Gewerbeversicherung: „Wir zielen auf die Unternehmen bis eine Milliarde Euro Umsatz“

Foto: Anna Mutter

Die Alte Leipziger gehört zu den Marktführern in den Bereichen Altersvorsorge, Biometrie und Arbeitskraftabsicherung. Aber auch in der Sach- und Gewerbeversicherung spielt die Alte Leipziger mittlerweile eine relevante Rolle. Cash. sprach mit Michael Neuhalfen, Leiter Vertrieb bei der Alte Leipziger Versicherung über die Wachstumsstrategie, Herausforderungen und Zielgruppen.

Herr Neuhalfen, man verbindet die Alte Leipziger mit Berufsunfähigkeitsversicherungen, mit bAV, mit fondsgebundener Altersvorsorge. Wie stark ist die Alte Leipziger im Sachbereich?

Neuhalfen: Richtig ist, dass unsere Dachgesellschaft Alte Leipziger Leben unbestritten einer der Marktführer in der Biometrie, in der betrieblichen Altersvorsorge und auch bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ist. Die Alte Leipziger Sach ist 203 Jahre alt und tatsächlich älter als die Muttergesellschaft. Wir sind mittelgroß und damit groß genug, um im Markt Akzente zu setzen. In der Tat war das Thema Gewerbe für die Alte Leipziger Sach nicht immer im Fokus. Wir haben in den letzten Jahren im Rahmen der strategischen Neuausrichtung das Thema Gewerbe zu einem der Fokusfelder herausgearbeitet und uns dann in vielen, auch nachhaltigen Schritten, auf den Weg gemacht, einer der relevanten Player im deutschen Gewerbemarkt zu werden. Seit drei Jahren glauben wir, eine mittlerweile angemessen relevante Rolle im Vermittlermarkt in Deutschland zu spielen. Man sieht das an vielen Kennzahlen und der positiven Resonanz im Markt. 

Und wofür steht die Alte Leipziger in der Gewerbeversicherung?

Neuhalfen: Wir wollen Vermittlers erste Wahl im Gewerbe und mittleren Industriesegment sein. Es reicht, wenn wir stabil im Top-Fünf-Set der Vermittler sind. Das ist ein hoher Anspruch und dafür muss man ganz viel tun. Aber die Erfolge bestätigen diesen Kurs. Wir sehen es an den Zahlen, aber auch an der Rückmeldung aus der Vermittlerschaft. Es gibt rund 160 deutsche Kompositversicherer im Markt. Wenn man beispielsweise auf Platz 77 einer beliebigen Rangliste steht, ist man faktisch irrelevant. Jetzt ist die Frage: Wo hört die Relevanz auf? Da bin ich mal ganz mutig: Hinter den Top 20, vielleicht sogar den Top Ten braucht man eigentlich nicht mehr anzutreten. Deswegen haben wir gesagt: Wenn wir relevant sein wollen, dann müssen wir wahrgenommen werden, also im „Relevant Set“ sein. Für Gewerbe ist das unser erklärter Anspruch.

Welche Zielgruppen haben Sie für das Gewerbeversicherungsgeschäft definiert?

Neuhalfen: Wir sind ein mittelgroßer, mittelständischer deutscher Kompositversicherer, eher konservativ und stocksolide. Und genau das ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft auch. Der viel zitierte Mittelstand, neudeutsch KMU, also die kleinen und mittelständischen Unternehmen: Sie sind eher konservativ, deutschlandbasiert, europäisch vernetzt arbeitend. Wir sind ein mitteständischer Versicherer mit mittelständischen Vermittlern und mittelständischen Endkunden. Dieser Dreiklang passt gut. Als mittelgroßer Versicherer mit den Global Playern mitzuspielen, macht keinen Sinn. Da braucht es eine globale Vernetzung. Rückwärts definiert heißt das, wir zielen auf Unternehmen bis eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr. Und wenn die – in Deutschland basiert – auch im Ausland arbeiten, dann folgen wir ihnen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten auch dorthin.

Sie sagten es gerade. Es gibt rund 160 deutsche Kompositversicherer im Wettbewerb. Ist dieser Wald im Gewerbeversicherungsmarkt für die Vermittlerinnen und Vermittler zu durchschauen? 

Neuhalfen: Er ist sehr intransparent. Sie sagen Wald, ich würde eher von einem dichten Gestrüpp sprechen. Die vielen Versicherer haben verschiedene Produkte, diese verschiedenen Produkte gibt es in verschiedenen Ausprägungen. Also man redet ganz schnell über Hunderte von Tarifausprägungen pro Risiko. 

Wie helfen Sie Ihren Partnern in diesem Terrain?

Neuhalfen: Unser Anspruch ist, einen guten Rat geben zu können und ein gutes Angebot zu machen. Jetzt ist es so, dass der Makler mit seinen Empfehlungen in der Haftung steht. Heißt: Er muss für sich und den Kunden entscheiden, ob die Alte Leipziger der richtige Partner ist. Wie helfen wir da? Nun sind wir an dieser Stelle allerdings auch Marktplayer. Wir unterstützen, indem wir mit allen operativen Vergleichern zusammenarbeiten: Wir stellen unsere Dokumente, unsere Daten, unsere Tarife und Produkte digital zur Verfügung. Damit die Vermittler neutral umfassend vergleichen können. Wenn man diese Vergleichsprogramme nutzt und der neutrale Vergleich sagt, dass unser Produkt ein gutes ist, dann muss der gesamte Prozess dahinter schlank sein. Denn: wir wollen den Vermittlern Zeit sparen für die eigentliche Beratungsarbeit.

