Zurich-Run-Off: Keine Allianzen fürs Leben

Foto: Florian Sonntag .
Joerg Droste, Redakteur und Ressortleiter Versicherungen beim Cash Magazin

Erst die Generali, jetzt die Zurich. Immer mehr große Lebensversicherer trennen sich von ihren klassischen Lebensversicherungsbeständen. Und verkaufen diese an Run off-Versicherer. Die Deals stärken zwar die Bilanzen der Gesellschaften. Ob sie aber das Vertrauen fördern, steht auf einem anderen Blatt. Ein Kommentar von Jörg Droste, Cash.

Was waren das doch für fantastische Zeiten: Es gab ein Produkt, dessen Aufbau und Funktion nahezu jeder sofort verstand. Es gab Tarife, die sich in ihrer Struktur von Anbieter zu Anbieter nur in Details unterschieden. Es gab Garantieverzinsungen von drei bis vier Prozent und Gesamtverzinsungen von fünf Prozent oder mehr. Und es gab Lebensversicherer, die warben mit Slogans wie „Eine Allianz fürs Leben“, der „Fels in der Brandung“ oder auch „Keine Sorge – Volksfürsorge“.

Alle vermittelten den Versicherungskunden eines: Vertrauen, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Planbarkeit für die Zukunft der eigenen Altersvorsorge. Die Volksfürsorge ist längst Geschichte. Der Hamburger Traditionsversicherer mit Sitz an der Außenalster wurde vor gut 15 Jahren von der Generali übernommen und in die Generali Lebensversicherung AG integriert. Der Witz: Auch die ist mittlerweile selbst Geschichte, heißt inzwischen Proxalto Lebensversicherung AG und gehört zum Run Off-Versicherer Viridium. 2018 hatte die Gesellschaft die rund vier Millionen klassischen Lebensversicherungsverträge und garantierten Kapitalanlagen von rund 37 Milliarden Euro in 2018 von der Generali übernommen und war quasi über Nacht eine gewichtige Größe im Markt.

Und jetzt folgt der nächste Abschied: Die deutsche Zurich-Tochter verkauft rund 720.000 klassische Lebensversicherungsverträge und garantierte Kapitalanlagen im Wert von rund 20 Milliarden Euro. Und wieder heißt der Käufer – Viridium. Die Transaktion schließt auch die Übertragung des traditionellen Lebensversicherungsgeschäfts der Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG (ZDHL) mit. Und wie bei der Generali wird auch die Zurich mit Viridium eine neue Gesellschaft gründen.

Zu viel Garantien in den Büchern

Getrieben durch der Niedrigzinspolitik der EZB und immer höheren Sicherheitsanforderungen für Kapitalanlagen und Versichertenbestand sehen letztlich immer mehr gestandene, große Versicherer scheinbar keine andere Lösung, als sich vom angestammten alten Lebensversicherungskundenbestand zu trennen. Muss das sein?

„Die Übertragung der traditionellen Lebensversicherungspolicen reduziert die Kapitalintensität der bestehenden Lebensversicherungsportfolios und hat einen positiven Einfluss auf unser Zinsrisiko“, bestätigt Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland. Die Entscheidung unterstreiche die Strategie, dass Zurich sich auf Bereiche konzentrieren werde, in denen das Unternehmen für Kunden, Partner und Aktionäre den größten Mehrwert erbringen könne, so Schildknecht weiter. Der klassische Lebensversicherungskunde gehört, so die traurige Lesart, wohl nicht mehr dazu. Zu viel Kosten bei zu wenig Ertrag.

Mehrwert durch Run off

Für die Bilanzen der Unternehmen ist der Schritt gut. Für die Kunden unter Renditengesichtspunkten im Zweifel auch. Weil die besser sind, als vor dem Verkauf, wie die Studie „Run-off in der Lebensversicherung 2021“ der Kölner Rating-Agentur Assekurata im Herbst 2021 zeigte. Die Analysten hatten für die Untersuchung die Kennzahlen und Bilanzdaten von drei externen Run-off-Plattformen und einem internen Run-off-Versicherer unter die Lupe genommen. Ein Ergebnis: Die Gesellschaften konnten bislang überdurchschnittlich hohe Erträge erwirtschaften. „Insbesondere bei den externen Run-off-Gesellschaften fallen die Profitabilitätskennzahlen zum Teil deutlich marktüberdurchschnittlich aus“, erklärt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

Für den Experten ein Hinweis, dass es den Run-off-Plattformen gelungen sei, zuvor wenig profitable Versicherer zumindest kurzfristig zu deutlich rentableren Unternehmen zu formen. „Die meisten Run-off-Gesellschaften schaffen es, höhere Umsatz- und Kapitalrenditen als der Markt zu erzielen, da sie aus den schrumpfenden Prämieneinnahmen einen vergleichsweise hohen Ertrag generieren“, so Heermann.

Positive Kosteneffekte

Zahlen von Viridium bestätigen die Aussagen des Assekurata-Analysten. So stiegen die an die Kunden zugeteilten Überschüsse bei der Proxalto Lebensversicherung im Drei-Jahres-Durchschnitt um 71 Prozent. Die Stornoquote sank im gleichen Zeitraum deutlich von 3,1 auf 2,6 Prozent.

Drei Run-off-Versicherer im Markt

Laut Assekurata gibt es aktuell drei Run-off-Plattformen im Markt: DIe Viridium-Gruppe mit der Skandia Lebensversicherung AG, Heidelberger Lebensversicherung AG, Entis Lebensversicherung AG (ehemaliger Bestand der Protektor Lebensversicherungs-AG), Proxalto Lebensversicherung AG (ehemals Generali Lebensversicherung AG). Hinzukommen werden hier die klassischen Lebenbestände der Zurich Gruppe Deutschland. Bemerkenswert: Der neue Marktausblick Lebensversicherung 2022 von Assekurata zeigt, dass die Proxalto Leben nach Prämieneinnahmen der neuntgrößte Lebensversicherer im deutschen Markt ist!

Zweiter Player ist die Frankfurter-Leben-Gruppe mit der Frankfurter Lebensversicherung AG (ehemals Basler Leben AG Direktion für Deutschland), Frankfurt Münchener Lebensversicherung AG (ehemals ARAG Lebensversicherungs-AG.

Dritte Run-off-Plattform ist die Athora-Gruppe mit der Athora Lebensversicherung AG (ehemals Delta Lloyd Lebensversicherung AG). Neben den im externen Run-off befindlichen Unternehmen hat Assekurata in der Studie zusätzlich die Victoria Lebensversicherung und die (alte) Ergo Lebensversicherung berücksichtigt; die befindet sich allerdings im internen Run-off der Ergo-Gruppe.

Versichern heißt verstehen: verständlich ist der Schritt eher nicht

Apropos Ergo: Versichern heißt verstehen, hieß einmal ein der Slogan der Ergo. Verstanden haben die Gesellschaften, wie sie ihre Bilanzen korrigieren, in dem sie sich von den alten hohen Garantiebeständen lösen. Doch ob die Versicherer ihre Kunden auch wirklich verstanden haben, bleibt für mich fraglich. Aber im Zweifel wird der Versicherungsmakler, die Vermittlerin oder auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stammorganisation die Anlaufstelle für enttäuschte, frustrierte Kundinnen und Kunden sein. Und sie müssen erklären, was Kundinnen und Kunden nicht verstehen.

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