EXTRA Nachhaltigkeit: ESG – gekommen, um zu bleiben

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Um die Welt als lebenswert zu erhalten, ist ESG-konformes Investieren und Handeln notwendiger denn je.

Nachhaltigkeit ist in der Finanzwelt längst kein Nebenschauplatz mehr. Die drei Buchstaben ESG – für Environmental, Social und Governance – prägen inzwischen Produkte, Beratungsgespräche und regulatorische Rahmenbedingungen. Besonders deutlich zeigt sich das im Segment der Investmentfonds, aber zunehmend auch in der Baufinanzierung.

Der Markt für nachhaltige Investmentfonds wächst rasant. Laut Daten der European Fund and Asset Management Association (EFAMA) entfällt mittlerweile ein bedeutender Teil des Neugeschäfts auf Fonds, die ESG-Kriterien berücksichtigen – Tendenz steigend. Auch Mediolanum International Funds ist in dem Segment seit vielen Jahren unterwegs. „Für uns als Unternehmen ist ESG sehr wichtig. Wir haben vor etwa fünf Jahren begonnen, ESG stärker in den Fokus zu rücken. Seitdem hat es an Relevanz gewonnen und ist sehr bedeutsam geworden – nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kunden. Es war und ist eine echte Win-Win-Situation“, sagt Inma Conde, Head of ESG bei Mediolanum International Funds.

Anleger zeigen ein wachsendes Interesse an ökologisch verantwortungsvollen Investments, sozialer Unternehmensführung und ethischen Standards. Eine aktuelle Studie zeigt zudem, dass für 50 Prozent der Befragten Nachhaltigkeit bei Finanzentscheidungen ein wichtiges oder sehr wichtiges Thema. Ebenso viele wären sogar bereit, auf Rendite zu verzichten, wenn sie im Gegenzug nachhaltig investieren können. Insbesondere in der Altersgruppe der unter 30-Jährigen spielt Nachhaltigkeit eine herausragende Rolle: 57 Prozent von ihnen bewerten das Thema als eher oder sehr wichtig – ein Wert, der nur von den über 60-Jährigen (54 Prozent) annähernd erreicht wird. Auch bei der Bereitschaft, trotz möglicher Renditeeinbußen nachhaltig zu investieren, liegt die Generation Z mit 58 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Doch in der Praxis stellt sich oft die Frage: Was genau ist nachhaltig?

Mit der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) wurde versucht, Ordnung in die Begrifflichkeiten zu bringen – durch die Kategorisierung in Artikel 6 (nicht nachhaltig), Artikel 8 (ESG-Strategie) und Artikel 9 (nachhaltiges Hauptziel). Für Finanzberater und Vermittler bedeutet das: Sie müssen nicht nur die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen, sondern auch in der Lage sein, die passenden Produkte zielgenau zuzuordnen und zu erklären.

Vertriebsseitig ist das eine Herausforderung – aber auch eine Chance. Wer Transparenz schafft, klar kommuniziert und dem Kunden echte Mehrwerte zeigt, positioniert sich als vertrauenswürdiger Partner. Das gilt insbesondere dann, wenn ESG nicht als Marketingbegriff, sondern als integraler Bestandteil der Investmentstrategie verstanden wird. Fondsanbieter und Vertriebspartner müssen deshalb eng zusammenarbeiten, um Standards zu schaffen, Tools zur Verfügung zu stellen und ESG-Kompetenz praxisnah zu vermitteln.

Nachhaltige Baufinanzierung: Der unterschätzte ESG-Treiber

Während Investmentprodukte beim Thema ESG häufig im Rampenlicht stehen, rückt die Baufinanzierung als nachhaltiger Hebel erst langsam ins Bewusstsein. Dabei ist der Gebäudesektor für rund 30 Prozent der CO₂-Emissionen in der EU verantwortlich – und spielt somit eine zentrale Rolle in der Klimapolitik. Energieeffizientes Bauen und Sanieren ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern wird auch politisch forciert – etwa durch die EU-Taxonomie oder nationale Förderprogramme wie die KfW.

Für Finanzierungsvermittler bedeutet das: Die klassische Baufinanzierung wird zur ESG-Finanzierung. Kunden erwarten zunehmend Beratung zu energetischen Standards, zu nachhaltigen Baumaterialien und zur Integration von Fördermitteln. Banken wiederum bewerten Immobilienprojekte zunehmend auch unter ESG-Gesichtspunkten – nicht zuletzt, weil „grüne“ Finanzierungen mit günstigeren Refinanzierungskonditionen verbunden sein können.

Im Vertrieb liegt hier enormes Potenzial. Wer sich als Vermittler auf nachhaltige Baufinanzierung spezialisiert, kann sich vom Wettbewerb differenzieren und neue Kundengruppen erschließen – von umweltbewussten Bauherren bis hin zu institutionellen Investoren. Voraussetzung ist allerdings auch hier fundiertes Fachwissen, der Zugang zu passenden Produkten und eine enge Zusammenarbeit mit Finanzierern, Energieberatern und Fördermittelstellen. Wie ernst auch Banken das Thema mittlerweile nehmen, zeigt das Beispiel ING Deutschland. „ESG ist auch für unsere Marke wichtig. Wenn man sich den Hypothekenmarkt anschaut und die Kundinnen und Kunden mehr an Renovierung und Modernisierung denken, und wenn die Marke auch nachhaltig engagiert ist, dann schauen Finanzierungswillige sehr schnell darauf, was die ING ihnen bietet“, sagt Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei ING.

ESG-Beratung: Zwischen Regulierung und Kundenfokus

ESG ist kein einfaches Beratungsthema. Viele Kunden haben diffuse Vorstellungen, sind unsicher in ihrer Haltung oder misstrauisch gegenüber „Greenwashing“. Gleichzeitig wächst der regulatorische Druck – etwa durch die Pflicht zur ESG-Abfrage im Rahmen der MiFID-II-Anforderungen. Das macht die Beratung anspruchsvoller, eröffnet aber auch einen neuen Zugang zum Kunden: Wer auf Augenhöhe kommuniziert, individuelle Lösungen präsentiert und aktiv aufzeigt, wie Nachhaltigkeit und Rendite Hand in Hand gehen können, wird stärker wahrgenommen und langfristig erfolgreicher sein.

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist dabei die Verknüpfung von ESG mit konkretem Kundennutzen: Energieeinsparungen durch Sanierung, stabile Renditen durch nachhaltige Infrastrukturinvestments oder ein gutes Gewissen bei der Altersvorsorge. ESG darf kein Etikett sein, sondern muss im Beratungsgespräch erlebbar werden – pragmatisch, nachvollziehbar und persönlich relevant.

Fazit: ESG als strategische Vertriebschance

ESG ist gekommen, um zu bleiben – und das ist gut so. Der Finanzsektor trägt Verantwortung für die Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Doch zwischen guten Absichten und gelebter Praxis liegt oft ein weiter Weg. Für den Vertrieb bedeutet das: ESG muss verstanden, erklärt und sinnvoll integriert werden – in Produktlogik, Beratung und Kundenkommunikation.

Wer diesen Weg professionell geht, sich weiterbildet, auf transparente Anbieter setzt und die Beratung an den individuellen Bedürfnissen der Kunden ausrichtet, wird mit Vertrauen, Bindung und Geschäftserfolg belohnt.

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