EXKLUSIV

BRSG II: Ein Schritt in die richtige Richtung

Hubertus Harenberg, Bereichsleiter Firmenkundengeschäft, Swiss Life Deutschland
Foto: Swiss Life
Hubertus Harenberg: "Die Förderung nach § 100 EstG ist ein treffendes Beispiel, wie ein grundsätzlich sehr gute Idee durch zu hohe Komplexität in der praktischen Umsetzung behindert wird."

Aber mehr auch nicht. Die Versicherungsbranche sieht im aktuellen Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG II) zwar gute Ansätze, für einen Durchbruch sind sie jedoch nicht mutig genug. Von Silvia Fischer.

Das BRSG II will die betriebliche Altersversorgung (bAV) attraktiver machen, für Arbeitgeber aller Größen und für Arbeitnehmer. Gibt der Gesetzesentwurf das her? „Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Nein, ich fürchte, dass das nicht der Fall ist“, sagt Fabian von Löbbecke, Vorstand der HDI Lebensversicherung AG, verantwortlich für den Bereich Neugeschäft Leben und betriebliche Altersversorgung. Die Bundesregierung habe damit zwar einige Verbesserungen auf den Weg gebracht, jedoch die Chance verpasst, die bAV spürbar attraktiver und praxisgerechter zu gestalten.

Betriebliche Versorgungssysteme seien systemrelevant für die Arbeitnehmerversorgung in Deutschland. Deshalb seien klare Bekenntnisse gefordert, um mögliche Hemmnisse abzubauen und die Verbreitung der bAV zu fördern. HDI, Alte Leipziger und Barmenia.Gothaer halten sowohl ein Opting-Out-Verfahren als auch den Ausbau der Geringverdienerförderung grundsätzliche für gute Ideen. Jedoch gibt es große „Aber“. HDI stellt dar, dass Opting-out-Modelle faktisch weiterhin entsprechende Tarifverträge erforderten, und Arbeitgeber, die solche Systeme einrichteten mit einem höheren Zwangszuschuss „bestraft“ würden.

Lob für Opting-Out und Geringverdienerförderung – mit Einschränkungen

Dr. Thorsten Fischer, Zentralbereichsleiter betriebliche Altersversorgung ALH Gruppe, sagt: „Allerdings greift die Beschränkung des Opting-Out-Verfahrens auf Unternehmen ohne Tarifvertrag zu kurz“. Hier werde großes Potenzial verschenkt, denn häufig liege das Problem nicht im Angebot der bAV, sondern in der tatsächlichen Nutzung durch die Belegschaft. Das Opting-Out-Verfahren senke die Hemmschwelle für Mitarbeiter, sich mit der bAV auseinanderzusetzen und beseitige damit eine wesentliche Hürde. Die BarmeniaGothaer teilt die Meinung der ALH.

Die Geringverdienerförderung wird laut dem Versicherer soziale Gerechtigkeit schaffen, steuerlich für Unternehmen und für Arbeitnehmer attraktiv sein und das Employer Branding von Unternehmen verbessern. Allerdings verzögert sich diese Förderung bis zum 1. Januar 2027. Nicht angetan von der Umsetzung der Geringverdienerförderung ist Hubertus Harenberg, Bereichsleiter Firmenkunden und Branchenversorgung bei Swiss Life: „Die Förderung nach § 100 EstG ist ein treffendes Beispiel dafür, wie eine grundsätzlich sehr gute Idee durch zu hohe Komplexität in der praktischen Umsetzung behindert wird“.       

Ein weiterer guter Ansatz ist laut HDI die Erleichterung bei Abfindung von Bagatellanwartschaften. „Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob der Gesetzgeber ausreichend Stellschrauben gedreht hat und bei der Ausgestaltung nicht sogar neue Komplexitätsstufen aufgebaut hat“, schränkt von Löbbecke ein. So sei die verbesserte Abfindungsmöglichkeit daran gebunden, dass der Abfindungsbetrag in die bekanntermaßen insuffiziente gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden müsse.

Fabian von Löbbecke, HDI: „Die Bundesregierung hat mit dem Gesetzesentwurf einige Verbesserungen auf den Weg gebracht, jedoch die Chance verpasst, die bAV spürbar attraktiver zu gestalten.“

Von Löbbecke plädiert für folgende Maßnahmen: das Angleichen der steuer- und sozialversicherungsfreien Dotierungsgrenzen nach § 3 Nr. 63 EStG, eine einfache Mitnahme der Policen auch im Rahmen der rückgedeckten Unterstützungskasse, eine Vereinheitlichung und Erhöhung der Regelung zum Freibetrag in der Kranken- und Pflegeversicherung, eine Flexibilisierung beziehungsweise Klarstellung der maßgeblichen Mindestgarantien in den verschiedenen Zusageformen. Auch eine Vererbbarkeit für Versorgungsleistungen aus Entgeltumwandlung könnte der bAV-Verbreitung einen Schub geben. „Kurz gesagt: Da wäre deutlich mehr möglich gewesen – es hätte nur etwas Mut und der Bereitschaft bedurft, auf die Stimmen aus der Praxis zu hören“ so der bAV-Experte.

