße.

Noch schlimmer sind ja solche Unwörter wie „zeitnah“ und „proaktiv“. In der Branche nutzt sie mittlerweile fast jeder wie selbstverständlich, weil sie irgendwie wichtig klingen, aber im Grunde sind sie doch völlig nichtssagend und sinnentleert.

Hermann: „Agil“ und „spannend“ sind auch so Begriffe, die inflationär benutzt werden. Intellekt zu vermitteln, indem man möglichst viele Anglizismen und Fremdwörter verwendet, kann funktionieren, kann aber auch befremdlich wirken. Ich versuche immer, nicht in einer Sprache zu sprechen, die ich selbst nicht verstehe. So kommt man auch authentisch rüber.

Sie sind auch als Buchautor tätig, ihr neustes Werk „Ich bin kein Klinkenputzer“ hat den Untertitel „Eine Liebeserklärung an die Versicherungsbranche“. Das müssen Sie erklären. Was lieben Sie an der Branche so sehr?

Hermann: Ich liebe diesen Beruf. Er ist meine Heimat. Ich habe 1988 als 16jähriger eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann angefangen und arbeite seitdem in der Branche. In der Öffentlichkeit ist dieser Beruf aber sehr unbeliebt. Dort herrscht noch immer ein völlig veraltetes Vermittlerbild vor.

Wir sind keine Treppenterrier, die draußen rumrennen, mit dem Abrissblock Unterschriften einsammeln und die Leute in Verträge zwängen. Der Buchtitel soll provozieren und die Leute aufmerksam machen. Sie sollen sich fragen: Wie kann es sein, dass jemand eine Liebeserklärung an die Versicherungsbranche abgibt?

Aber genau das tue ich, weil der Beruf Spaß macht, wichtig ist und weil es tolle Menschen in dieser Branche gibt. Meine Mission ist es, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen.

Dennoch wird es auch Dinge geben, die Sie an der Versicherungsbranche stören. Welche sind das?

Hermann: Mich nervt es, dass es immer noch Vertreter gibt, die so sind, wie einige Leute sie erwarten – im negativen Sinne. Ich mag keine Menschen, die überheblich, respektlos und laut sind. Doch das erlebe ich leider immer wieder. Es sind aber mittlerweile eher Einzelfälle, da hat sich schon eine Menge bereinigt.

Mich stört auch, dass wir als Branche noch zu häufig von oben nach unten denken und handeln. Vorstände entscheiden, wo es lang geht, und der Rest rennt hinterher. Es gibt zu wenig Mut, Eigeninitiativen auf der mittleren Managementebene zuzulassen.

Doch das müsste man tun, wenn man die Ankündigung ernst meint, den Kunden in den Mittelpunkt stellen zu wollen. Da sind mir einige Gesellschaften noch nicht konsequent genug.

Das Gespräch führte Kim Brodtmann, Cash.

Foto: Klaus Hermann

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