Analyse: Wie Versicherer Klimarisiken in Chancen verwandeln können

Judith Neumann, udith Neumann, Global Head Of Industry Advisory For Sustainability & Climate Resilience, Guidewire
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udith Neumann, Global Head Of Industry Advisory For Sustainability & Climate Resilience

Die Versicherungsbranche steht durch den Klimawandel unter wachsendem Druck. Schäden steigen, Schutzlücken vergrößern sich, regulatorische Anforderungen nehmen zu. Judith Neumann, Global Head of Industry Advisory for Sustainability & Climate Resilience bei Guidewire, sieht darin auch eine Chance – und ruft Versicherer zu mehr Verantwortung auf.

Hitzerekorde, Stürme und Überschwemmungen prägen längst den Alltag. Naturkatastrophen haben nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) allein in Deutschland im Jahr 2024 Schäden von 5,7 Milliarden Euro verursacht. Weltweit summierten sich die Verluste auf 320 Milliarden US-Dollar, von denen weniger als die Hälfte versichert war.

Für Judith Neumann ist klar: Die wachsende Schutzlücke und steigende Schadenlasten setzen die Branche unter Druck – zugleich eröffnen sie Chancen, wenn Versicherer neue Geschäftsmodelle entwickeln und moderne Technologien nutzen. „Nur so können sie ihre wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit langfristig sichern und zugleich Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen“, schreibt die Guidewire-Expertin in ihrem Beitrag.

Prämiensteigerungen, restriktiveres Underwriting und Rückzüge aus Hochrisikogebieten zeigen bereits, wie die Branche reagiert. Neumann betont, dass eine nachhaltige Lösung nur gemeinsam gefunden werden könne – zwischen Erst- und Rückversicherern, Kunden und Politik.

Vom Schadensabwickler zum Resilienzpartner

Neben ökonomischem Druck verstärken auch regulatorische Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Anforderungen an Versicherer. Gleichzeitig erwarten Kunden, Investoren und Mitarbeiter zunehmend glaubwürdige Maßnahmen. „Vor allem junge Talente achten darauf, dass Klimaschutz auf allen Ebenen von Entscheidungen berücksichtigt wird“, so Neumann.


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Aus Sicht der Expertin sollten Versicherer stärker als Partner und Berater auftreten – nicht nur nach einem Schadenfall. Präventive Unterstützung könne helfen, Risiken abzumildern und die Versicherbarkeit in gefährdeten Regionen zu erhalten. Das könne durch Beratung zu Resilienzmaßnahmen, Verweise auf Hochwasserportale oder Empfehlungen für bauliche Prävention geschehen.

Die Nachfrage nach solcher Unterstützung ist vorhanden: Laut der Guidewire-Verbraucherstudie 2025 wünschte sich knapp ein Drittel der Befragten in Deutschland mehr Transparenz bei Klimarisiken, ein weiteres Viertel forderte zusätzliche Beratung zu Präventionsmaßnahmen.

Technologie als Schlüssel

Daten und Technologie sind nach Einschätzung von Neumann zentrale Katalysatoren. Der Tech Trend Radar 2025 von Munich Re nennt Klimaresilienz als einen der wichtigsten Branchentrends. Versicherer setzen verstärkt auf künstliche Intelligenz, generative KI und Data Analytics, um Risiken präziser zu bewerten.

Hyperlokale Daten ermöglichen eine Risikoeinschätzung bis hin zu einzelnen Immobilien. „Damit wird eine genauere Preisgestaltung, intelligenteres Underwriting und personalisierte Risikoberatung möglich“, so Neumann. Der Übergang von reaktiver Regulierung hin zu präventiver Absicherung werde so beschleunigt.

Verantwortung für die Transformation

Über die reine Risikoabsicherung hinaus tragen Versicherer laut Neumann Verantwortung für die Transformation hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Neue Branchen wie Batteriespeicher, erneuerbare Energien, vertikale Landwirtschaft oder zirkuläre Geschäftsmodelle benötigten verlässlichen Schutz, um wachsen zu können.

Darüber hinaus könnten Versicherer das Verhalten von Verbrauchern gezielt beeinflussen – etwa durch Anreize für klimafreundliche Mobilität oder bauliche Maßnahmen gegen Extremwetterfolgen.

„Nur wenige Branchen sind so gut positioniert, um sowohl die Risiken als auch das Tempo des Klimawandels zu beeinflussen“, betont Neumann. Mit Daten, Technologien und klaren Strategien könnten Versicherer vom Reagieren zum Prävenieren wechseln – und damit ihre Kunden ebenso schützen wie ihre eigenen Bilanzen.

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