EXKLUSIV

Altersvorsorge: Deutschlands Rente braucht Rendite

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Thomas Schoy, Privates Institut

Das deutsche Rentensystem gerät durch Demografie und Wirtschaftswandel zunehmend unter Druck. Reformen konzentrieren sich bislang auf das Umlageverfahren, doch dessen Fundament erodiert. Ein staatlicher Kapitalfonds könnte die Finanzierung breiter aufstellen, Lasten gerechter verteilen und langfristige Stabilität schaffen. Die Debatte darüber ist überfällig.

Das deutsche Rentensystem steht am Scheideweg. Seit Jahrzehnten drehen sich die Reformdebatten im Kreis, während sich die wirtschaftlichen und demografischen Realitäten dramatisch verändern. Die Bundesregierung versucht mit ihren jüngsten Maßnahmen, das Umlagesystem zu stabilisieren, doch das Fundament bleibt brüchig. Denn die Basis, auf der unser Rentensystem ruht, schrumpft kontinuierlich: immer weniger Erwerbstätige tragen die Last immer längerer Rentenbezugszeiten. Das System, einst für eine junge und wachsende Bevölkerung entworfen, droht an der Alterung der Gesellschaft zu zerbrechen. Es ist klar: Nachhaltigkeit muss nicht nur im Klimaschutz, sondern auch in der Altersvorsorge das Leitprinzip sein. Diese Erfahrung lehrt, dass langfristige Stabilität nur auf einer breiten, soliden Grundlage entstehen kann. Und genau diese Grundlage fehlt unserem Rentensystem.

Ein Umlagesystem, das der Realität hinterherläuft

Das heutige Umlageprinzip belastet beinahe ausschließlich den Faktor Arbeit. Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanzieren durch ihre Beiträge die laufenden Renten – eine Konstruktion, die in einer zunehmend digitalisierten, automatisierten Wirtschaft nicht mehr vollständig passt. Wo Maschinen, Software und Kapital den Großteil der Wertschöpfung erbringen, wird die alleinige Belastung menschlicher Arbeitskraft immer ungerechter und ineffizienter. Schon heute sinkt die Zahl der Beitragszahler, während die Zahl der Rentnerinnen und Rentner rapide steigt. Die Folge: steigende Lohnnebenkosten, schrumpfende Nettolöhne und eine Wirtschaft, die im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verliert.

Ein Fonds, der mehr kann als Renten sichern

Die Lösung liegt hier im besten Fall in einem staatlichen Kapitalfonds, gespeist aus Steuermitteln, nicht aus Lohnabgaben. Ein solcher Fonds könnte die Finanzierung auf eine deutlich breitere Basis stellen, getragen von Arbeit, Kapital und Unternehmen gleichermaßen. Er würde die einseitige Belastung beenden, die Lohnnebenkosten senken und damit Raum für private Vorsorge schaffen. Manche Länder machen seit Jahren vor, wie erfolgreich solche Modelle sein können: Sie verbinden generationsgerechte Absicherung mit stabilen Renditen und gezielten Investitionen in Zukunftsfelder. Ein Blick nach Norwegen zeigt, wie Kapitalfonds langfristig Wohlstand sichern können, ohne soziale Stabilität zu gefährden. Dort profitieren alle Bürgerinnen und Bürger von professionell gemanagten Erträgen, die unabhängig von kurzfristigen Haushaltszyklen wirken. Ein solches Modell kann auch in Deutschland Vertrauen schaffen, wenn es transparent verwaltet und politisch abgesichert wird.

Vier Säulen für ein zukunftsfestes System

1. Gleiche Lasten für alle Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden und Kapital würden erstmals gleichbehandelt. Die Besserstellung des Kapitals gegenüber der Arbeit entfiele, was das System gerechter macht.Diese Gleichbehandlung stärkt nicht nur das Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch die Akzeptanz der Bevölkerung für notwendige Reformen.

2. Breitere Beteiligung: Nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Selbstständige, Beamte und kapitalintensive Branchen leisten ihren fairen Beitrag zur Altersvorsorge. Das stärkt die Stabilität und Krisenfestigkeit des gesamten Systems. Eine verpflichtende, aber flexible Beteiligung aller Gruppen garantiert dabei, dass niemand aus der Generationensolidarität herausfällt.

3. Stärkere Wirtschaft durch sinkende Lohnnebenkosten: Eine dauerhafte Reduzierung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, erhöht die verfügbaren Einkommen und schafft Freiräume für individuelle Zusatzvorsorge.

4. Renditestarke, nachhaltige Investitionen: Die eingezahlten Mittel werden in einen Kapitalstock investiert, dessen Erträge die Renten sichern. Gleichzeitig können dringend benötigte Investitionen in Infrastruktur, Netzausbau und erneuerbare Energien finanziert werden. So gewinnt das Rentensystem einen doppelten gesellschaftlichen Nutzen: Es sichert die Zukunft der Älteren und ebnet den Jüngeren den Weg in eine moderne, klimaneutrale Wirtschaft.

Infrastruktur als Renditequelle und Zusatzsicherung

Dabei sollte der Kapitalfonds nicht nur in weltweite Aktien investieren, sondern gezielt auch in die deutsche Infrastruktur. Gerade hier zeigen sich gewaltige Chancen – Netzbetreiber erzielen Renditen von 20 bis fast 50 Prozent und das quasi ohne Risiko, da sie in regulierten Bereichen mit gesichertem Einkommen operieren. Diese Kapitalrenditen könnten künftig nicht nur private Investoren, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen. Denn Investitionen in Stromnetze, Speicher oder auch Wasserstoffinfrastruktur erzeugen nicht nur stabile Erträge, sondern beseitigen gleichzeitig neuralgische Engpässe der Energiewende. Ein solcher Fonds könnte als doppelt wirken: Er stärkt die Altersvorsorge und schließt Investitionslücken in zukunftsentscheidenden Bereichen. Jeder in Infrastruktur investierte Euro schafft Beschäftigung, Wertschöpfung und damit auch wieder neue Steuereinnahmen – ein selbstverstärkender Kreislauf, der Wachstum, Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit miteinander verbindet.

Nachhaltig denken, auch bei der Rente

Natürlich braucht es dafür eine Übergangsphase. Beiträge aus der bisherigen Umlage würden schrittweise reduziert, während der Kapitalstock aufgebaut wird. Je früher begonnen wird, desto schneller wirkt der Zinseszins. Mit jedem Jahr wächst der Fonds, die Abhängigkeit von Demografie und Arbeitsmarkt sinkt, und die Basisvorsorge wird robuster. Deutschland könnte endlich den Kurs einschlagen, den andere Länder längst erfolgreich gehen – hin zu einem Rentensystem, das Renditen erwirtschaftet, statt Defizite zu verwalten. Und ein System, das Nachhaltigkeit nicht nur predigt, sondern praktiziert, im ureigensten Interesse kommender Generationen. Denn wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, darf sie nicht bei der Energie- oder Klimapolitik enden lassen. Auch in der Rente gilt: Nur wer rechtzeitig investiert, schafft Zukunft.

Autor Thomas Schoy ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Privates Institut.

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