Potenziale und Perspektiven

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Mit einem Plus von 12.000 Versicherten zu Gunsten der PKV im Jahr 2020 scheint sie zum Trend zu werden. Andererseits schlagen die aktuellen Beitragserhöhungen hohe Wellen im Markt. Wie der Vertrieb die Perspektiven der PKV beurteilt.

Für Christine Schönteich, Mitglied der Geschäftsleitung bei Fonds Finanz, ist hieraus kein Trend und auch keine Bewertung für die Attraktivität eines Systems ableitbar. Die PKV sei eine bewusste Entscheidung, der Wechsel zur GKV sei oft zwangsweise. Hier würden „Äpfel mit Birnen” verglichen, so auch Harald Gesellensetter, Business Development Manager Krankenversicherung bei Netfonds.

Gerade durch Corona müssten viele Selbständige aufgeben und sozialversicherungspflichtig arbeiten, mit einem Gehalt unter der Versicherungspflichtgrenze. Dr. Sebastian Grabmaier, CEO von JDC, weist darauf hin, dass diese Grenze ab dem Jahr 2021 bei 64.350 Euro Bruttojahresgehalt liege. Wegen Corona gebe es eher keine Gehaltsanpassungen, außerdem seien deutlich mehr Menschen in Kurzarbeit. Doch es gibt auch ganz andere Stimmen.

Hermann Hübner, Vorstandsvorsitzender von Vema, hält dagegen: „Wir gehen davon aus, dass durch Corona das Interesse an der privaten Krankenvollversicherung und Krankenzusatzversicherung steigt”. Laut Heiko Faust, Partner bei Oliver Wyman, erschwert die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze den Wechsel zwar, allerdings liege die Lohnentwicklung der letzten Jahre über der Entwicklung dieser Grenze. Dadurch sei die Wahlfreiheit mindestens genauso hoch – zumal nur ca. 12 Prozent der PKV-Versicherten Arbeitnehmer seien, die Mehrheit seien Beamte und Selbständige. Die PKV brauche aber ein überzeugendes Konzept, Antworten auf die Beitragsentwicklung und einen gut ausgebildeten Vertrieb.

Was ist des Maklers Leistung?

Was soll ein Makler leisten? Er müsse wechselwilligen Kunden Chancen und Risiken aufzeigen. Themen seien die Systemunterschiede, Beitragsanpassung, Rückkehrmöglichkeit in die GKV, Familienkonstellation sowie Mitnahme von Alterungsrückstellungen. Aus zahlreichen Tarifoptionen müsse der passende Leistungsumfang gefunden werden, beispielsweise für Krankenhausbehandlungen (Chefarztbehandlung, Ein- oder Zweibettzimmer), Heilpraktiker- Leistungen und Zahngesundheit. Selbstbeteiligungen, Beitragsstabilität und Solidität des Versicherers seien ebenfalls wichtig.
Unter Druck steht die PKV neben Corona derzeit durch Niedrigzins, Demografie und steigende Krankheitskosten. Vema meint, vielen privat versicherten Älteren sei der Versicherungsschutz den Preis wert und nur wenige wechselten in Standardtarife. Auch die GKV hat ihren Preis. Wie Fonds Finanz und Netfonds darlegen, lag die Beitragssteigerung in der PKV seit 2011 bei 3,0 Prozent jährlich, in der GKV bei 3,3 Prozent. JDC ergänzt, dass in der GKV insbesondere die Beiträge für Gutverdiener steigen würden, wobei die Bemessungsgrenze ab Januar 2021 bei einem Bruttojahresgehalt von 58.050 Euro liegt. Grabmaier hält weitere deutliche Beitragserhöhungen für möglich. Was die Zinssituation betreffe, müssten die Versicherer darauf achten, dass die Tarife nicht vergreisten, sondern regelmäßig junge Kunden hinzukämen: „Ein beitragsstabiler Tarif lebt von einem ausgeglichenen Kollektiv”.

Die Folgen der Null-Zins-Politik für die PKV

Netfonds-Krankenversicherungs-Manager Gesellensetter sagt zur Zinsentwicklung: „Weitere zehn Jahre sollten wir keine Null-Zins-Politik haben”. Die Demografie sei hauptsächlich ein Problem für die GKV, da die Jungen für die Alten zahlten und hier ein Ungleichgewicht herrsche. Bei der PKV werde die Sterbetafel regelmäßig angepasst und jeder zahle seinen Beitrag entsprechend seinem Risiko bei Eintritt. „Somit hat jede Versichertengruppe mit ihren Prämien auf die gesamte Versicherungsdauer ihre eigenen zu erwartenden Versicherungsleistungen zu finanzieren”, bringt es Schönteich von Fonds Finanz auf den Punkt. Sind die Alterungsrückstellungen, laut Grabmaier elementarer Kalkulationsbaustein der PKV, durch die Zinssituation bedroht? Nein, meinen Fonds Finanz und Netfonds. Der Betrag für Alterungsrückstellungen steige weiter und nähere sich der 300 Milliarden-Euro-Marke. Die Zinssituation schmälere den Anstieg etwas, gefährde aber in keiner Weise den Bestand. Durch die Rückstellungen sorgt die PKV für mehr Generationengerechtigkeit, so Vema-Chef Hübner. Bei der GKV müssten die Nachkommen für steigende Kosten durch längere Lebenszeit und bessere gesetzliche Vorsorge aufkommen.
Seit Jahren im Trend liegen PKV-Zusatzversicherungen, beispielsweise zu Zahnzusatz, Pflege oder Krankenhaus.

Dies bestätigen Fonds Finanz und JDC. Für Tobias Klostermann, Principal bei Oliver Wyman, fokussierten sich große PKV Anbieter und Vermittler zu sehr auf die Vollversicherung und beschäftigen sich zu wenig mit alternativen Modellen wie betrieblicher Krankenversicherung oder Zusatzversicherung. Hier seien eher Nischenspieler aktiv. Die Beamtenversicherung habe ihre Platzhirsche, der Rest kämpfe im eher gesättigten Markt aus Angestellten und Selbständigen. Den großen Playern fehle Ausgleichsgeschäft, sofern es einen (schnellen) Schwenk in die Bürgerversicherung gebe.

Bietet eine Bürgerversicherung Chancen?

Ist die Bürgerversicherung und die Abschaffung der Dualität die Lösung im Dauerclinch von GKV und PKV? Für Klostermann ist diese Frage nicht klar zu beantworten. Sie werde politisch bald wieder diskutiert werden. Befürworter argumentierten mit der Finanzierbarkeit des gesetzlichen Systems sowie der Abschaffung einer (subjektiv herrschenden) Zweiklassenmedizin. Bei den vielfältigen Herausforderungen sei aber nicht klar, ob eine Bürgerversicherung diese Ziele erreiche.

Sie werde sich nur dann durchsetzen, wenn sie das Gesundheitssystem aus Patientensicht nachhaltig verbessere. Versicherer sollten ihr Geschäftsmodell optimieren und sich vorbereiten – auch eine Bürgerversicherung biete Chancen. Inwieweit eine solche Aussage trägt, ist allerdings mehr als fraglich. Und dennoch bringt eine aktuelle Erhebung von Yougov von Philipp Schneider, Head of Marketing, DACH, ein eher ungewöhnliches Ergebnis.

Danach würden sich 55 Prozent der Deutschen für eine einheitliche Bürgerversicherung und das Aufheben der Trennung zwischen PKV und GKV aussprechen. 18 Prozent votierten für die Dualität, die Zustimmung wachse mit steigendem Nettohaushaltseinkommen. Die Maklerpools sind sich indes einig, dass sich die Dualität bewährt und Deutschland dadurch eines der besten Gesundheitssysteme weltweit habe – durch Wettbewerb und Sicherung der sozialen Abdeckung. Innovationen würden gefördert, Arztpraxen und Kliniken seien gut ausgestattet. Verhältnisse wie in den USA würden vermieden.

In England gebe es bestimmte Operationen ab einem gewissen Alter gar nicht mehr, weil es sich nicht mehr rechne, so Gesellensetter von Netfonds. JDC zitiert den PKV-Verband: von den Rückstellungen der PKV könnten rechnerisch Leistungen in heutigem Umfang über 8,9 Jahre finanziert werden. Die derzeitige GKV-Reserve in Höhe von 25 Milliarden Euro entspreche dagegen knapp eineinhalb Monatsausgaben der gesetzlichen Kassen.

An die Politik haben die Makler durchaus Wünsche. Laut Vema ist die Versicherungspflichtgrenze zu hoch. Netfonds bemängelt, dass notwendige Innovationen in der Tarifentwicklung durch veraltete Regularien verhindert würden. Fonds Finanz wünscht, dass die Entkoppelung der Jahresarbeitsentgeltgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze von Anfang der 2000er-Jahre rückgängig gemacht werde, der Standardtarif auch für Versicherte der “neuen Welt” geöffnet werde und notwendige Beitragsanpassungen wieder in geringeren, stetigeren kleinen Schritten möglich wären, statt nur in hohen, sprunghaften. (Autorin: Silvia Fischer ist Diplom-Betriebswirtin/Journalistin (FJS))

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