Doch es wäre sicherlich zu kurz gedacht, die ersten 100 Tage der Koalition ausschließlich negativ zu bewerten. Denn abseits der politischen Schlagzeilen wurden einige wegweisende Beschlüsse gefasst, die das Potenzial haben, die deutsche Wirtschaft nachhaltig zu stärken – und damit auch für Anleger attraktive Chancen zu eröffnen. Insbesondere der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft, könnte von den beschlossenen Maßnahmen profitieren. Der Reihe nach.
1. Sondervermögen für Rüstung und Infrastruktur
Eines der zentralen Projekte der neuen Regierung ist die Schaffung eines Sondervermögens für Rüstung, Infrastruktur und Klimaneutralität – ein Paket, das eine Reaktion auf die veränderten geopolitischen Realitäten und den erkennbaren Investitionsstau in der Bundesrepublik ist. Und für Anleger eröffnen die Investitionen durchaus neue Perspektiven, denn insbesondere der Infrastruktursektor – von Bauunternehmen über Materiallieferanten bis hin zu spezialisierten Dienstleistern – steht vor einer Belebung. Die Modernisierung von Schienennetzen, Straßen und digitaler Infrastruktur dürfte die Nachfrage nach entsprechenden Produkten und Dienstleistungen kräftig beflügeln.
2. Investitions-Booster für die Wirtschaft
Um die heimische Wirtschaft anzukurbeln und die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken, hat die Regierung auch ein umfassendes Paket an Investitionsanreizen geschnürt. Ein Kernstück ist die Einführung der degressiven Abschreibung von bis zu 30 Prozent pro Jahr für Investitionen. Eine Maßnahme, die die steuerliche Belastung für Unternehmen in den ersten Jahren nach einer Anschaffung erheblich reduziert und Investitionen in Maschinen und Anlagen attraktiver macht. Parallel dazu wurde eine Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 beschlossen. Obwohl die Wirkung erst in einigen Jahren spürbar sein wird, sendet diese Entscheidung nicht nur ein wichtiges Signal an internationale Investoren, sie stärkt auch die Position Deutschlands im globalen Steuerwettbewerb. Ergänzt wird das Paket durch einen Ausbau der Forschungszulage, der für die entsprechenden Unternehmen eine zusätzliche finanzielle Entlastung bringt.
3. Mobilisierung von privatem Kapital: Die Initiative „Made in Germany“
Ein nicht zu unterschätzender Erfolg der ersten 100 Tage ist auch die Mobilisierung von privatem Kapital, die Kanzler Merz und Vertreter deutscher Konzerne im Bundeskanzleramt festgezurrt haben. Das Ergebnis ist die Initiative „Made in Germany“, bei der sich rund 60 Unternehmen dazu bekannt haben, in den kommenden Jahren in etwa 600 Milliarden Euro in Deutschland zu investieren – und zwar in Sektoren, die dringend eine Modernisierung benötigen. So fließen die angekündigten Investitionen in Schlüsselbereiche wie die Digitalisierung, die Dekarbonisierung und die Modernisierung von Produktionsanlagen. Gestemmt werden die Maßnahmen zwar in erster Linie von großen Unternehmen, doch schaffen diese Investitionen auch neue Aufträge für Zulieferer, Handwerksbetriebe und den gesamten Mittelstand.
4. Reduzierung der Energiekosten als Wettbewerbsvorteil
Auch die Reduzierung der Energiekosten macht Mut. Denn, Fakt ist: Durch die Abschaffung der Gasspeicherumlage und die geplante Reduzierung der Netzentgelte werden die Energiekosten für private Haushalte und Unternehmen reduziert. Hinzu kommt die Absenkung der Stromsteuer für produzierende Unternehmen, was die energieintensive deutsche Industrie international wettbewerbsfähiger macht. Damit einhergehend wird auch die Gefahr einer Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland reduziert.
Trotz einiger nachvollziehbarer Kritikpunkte, die ersten 100 Tage der neuen Regierung zeigen eine klare wirtschaftspolitische Ausrichtung, mit dem Ziel: Stärkung des Standortes Deutschland durch gezielte Investitionsanreize und die Entlastung von Unternehmen. Zwar stehen einige wichtige strukturelle Reformen noch aus. Auf der anderen Seite wurden aber bereits einige wichtige Weichen gestellt, die in den kommenden Jahren eine neue Wirtschaftsdynamik entfalten könnten – und damit vor allem kleinen und mittleren Unternehmen wieder eine aussichtsreiche Perspektive bieten. Denn insbesondere die Mittelständler sind stärker auf den Heimatmarkt fokussiert als die großen DAX-Werte und könnten damit die Gewinner einer Wirtschaftswende in Deutschland sein.
Autor Alexander Dominicus ist Vorstand der Value-Holdings Capital Partners AG.