Kann die Ehefrau ein ererbtes Haus immer frei verkaufen?

Eine Alleinerbin als Vollerbin kann nach freiem Vermessen mit dem ererbten Nachlass umgehen. Ist die Alleinerbin jedoch nur Vorerbin, sieht das ganz anders aus. Die Vorerbin kann unter Umständen nicht völlig frei über den Nachlass verfügen. Diese „nicht befreite Vorerbschaft“ ist der Regelfall der Vorerbschaft. Es bedarf einer Anordnung des Erblassers im Testament, wenn er dem Vorerben Verfügungsbefugnisse einräumen will.

Eine ausdrückliche Erklärung findet sich hier nicht. Es genügt jedoch, wenn der Erblasser seinen Willen im Testament irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt, zum Ausdruck bringt. Aus der Berufung zur Alleinerbin kann nicht der Schluss auf eine Befreiung gezogen werden, denn die Formulierung verhält sich neutral im Hinblick auf die Verwaltungsbefugnis des Nachlasses.

Wenn die Formulierung weitere Auslegungsmöglichkeiten zulässt

Auch der Wunsch des Erblassers, seine zweite Ehefrau möge möglichst noch lange leben, erlaubt nicht den Schluss, sie als befreite Vorerbin zu sehen. Diese Formulierung lässt weitere Auslegungsmöglichkeiten zu, wie zum Beispiel die Zuwendung eines Wohnvorteils für die Alleinerbin. Die Einsetzung des nicht leiblichen Sohnes seiner zweiten Ehefrau zum Nacherben wird von der Rechtsprechung nur dann als Indiz für eine Befreiung gesehen, wenn der Erblasser keine eigenen Abkömmlinge hätte und die zweite Ehefrau wesentlich zum Erwerb des Vermögens des Erblassers beigetragen hätte.

Da der Erblasser seine Tochter aus erster Ehe auch als Nacherbin eingesetzt hat, ist diese Möglichkeit auszuschließen. Es lag also keine befreite Vorerbschaft vor und das OLG München (OLG München, Beschluss v. 9.1.2019, 31 Wx 39/18, BeckRS 2019,11) gab der Tochter Recht. Die zweite Ehefrau kann damit das Haus nicht ohne Zustimmung der Kinder verkaufen.

Seite drei: DVEV-Expertenrat

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