„Die Beitragsspirale dreht sich weiter“ – Finanztip kritisiert Sparpläne der Bundesregierung

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Foto: Smarterpix/Mehaniq
Das Sparpakte der Bundesregierung ist eine Notlösung.

Laut Finanztip-Chef Hermann-Josef Tenhagen greift das Sparpaket der Bundesregierung zu kurz: Viele Krankenkassen stehen finanziell unter Druck und müssen wohl schon zum Jahreswechsel ihre Zusatzbeiträge anheben. Der durchschnittliche Satz von 2,9 Prozent spiegele die Realität vieler Versicherter längst nicht mehr wider.

Das vom Bundeskabinett beschlossene Sparpaket soll die gesetzlichen Krankenkassen kurzfristig entlasten – doch Finanztip-Chef Hermann-Josef Tenhagen sieht darin keine nachhaltige Lösung. „Ein Zusatzbeitrag von 3,3 oder 3,5 Prozent schon heute ist keine Ausnahme mehr. Der Schätzerkreis blickt auf den rechnerischen Durchschnitt – aber für viele Versicherte ist die Realität längst teurer“, sagt er.

Nach Berechnungen von Finanztip liegen schon jetzt mehr als die Hälfte der Krankenkassen über dem vom Schätzerkreis empfohlenen Durchschnitt von 2,9 Prozent. „2026 gilt: In Wahrheit geht es den Krankenkassen schlechter, als der vorgeschlagene durchschnittliche Zusatzbeitrag vermuten lässt. Bei etlichen Kassen werden Beiträge steigen müssen“, warnt Tenhagen.

Sparpaket als kurzfristige Notlösung

Das Sparpaket der Bundesregierung sieht unter anderem vor, die Meistbegünstigungsklausel im Krankenhausbereich zu streichen, Vergütungen zu begrenzen und Verwaltungsausgaben zu deckeln. Diese Maßnahmen sollen die gesetzlichen Kassen um rund zwei Milliarden Euro entlasten. Doch laut Tenhagen reicht das nicht aus, um die Finanzen der GKV langfristig zu stabilisieren.


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„Das Sparpaket der Bundesregierung ist eine Notlösung. Es soll die Kassen kurzfristig entlasten, aber ohne echte Strukturreformen wird sich die Beitragsspirale weiterdrehen“, sagt er. Die für Frühjahr 2026 angekündigte Kommission müsse endlich Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung vorlegen. „Sonst stehen die Kassen schon bald wieder im Minus.“

Beitragserhöhungen wahrscheinlich

Tenhagen rechnet damit, dass viele Krankenkassen zum Jahreswechsel ihre Zusatzbeiträge anheben müssen. „Höhere Beiträge zum Jahreswechsel sind wahrscheinlich. Viele Krankenkassen müssen ihre gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserven wieder auffüllen. Manche sind sogar in den roten Zahlen.“

Im ersten Halbjahr 2025 seien die Ausgaben der Kassen um fast acht Prozent stärker gestiegen als erwartet. „Da die Reserven vieler Kassen aufgebraucht sind, werden einige erneut an der Beitragsschraube drehen müssen“, so Tenhagen. Haupttreiber seien steigende Kosten in Kliniken, bei Arzneimitteln und in der Verwaltung.

Belastung für Versicherte und Gutverdiener

Wie stark sich höhere Zusatzbeiträge auswirken, zeigt eine Musterrechnung von Finanztip: Bei einem Monatsgehalt von 5.000 Euro ergeben sich gegenüber dem offiziellen Durchschnitt von 2,9 Prozent je nach Beitragssatz deutliche Mehrbelastungen. Bei 3,3 Prozent zahlen Versicherte rund 79 Euro netto mehr pro Jahr, bei 3,5 Prozent etwa 119 Euro. Steigt der Zusatzbeitrag auf 4,4 Prozent, summiert sich die Mehrbelastung auf rund 296 Euro.

Auch Gutverdiener müssen mit höheren Kosten rechnen: Durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von 5.512,50 auf 5.812,50 Euro brutto im Monat steigt der maximale Beitrag automatisch – selbst bei unverändertem Satz. Je nach Zusatzbeitrag ergibt sich daraus eine Mehrbelastung zwischen 455 und 838 Euro brutto jährlich.

Ausblick

Tenhagen fordert eine grundlegende Reform der GKV-Finanzierung, um die Schieflage dauerhaft zu beheben. „Selbst wenn die aktuelle Finanzlage kurzfristig stabilisiert wird, bleibt das System anfällig. Ohne strukturelle Veränderungen werden die Kassen immer wieder gezwungen sein, Beiträge zu erhöhen.“

Die Versicherten sollten sich daher frühzeitig auf steigende Belastungen einstellen – denn, so Tenhagen: „Die Beitragsspirale dreht sich weiter.“

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