Elementarschäden: Die Pflicht zur Debatte

Garage mit Fahrrad und Kisten bei Hochwasser
Foto: Smarterpix/ChiccoDodiFC
Ob eine Pflichtversicherung, wie von der neuen Bundesregierung beabsichtigt, eine adäquate Lösung darstellen kann, wird sich zeigen.

Eine Pflichtversicherung soll kommen, doch sie ist umstritten: unklare Beitragshöhen, Belastung für Mieter, fehlende Akzeptanz. Frankreich macht es vor, aber das Modell wankt. Klar ist: Ohne Prävention und moderne Technologien wird keine Lösung nachhaltig sein. Die Debatte steht erst am Anfang. Von Judith Neuman, Guidewire Software.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es, dass im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Absicherung für Elementarschäden angeboten werden soll, und im Bestandsgeschäft Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden sollen. 

Unklar bleibt hierbei, ob Eigentümer die Chance haben, den Policen zu widersprechen und ebenso, wann der Stichtag für das Bestandsgeschäft sein wird. 


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Trotzdem ist der Vorstoß allgemein zu begrüßen, denn die Aussicht darauf, dass sich extreme Klimaereignisse wie die Fluten im Ahrtal häufen werden, schafft eine Nachfrage nach einem robusteren System. Hinzu kommt, dass manche Policen, die zwar greifen, aber eine Wiederaufbaupflicht mit Bindung an den Standort beinhalten, einen Schatten auf Wiederaufbaubemühungen werfen.

Ein Build-Back-Better-Ansatz, wie vom GDV in einer umfassenden Richtlinie beschrieben, ist eher im Sinne der Klimaresilienz, da er zukünftige Elementarereignisse antizipiert und Gebäude für die Zukunft rüstet. Allein mit diesem Hintergrund sind bei Elementarschäden Veränderungen oder Erweiterungen in der heutigen Konstellation aus Versicherern, Rückversicherern und letztlich der Hand des Staates als Rettungsschirm für Immobilienbesitzer sinnvoll.

Allgemeine Verpflichtung: Nur theoretische Fairness?

Ob eine Pflichtversicherung, wie von der neuen Bundesregierung beabsichtigt, eine adäquate Lösung darstellen kann, wird sich zeigen. Pflichtversicherungen sind allgemein jedoch nicht ohne Probleme, denn wenn ein Versicherungsschutz verpflichtend ist, sind Verbraucher gezwungen Beiträge zu zahlen – egal wie diese sich entwickeln. Dies hätte höchstwahrscheinlich auch Folgen für Mieter, deren Vermieter die Prämienlast über Nebenkosten weitergeben. Zusätzlich würden Verbraucher mit geringem Elementarschadenrisiko über ihre Beiträge Wohneigentum mit hohem Risiko mitfinanzieren – ob hohe Beiträge durch diese Quersubventionierung bei Versicherten auf Akzeptanz stößt, sollte kritisch beobachtet werden. 

Französiches Modell mit Defiziten

Ferner bieten viele Versicherer in beispielsweise Hochwasserzone Vier keinen Versicherungsschutz an. Ob dies im Modell der Elementarschadenpflichtversicherung noch möglich ist, bleibt fraglich. Und ob sich diese zuvor nicht bedienten Extremfälle im Modell der Pflichtversicherung auf die Beiträge aller auswirken, ebenso. In jedem Fall wären eine verbindliche Prävention und Klimafolgenanpassung durch risikobewusstes Bauen von entscheidender Bedeutung.

Ein anderes Modell zur gesellschaftlichen Absicherung von Elementarschäden wäre das französische: Seit 1982 existiert dort ein solidarisches System, dessen Kosten für Verbraucher sich auf durchschnittlich 26 Euro pro Jahr beläuft und 98 Prozent der Haushalte schützt. Jedoch ist das Modell seit 2016 defizitär, im Durchschnitt beliefen sich Elementarschäden zwischen 1982 und 2016 auf 1,2 Milliarden Euro, zwischen 2016 und 2022 jedoch auf durchschnittlich 2,5 Milliarden Euro. Steigende Frequenz und Schweregrad von Naturkatastrophen sowie steigende Kosten des Wiederaufbaus durch Inflation und deren Auswirkung auf Material und Arbeitskraft wirken sich negativ auf das französische Cat-Nat-System aus Versicherern, Rückversicherern und Staat aus.

Für Klarheit ist noch mehr Debatte erforderlich

Insgesamt ist ein gesellschaftlicher Diskurs mit allen Beteiligten, Versicherungsnehmern, Rück- und Erstversicherern, aber eben auch dem Staat, erforderlich. Die Thematik des Klimawandels, die Schäden, die er verursacht und wie wir als Gesellschaft diese absichern können, wird Regierungen, Versicherer und Bürger langfristig beschäftigen. Zudem hat das gesamte Themenumfeld einen sehr hohen Stellenwert bei jüngeren Generationen. 

Gleichzeitig sind neue Technologien wie beispielsweise Satellitendaten zu Überschwemmungen und Waldbränden in Echtzeit durch Firmen wie ICEYE, oder Technologien zur verbesserten Klima-Risikoanalyse wie Guidewire HazardHub, noch nicht Teil der Diskussion.

Hinzu kommt, dass bei Versicherungsnehmern eventuell noch ein großer Bedarf an Beratung besteht: In der europäischen Guidewire Verbraucherstudie 2025wünschten sich jeweils 28 Prozent der befragten Deutschen klarere Kommunikation, sowie verständlichere Versicherungssprache- und Bedingungen zu versicherten und nicht-versicherten Klimarisiken und ein Analysetool für Klimarisiken, die ihr Zuhause betreffen. Weitere 23 Prozent wünschten sich mehr Beratung seitens ihres Versicherers zu Präventionsmaßnahmen für Klimarisiken. Insgesamt machten sich ebenfalls beinahe die Hälfte (44 %) der befragten Deutschen Gedanken darüber, ob sie einen Versicherungsschutz zu Klimarisiken abschließen sollten.

Versicherer müssen bei der Diskussion eingebunden werden und sollten verhindern, dass diese von Dritten definiert wird. Wenn Versicherer proaktiv den Diskurs mitgestalten, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Erwartungen in Politik oder bei Verbrauchern enttäuscht werden, wenn sie mit der Realität und Komplexität des Themenumfelds einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung konfrontiert werden. Die technologischen Fortschritte in der Analyse von Klimarisiken, aber auch in der Schadenbearbeitung, können eine große Rolle spielen für die Versicherungsprodukte der Zukunft, die eine Antwort auf die Ängste der Verbraucher sein können.

Autorin Judith Neumann ist Global Head of Industry Advisory for Sustainability & Climate Resilience bei Guidewire Software

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