Die Ausgangslage in den USA ist eine völlig andere. Bereits im Jahr 2023 lag der Durchschnittszins auf die ausstehende Staatsschuld bei gut 3,00 Prozent (neuere offizielle Daten liegen noch nicht vor) und damit mehr als vier Mal so hoch wie in Japan. Trotz der niedrigeren Schuldenquote belief sich die Zinslastquote daher bereits auf über 12,0 Prozent womit der Höchststand aus dem Jahr 1985 (14,0%) greifbar nah ist (vgl. Abb. 3).[1]
Die Frage ist, wie es in den nächsten Jahren weitergeht. Allein die Tatsache, dass der aktuelle Durchschnittszins auf US-Treasuries in diesem Jahr zwischen 4,00und 4,60 Prozent pendelt, spricht dafür, dass die Zinslastquote weiter steigen wird. Wir wollen es aber genauer wissen und haben deshalb eine Simulation für die nächsten zehn Jahre durchgeführt. Dabei wurden folgende Annahmen getroffen:
- Beim nominalen BIP gehen wir von einem durchschnittlichen Wachstum von 4,5 Prozent aus, was dem historischen Mittelwert entspricht.
- Das primäre Haushaltsdefizit, also das Defizit unter Ausklammerung der Zinszahlungen, liegt in unserem Szenario bei 2,5 Prozent p.a. Dabei sind bereits Einsparbemühungen unterstellt. In den vergangenen 25 Jahren lag der Mittelwert bei 3,8 Prozent
- Der durchschnittliche Zins auf die ausstehende Staatsschuld soll von aktuell ca. 3,20 Prozent sukzessive auf 4,50 Prozent zulegen, was dem nominalen Wachstumstrend entspricht. Auch dies ist eine günstige Annahme. Bei einer anziehenden Schuldenquote wären eigentlich steigende Risikoprämien und damit höhere Treasury-Renditen plausibel.
- Die Staatseinnahmen am BIP sollen sich bei rund 31 Prozent des BIP einpendeln (Mittelwert der vergangenen 25 Jahre: 30,5%).
Abb. 3: Die Zinslasten wachsen über den Kopf

Quellen: IWF, Bloomberg, Bantleon
Angesichts des stetigen Primärdefizits und der anziehenden Zinsen verwundert es nicht, dass die Schuldenquote der USA in unserer Simulation weiter zulegt (vgl. Abb. 3). Sie erreicht demnach im Jahr 2035 150 Prozent des BIP (2024: 121%), was in Einklang mit den gängigen Schätzungen steht. Da – anders als in Japan der 2000er-/2010er-Jahre – fallende Renditen unrealistisch sind, steigt parallel auch die Zinslastquote. In unserer Projektion wird sie 2035 22 Prozent betragen – ein Rekord für die USA (vgl. Abb. 3).
Dabei haben wir – wie oben ausgeführt – keineswegs extreme Annahmen getroffen, im Gegenteil: Bei den Renditen ist es in unseren Augen eher plausibel, dass sie in den nächsten Jahren über dem nominalen Wachstum liegen werden. So dürften die Investoren bei steigender Schuldenquote eine immer höhere Risikoprämie verlangen. Geht man daher beim Durchschnittzins von einem Anstieg auf 5,00 Prozent aus, würde die Zinslastquote sogar auf 25 Prozent anschwellen.
Abb. 4: Die Zinslasten über 20% sind selten

Quellen: IWF, Bantleon
Wie problematisch sind Zinsausgaben, die ein Fünftel bis ein Viertel der Staatseinnahmen absorbieren? Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass ein solcher Wert ungewöhnlich ist (vgl. Abb. 4). In Deutschland und Frankreich haben die Zinslastquoten in der Nachkriegszeit nie die 10 Prozent-Marke überschritten. Unter den größeren Industrieländern hatte lediglich Italien in den 1980er- und 1990er-Jahren mit Werten von über 20 Prozent zu kämpfen. Das Land befand sich damals aber auch in der Dauerkrise und flüchtete nicht zuletzt deshalb in die Währungsunion.
Massive Verteilungskämpfe zeichnen sich ab
Tritt unser Szenario ein, müssten die USA auf jeden Fall in den nächsten Jahren die Ausgaben an anderer Stelle um 10 Prozent verringern (bzw. die Einnahmen um 10% erhöhen), was in heutigen Preisen knapp 1.000 Mrd. US-Dollar entspräche. Nicht alles, aber ein Großteil davon, müsste vom Bundeshaushalt gestemmt werden (der Rest von den Ländern und Kommunen). Im heutigen Federal Budget sind jedoch bereits 60 Prozent der Mittel fix verplant, d.h. gesetzlich festgeschrieben (sogenanntes Mandatory Spending, vgl. Abb. 5). Hierunter fallen die Sozialversicherungen (unter anderem Medicare und Medicaid), die nicht Bestandteil der jährlichen Budgetverhandlungen sind.
Zieht man zusätzlich die Zinsausgaben ab, schrumpft der diskretionäre Spielraum auf gerade einmal 25 Prozent aller Ausgaben oder 1.800 Milliarden US-Dollar. Fast die Hälfte davon sind indes Verteidigungsausgaben, die angesichts der allgemeinen Weltlage nicht gekürzt, sondern eher noch ausgeweitet werden sollen. Es verbleiben also noch knapp 1.000 Milliarden US-Dollar an Manövriermasse. Darunter fallen Ausgaben für Bildung, Infrastruktur und Forschung, auf die auch niemand ganz verzichten will. Alles in allem sind Reformen in den Sozialversicherungen unvermeidlich. Damit drohen als Folge der anziehenden Zinslastquote in den nächsten Jahren massive Verteilungskämpfe und dies in einem Land, in dem die Ungleichheit ohnehin so groß ist wie kaum irgendwo sonst.
Abb. 5: Diskretionärer Handlungsspielraum minimal

Quellen: CBO, Bantleon