Zu wenig Mut bei Vereinfachung und Flexibilisierung

Die Alte Leipziger sieht im Gesetzesentwurf einen lange erwarteten und wichtigen Schritt zur Förderung der bAV in Deutschland. Fischer bilanziert jedoch: „Insgesamt bleibt das Gesetzesvorhaben BRSG II hinter den Erwartungen zurück, um das Vorsorgeniveau in der Bevölkerung auf das nötige Maß zu heben“. Neben einem mutigeren Umgang mit Opting-Out und der Geringverdienerförderung wären weiterreichende Reformen bei den Abfindungsmöglichkeiten sowie beim Sozialpartnermodell (SPM) wünschenswert gewesen. Auch für Dr. Alexander Kraftschik, Leiter Geschäftsfeld Altersvorsorge bei BarmeniaGothaer, greift BRSG II zu kurz: „Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass es sich beim BRSG II um einen Schritt in die richtige Richtung handelt, es jedoch noch nicht den gewünschten Durchbruch zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung herbeiführen wird“.

Portabilität und Garantien bleiben Streitpunkte

Auch das Thema Portabilität bleibe ein Dauerbrenner in der bAV. Geplant sei, diese zwischen einzelnen SPMs durchgängig zu gestalten. Das sei aber leider eine „Einbahnstraße“, da eine Mitnahme in eine „klassische“ bAV nicht ermöglicht werde. Swiss Life fordert ebenfalls, dass die geplante Portabilität nicht nur in Richtung der reinen Beitragszusage der SPMs, sondern ebenfalls in die Richtung der anderen Zusageformen „Beitragsorientierte Leistungszusage“ (BoLz) und „Beitragszusage mit Mindestleistung“ (BZML) gehen solle. Kraftschik sieht als weiteres Plus von BRSG II, dass es möglich werden solle, vorzeitig in Rente zu gehen, sofern Teilrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen würden. Dies mache die bAV flexibler, offener für individuelle Lebensplanungen und könne den Arbeitsmarkt entlasten. Sein Fazit: „Die Reform bleibt komplex und ist in hohem Maße vom Engagement der Unternehmen abhängig“.  

Laut Swiss Life sind sich Experten einig, dass die Bedeutung der bAV und der betrieblichen Vorsorge weiter anwachse. Daher sei es wichtig, dass sich die Politik dem Thema annimmt. „Wir sehen jedoch noch weiteren Verbesserungsbedarf“, sagt Harenberg. Man halte ein verpflichtendes Angebot der Arbeitgeber an ihre Mitarbeiter zur Entgeltumwandlung für sinnvoll, was sehr stark zur weiteren Verbreitung der bAV beitragen werde.  Weiterhin sei die Möglichkeit abgesenkter Garantien sehr wichtig, um hohe Renditen zu erzielen. Die BZML fordere ein hundertprozentiges Beitragsniveau. „Hier wünschen wir uns, eine Reduzierung gesetzlich zu verankern, zum Beispiel 80 Prozent“, so Harenberg. „Swiss Life Maximo“ kann mit 80 oder 60 Prozent Bruttobeitragsgarantie abgeschlossen werden, mit einem Fondsinvestment von nahe 100 Prozent.

Auch HDI setzt auf Lösungen mit Renditechancen und Sicherheit.  Die Versicherer sind sich einig, dass hohe Garantieversprechen attraktiven Renditen im Wege stehen. HDI und BarmeniaGothaer fordern vom Gesetzgeber die Rahmenbedingungen bei der BoLz klar zu regeln. Genannt werden Mindestgarantien und Arbeitgeberhaftung. Alte Leipziger, BarmeniaGothaer und HDI befürworten grundsätzlich, dass der Gesetzgeber auch Rahmenbedingungen für eine flexiblere Ausgestaltung der Rentenbezugsphase vorgibt. Jedoch, so mahnen Alte Leipziger und HDI, dürfe diese Flexibilität nicht zu Lasten einer lebenslangen Rente gehen. „Mehr Wahlfreiheit ist grundsätzlich positiv, doch eine lebenslange Zusatzrente sollte weiterhin der Kern der bAV sein“, unterstreicht Fischer. Von Löbbecke teilt diese Ansicht. Das IVS (Institiut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V.) schlägt bei der BZML eine gesetzliche Mindestgarantie von 60 Prozent vor und plädiert für eine Rentenbezugsphase mit höheren Renditechancen, nicht nur im SPM, sondern in der Breite.      

Schwache bAV-Durchdringung bei KMU bleibt ungelöst

Um die schwache bAV-Durchdringung bei KMU zu erhöhen, genügt laut Versicherern das BRSG II nicht. Es hapert sowohl inhaltlich als auch technisch. HDI schlägt smarte Kombinationen mit steuerfreien Sachzuwendungen vor. „Es muss aber gerade für KMU einfach handhabbar, haftungsarm und transparent sein“, fordert von Löbbecke. Vertriebe müssten auf Multi-Kanal-Lösungen setzen, persönlich und digital. Arbeitgeber profitierten hier von „HDI bAVnet“, Arbeitnehmer von „HDI mybAV“. Swiss Life bietet Vermittlern und Firmenkunden die digitale Plattform „Swiss Life Vorsorge-Manager“.  „Ohne verpflichtende Teilnahme, flexiblere Garantien und digitale Vereinfachung bleibt die bAV für viele KMU und Beschäftigte mit geringem Einkommen eine Randerscheinung. Die Branche ist bereit für die Umsetzung, jetzt sind politischer Wille und klare Rahmenbedingungen erforderlich“, resümiert Kraftschik.

Cash. Autorin Silvia Fischer ist Dip.-Betriebswirtin und Journalistin (FJS)

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments