„Sämtliche Alarmglocken hätten schrillen müssen“

Ein Urteil des Landgerichts Hamburg belegt die Tendenz der Gerichte, die bloße Untätigkeit und das Negieren von Eigenverantwortung des Anlegers teilweise nicht nachvollziehen zu können. Gastbeitrag von Oliver Renner, Rechtsanwälte Wüterich Breucker

Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Anlegers, der im Jahr 2004 einen Schiffsfonds gezeichnet hatte, wegen Verjährung abgewiesen.

Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung verjähren nach den allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in zehn Jahren berechnet ab Zeichnung (absolute Verjährung) bzw. in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in denen der Anleger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte (relative Verjährung).

Das Landgericht Hamburg hat in einem sehr lebensnah begründeten Urteil die Klage eines Anlegers, der sich im Jahr 2004 an einem Schiffsfonds beteiligt hatte, wegen Verjährung abgewiesen. Dem Anleger wurden im Beratungsgespräch keine Risiken genannt. Zudem sei ihm die Anlage als sicher und zur Altersvorsorge geeignet empfohlen worden. Der Prospekt sei ihm dann nur beiläufig übergeben worden.

Das Landgericht Hamburg kam bei dieser Sachverhaltslage zum Ergebnis, dass die Ansprüche zum 31. Dezember 2007 verjährt waren und hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

„Vorliegend ist es aufgrund der Besonderheiten des behaupteten Beratungsgesprächs schlicht unverständlich, dass der Kläger den Prospekt und insbesondere die darin beschriebenen Risiken …. nicht jedenfalls nachträglich zur Kenntnis genommen hat. Legt man den eigenen Vortrag des Klägers zum Inhalt des Beratungsgesprächs am 04.11.2014 zugrunde, hätten bei ihm nach der sodann erfolgten Übergabe des Emissionsprospekts „sämtliche Alarmglocken schrillen“ müssen. Da der Kläger nach seinem Vorbringen auf das Vorhandensein von Risiken überhaupt nicht hingewiesen und ihm die Beteiligung als eine zur Altersvorsorge und zur Absicherung der Familie geeignete Anlagemöglichkeit bezeichnet worden war, musste der Kläger von einer sparbuchähnlichen Kapitalanlage ausgehen. Allein die Übergabe eines mehr als hundert Seiten umfassenden Prospektes musste den Kläger in dieser Situation veranlassen, zumindest im Nachgang zu dem Termin mit dem Berater jedenfalls einen kurzen Blick in diese Unterlagen zu werfen. (….) Unterlässt er dann jeglichen Blick in diese angesichts der Ausführungen des Beraters überraschender Weise überreichten Unterlagen, nimmt er in leichtfertiger Weise in Kauf, dass ihm nicht alle relevanten Umstände, die seine Anlageentscheidung betreffen und nun für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von Bedeutung sein können, in der erforderlichen Weise bekannt sind.“ (Landgericht Hamburg, Urteil vom 3. November 2015 – Aktenzeichen: 323 O 479/13)

Ob diese Rechtsprechung in ihrer Pauschalität aufrecht erhalten bleiben kann ist indes abzuwarten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anleger nämlich nicht verpflichtet, den Prospekt im Nachgang dahingehend zu prüfen, ob die Angaben des Beraters richtig waren.

Das Urteil des Landgerichts belegt aber eine bemerkbare Tendenz bei Gerichten, dass diese bloße Untätigkeit und das Negieren von Eigenverantwortung des Anlegers teilweise nicht nachvollziehen können.

Rechtsanwalt Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Lehrbeauftragter der Fachhochschule Schmalkalden und Dozent am Fortbildungsinstitut der RAK Stuttgart sowie stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsausschusses „Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht“ der RAK Stuttgart. Seit 2009 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Hochschule Pforzheim und seit 2010 Geldwäschebeauftragter der RAK Stuttgart.

Foto: Shutterstock

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