Stichwort Digitalisierung. Wie digital geht die Gewerbeversicherung? 

Neuhalfen: Wir sind bei den relevanten Vergleichsplattformen im privaten, in Kraftfahrt als auch jetzt beginnend im Gewerbegeschäft dabei, weil es selbstverständlich ist. Erlauben Sie mir die Analogie: Wir alle sind Autofahrer. Früher hatte ich eine Kiste mit Landkarten im Auto. Heute hat so gut wie jeder ein Navigationsgerät. Es muss die Frage erlaubt sein, warum wir diese Analogie nicht auch in der Tarifwelt übertragen. Muss denn alles analog sein? Wir glauben: nein. Die Digitalisierung hört allerdings da auf, wo es zu individuell wird. Das ist wie Massenware versus Maßkonfektion. Beides hat seine Berechtigung, aber eben da, wo es passt.

Und wo liegt die Grenze zwischen Masse und Maßkonfektion?

Neuhalfen: Das Maß ist die Komplexität des jeweiligen Risikos. Ein Beispiel: Eine Hausratversicherung ist digitalisierbar. Es gibt heute hinreichend viele Beratungstools, in denen die Daten eingeben werden und am Ende kommt mehr oder minder in Echtzeit ein Angebot und dann die Police digital heraus. Die Komplexität dort ist nicht dramatisch anders als bei einer einfachen Gewerbeversicherung für einen Blumenladen. Zum Beispiel: Thinksurance bildet so etwas ab. Und dort spielen wir auch mit. Wenn Sie aber den großen Logistikbetrieb für Blumen nehmen – für dessen Risiko gibt es heute noch keine digitale Lösung,weil die individuellen Risikoumstände zu vielschichtig sind. Und da muss man in der Tat quasi manuell arbeiten.

Themenwechsel: Nachhaltigkeit und Klimawandel sind zwei Punkte, die eng verwoben sind. Tief Bernd war das Produkt der klimatischen Veränderung. Wie groß waren die Schäden, die die ALH zu stemmen hatte? 

Neuhalfen: „Bernd“ war für uns – wir sind jetzt im Jahr 203 unserer Existenz – der historisch größte Einzelschaden und wahrscheinlich auch für die meisten anderen deutschen Versicherer. Wir sind da im Konzert der ganzen Versicherer wahrscheinlich durchschnittlich betroffen. Dennoch konnten wir der Sache ganz gut Herr werden. Es ist der historisch teuerste Schaden der deutschen Versicherungswirtschaft laut GDV. Wir reden von über acht Milliarden Euro. Der unversicherte Schaden ist deutlich höher. Und die Wirkung in der Bevölkerung und der Vermittlerschaft sieht man vielleicht auch ein Stück weit daran, dass unser neues Wohngebäudeversicherungsprodukt – das schon immer mit der Elementarschutzkomponente hätte abgeschlossen werden können – statt einer Anwendungsquote von nahe 50 Prozent nun bei 70 Prozent im Neugeschäft liegt. Ich glaube, die Affinität für das Risiko ist deutlich gewachsen. 

Ist die Erkenntnis auch bei den Gewerbekunden angekommen? Denn wenn die Firma nicht gegen Elementarschäden versichert war, ist das Risiko existenzgefährdend.

Neuhalfen: Es ist sogar existenzvernichtend. Die Elementarversicherung, die wir im privaten Umfeld kennen, gibt es spiegelbildlich im Gewerbeumfeld schon immer. Und auch dort sehen wir höhere Anbündelungsraten. Auch der Blick der Vermittler ist deutlich geschärft. Ich glaube, kein Vermittler mag diese Haftungsfalle diskutieren, dass ein Unternehmer den Makler anruft und fragt: „Was mache ich denn jetzt?“ Und der Vermittler antwortet: „Nichts. Die Elementarversicherung wollten Sie doch nicht.“ Und der Kunde fragt: „Wo steht das?“ Und dann sucht der Vermittler das Beratungsprotokoll und findet es nicht. Also die Haftungsfalle dahinter ist beachtlich.

Die Alte Leipziger blickt  auf 203 Jahre Sachversicherungsgeschäft zurück: Wie wollen Sie sich in dem Markt künftig positionieren? 

Neuhalfen: Wir wollen und werden den Kurs als Versicherer für Gewerbe und mittlere Industrierisiken in Deutschland im Vermittlermarkt – das ist unser Kernmarkt – fortsetzen und verstärken. Wir werden stärkere Kapazitäten haben und an der Stelle unseren Marktanteil – das ist das erklärte Ziel – steigern. Daneben wollen wir im privaten Umfeld die mehr plattformgetriebenen, standardisierten, effizient abschließbaren Produkte genauso betreiben. Insoweit sind das zwei Säulen: das gewerbliche,  industrieindividuellere Geschäft und das digital unterstützte hocheffiziente Geschäft im privaten Umfeld. Diese beiden Säulen tragen das Dach der Alte Leipziger Sach. Das Ganze ist eingebettet ins Firmenkundengeschäft der ALH Gruppe. Und dazu gehören die Lebensversicherung mit ihrer bAV und die Hallesche Krankenversicherung mit der betrieblichen Krankenversicherung.

Das Gespräch führte Jörg Droste, Cash für das Cash. Exclusiv mit der Alte Leipziger

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