Altersvorsorge: Sicher auch ohne Garantien?

Klassische Lebens- und Rentenversicherungen gelten bei immer mehr Verbrauchern als unattraktiv. Doch was kommt danach? Die Branche will den Übergang mit neuen tragfähigen Konzepten gestalten.

„Kein Produkt ist gut oder schlecht. Es kommt immer auf die Risikoneigung und Risikotragfähigkeit des Kunden an“, sagt Professor Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanzund Aktuarwissenschaften (ifa) in Ulm.

Stellt man sich die private Altersvorsorge in Deutschland als ein Glas vor, so wäre es aus Sicht von Optimisten halb voll, aus Sicht von Pessimisten halb leer und aus Sicht von Zynikern zwar halb voll, dafür aber voller Gift – letztere Variante äußerte Woody Allen in einem seiner Filme, in denen er gern auch mal selbst auftritt. Allerdings bezog Allen seine Erkenntnis auf das Leben im allgemeinen, denn mit dem Markt für private Altersvorsorge in Deutschland dürfte der Regisseur nicht sonderlich vertraut sein.

Jeder zweite Bundesbürger hat die eigene private Altersvorsorge noch nicht vollständig geregelt

Experten, die sich mit dem Markt auskennen, könnte aber durchaus das Gefühl beschleichen, dass viele Deutsche ihre eigene Vorsorge ungefähr so motiviert betreiben, wie das Trinken eines Giftbechers auf Ex. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage von TNS Infratest unter 1.400 Bundesbürgern gibt jeder zweite Berufstätige (48 Prozent) zu, dass er die eigene private Altersvorsorge noch nicht vollständig geregelt hat.

Die deutsche Versicherungswirtschaft ist vor diesem Hintergrund gern bereit, die Verbraucher mit ihren Produkten einzudecken beziehungsweise ihnen – um ein letztes Mal das Bild zu strapazieren – kräftig einzuschenken, schließlich ist im halb gefüllten Glas noch viel Platz. Doch so einfach ist das nicht. Denn den Arbeitnehmern ist zwar durchaus bewusst, dass „ein dringlicher Bedarf für die eigene private Altersvorsorge besteht“, so TNS Infratest.

Doch nur jeder dritte Bundesbürger ist laut der Umfrage derzeit bereit, sich heute finanziell etwas einzuschränken, um zusätzlich in die private Altersvorsorge zu investieren. „Das Problem wird als unangenehm empfunden und auf die lange Bank geschoben“, erklärt Manfred Kreileder, Versicherungsexperte bei TNS Infratest.

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Experte Kreileder: Gefragt sind flexibel gestaltete Angebote

Zudem sei die Bereitschaft der Bundesbürger gering, langlaufende Sparverpflichtungen einzugehen. Gefragt seien hingegen flexibel gestaltete Angebote der Versicherungswirtschaft, „die sich unkompliziert an veränderte Lebensumstände anpassen lassen“. Experte Kreileder stellt zudem fest, dass klassische Lebens- und Rentenversicherungen bei den meisten Bürgern aufgrund des niedrigen Garantiezinses mittlerweile als unattraktiv gelten. So ist der Garantiezins dieses Jahr um weitere 0,5 Prozentpunkte gesunken und liegt aktuell nur noch bei 1,25 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist es auch keine Überraschung, dass die Versicherer die klassischen Policen zunehmend aus ihren Schaufenstern entfernen.

Der Rückzug der Klassik macht sich auch in der Beratung immer stärker bemerkbar. Jeder zweite Makler gibt bereits an, dass er klassische Lebens- und Rentenversicherungen mit Garantiezins „seltener“ (23 Prozent) oder „viel seltener“ (27 Prozent) anbietet als noch im Vorjahr, nur zwei Prozent der 234 befragten Makler bieten diese häufiger an. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Vermittler-Puls 2015“, die im Juli 2015 im Auftrag der Maklermanagement.ag, einer Vertriebsservicegesellschaft der Basler Versicherungen, durchgeführt wurde (siehe Grafik).

Seite zwei: „Mehr Risiken? Och, nö…“

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