Ist diese Entwicklung aber tatsächlich so schlimm? Weder empirisch noch wissenschaftlich gibt es einen Kipppunkt, der definiert, wann das Fass zum Überlaufen kommt. Unbestritten ist jedoch, dass bei einer steigenden Schuldenquote – unter der Annahme konstanter Renditen – sich gleichzeitig automatisch die Zinslasten vergrößern. Mithin nehmen die Zinsausgaben einen immer größeren Anteil am Budget ein, bis irgendwann der Punkt erreicht ist, dass öffentliche Aufgaben nicht mehr erfüllt werden können und der Staatsbankrott zur virulenten Gefahr wird.
Als Gegenbeispiel wird gerne auf Japan verwiesen. Das Land kommt offensichtlich problemlos mit einer Schuldenquote von über 200 Prozent des BIP zurecht. Das Land der aufgehenden Sonne ist jedoch in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall – gewesen!
Abb. 2: Paradox: Staatsschuld steigt – Zinslast fällt

Quellen: IWF, Macrobond, Bantleon; * Jahr 2025 geschätzt
In Japan ist die Defizitquote seit 1991 kontinuierlich von 60 Prozent auf bis zu 256 Prozent im Jahr 2022 angestiegen (vgl. Abb. 2). Anders als man es hätte erwarten können, hat die Zinslast in dieser Periode aber nicht zugelegt, sondern ist sogar gesunken (vgl. Abb. 2). Der Grund ist der 1990 einsetzende Renditeverfall. Die als Benchmark fungierende Rendite 10‑jähriger JGBs sackte z.B. von 7,0 Prozent auf 0,0 Prozent (bzw. sogar -0,3%) im Jahr 2016 ab und verharrte auf diesem Niveau bis Ende 2022. Der japanische Staat konnte sich mithin sieben Jahre lang quasi zum Nulltarif verschulden – das sind traumhafte Konditionen, zu denen jegliche Staatsverschuldung gestemmt werden kann. Die Entwicklung ist in Abbildung 2 veranschaulicht, wobei die Zinslastquote als Zinsausgaben im Verhältnis zu den Staatseinnahmen definiert ist.
Der Renditeverfall zwischen 1990 und 2022 ist auf das Deflationsumfeld zurückzuführen, in dem Japan seit über zwei Jahrzehnten gefangen war. Die Geldpolitik hat daher alle Register gezogen (Negativzinsen und Zinsdeckel), um Inflation zu entfachen – lange Zeit erfolglos. Parallel dazu lancierte der Staat zur Stimulierung der Nachfrage ein Fiskalpaket nach dem anderen, erzeugte damit aber immer nur Strohfeuer. Die Folge dieser Politik war eine Explosion der Staatsverschuldung. Die japanischen Schuldenexzesse sind also im Endeffekt nicht der mangelnden Haushaltsdisziplin, sondern dem stetigen Bemühen zuzuschreiben, dem Deflationsumfeld zu entrinnen.
Inzwischen ist auch in Japan die Trendwende eingeleitet – bei der Inflation und den Renditen. Das durchschnittliche Renditeniveau von JGBs ist auf 1,50 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Zeiten des bedenkenlosen Schuldenmachens sind damit vorbei. Die Zinslastquote, die 2023 ein zyklisches Tief von rund 3,5 Prozent erreicht hat, wird in den nächsten Jahren ansteigen. Aufgrund der langen Zinsbindung der Staatsverschuldung (die durchschnittliche Laufzeit liegt bei knapp zehn Jahren), wird sich der Prozess allerdings sehr langsam vollziehen. Ende dieses Jahrzehnts dürfte die Zinslastquote zehn Prozent erreichen, was noch ein gutes Stück vom historischen Maximum entfernt ist. Sollten die Renditen indes weiter in Richtung 3,0 Prozent anziehen, wird auch die Situation in Japan brenzlig.