EXKLUSIV

Fabian von Löbbecke: „Das neue BRSG II lässt entscheidende Chancen ungenutzt“

Foto: HDI
Fabian von Löbbecke, Vorstand HDI Lebensversicherung und Vorstandsvorsitzender der HDI Pensionfonds AG und der HDI Pensionsmanagement AG

Fabian von Löbbecke, Vorstand der HDI Lebensversicherung AG, kritisiert im Gespräch mit Cash. die geplante Neuauflage des BRSG. Der Gesetzentwurf enthalte zwar sinnvolle Ansätze, bleibe aber weit hinter den Möglichkeiten zurück, die bAV einfacher, flexibler und attraktiver zu gestalten.

Herr von Löbbecke, reichen aus Ihrer Sicht die geplanten Verbesserungen aus dem zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II) aus, um die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) zu erhöhen?

von Löbbecke: Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Nein, ich fürchte, dass das nicht der Fall ist. Die Bundesregierung hat mit dem aktuellen Gesetzentwurf zum BRSG II zwar einige Verbesserungen auf den Weg gebracht, dabei jedoch die Chance verpasst, die betriebliche Altersversorgung spürbar attraktiver und praxisgerechter zu gestalten.

Sehen Sie auch gute Ansätze im Gesetzentwurf?    

von Löbbecke: Betriebliche Versorgungssysteme sind systemrelevante Pfeiler für die Versorgung der Arbeitnehmer in Deutschland. Deshalb sind klare Bekenntnisse gefordert, um mögliche Hemmnisse abzubauen und die Verbreitung der bAV zu fördern. Natürlich begrüßen wir die Verbesserungen im Gesetzentwurf. So sind eine Dynamisierung der Fördergrenze für Geringverdiener, die Erleichterung bei Abfindung von Bagatellanwartschaften oder die Ausweitung von Opting-out-Modellen grundsätzlich sinnvolle Weiterentwicklungen.

Warum mangelt es dennoch an der Praxistauglichkeit? 

von Löbbecke:  Es muss die Frage erlaubt sein, ob der Gesetzgeber ausreichend Stellschrauben gedreht hat und bei der Ausgestaltung nicht sogar neue Komplexitätsstufen aufgebaut hat. So ist die verbesserte Abfindungsmöglichkeit daran gebunden, dass der Abfindungsbetrag in die bekanntermaßen insuffiziente gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden muss. Opting-out-Modelle erfordern faktisch weiterhin entsprechende Tarifverträge, und Arbeitgeber, die solche Systeme einrichten, werden mit einem höheren Zwangszuschuss „bestraft“.


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Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht erforderlich?

von Löbbecke: Zum Beispiel wären aus meiner Sicht folgende Maßnahmen sinnvoll gewesen: Angleichen der steuer- und sozialversicherungsfreien Dotierungsgrenzen nach § 3 Nr. 63 EStG, eine einfache Mitnahme der Policen auch im Rahmen der rückgedeckten Unterstützungskasse, eine Vereinheitlichung und Erhöhung der Regelung zum Freibetrag in der Kranken- und Pflegeversicherung, eine Flexibilisierung beziehungsweise Klarstellung der maßgeblichen Mindestgarantien in den verschiedenen Zusageformen. Auch eine Vererbbarkeit für Versorgungsleistungen aus Entgeltumwandlung könnte der bAV-Verbreitung einen Schub geben.

Das BRSG II bleibt also hinter seinen Möglichkeiten zurück, richtig?   

von Löbbecke: Ja, da wäre deutlich mehr möglich gewesen – es hätte nur etwas Mut und der Bereitschaft bedurft, auf die Stimmen aus der Praxis zu hören!    

Experten weisen darauf hin, dass auch bei der bAV für eine gute Rendite die volle Beitragsgarantie nicht beibehalten werden darf. Wie sehen Sie das?   

von Löbbecke: Ganz klar: bAV muss sich lohnen und dafür braucht es eine attraktive Rendite. Hohe Mindestgarantien kosten Geld und senken die Renditechancen. Zudem kann die Sicherheit einer Garantie auch trügen, denn nominal ausgesprochene Garantien werden durch die Inflation geschwächt. Im Ergebnis bietet ein garantielastiges Produkt somit weniger Gewähr für einen gesicherten Ruhestand als eine Lösung mit reduzierter Garantie und höherer Kapitalmarktpartizipation. Deshalb ist es auch aus meiner Sicht tatsächlich legitim, das derzeitige Garantieniveau in der bAV zu überdenken. Es bedarf zumindest einer gesetzlichen Klarstellung, welche Mindestgarantien im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage (boLZ) tatsächlich zu erbringen sind. Wir setzen hier auf clevere Produktlösungen, die auch schon heute unter Berücksichtigung der erforderlichen Garantien, eine Beteiligung am Kapitalmarkt von bis zu 100 Prozent zulassen und so Renditechancen und Sicherheit vereinen.

Weiterhin fordern Experten, dass auch die Rentenbezugsphase flexibler gestaltet werden muss. Was sagen Sie dazu?  

von Löbbecke: Hier muss man folgendes bedenken: Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer für Frauen beträgt derzeit schon 22,2 Jahre, bei Männern sind es 18,8 Jahre. Mit Blick auf die stetig steigende Lebenserwartung ist hier vermutlich noch längst nicht das Maximum erreicht. Es stellt sich also die Frage, warum nicht auch in der Rentenphase die Kraft des Kapitalmarkts genutzt werden sollte. Der Gesetzgeber hätte gut daran getan, auch an dieser Stellschraube zu drehen und die Rahmenbedingungen für einen flexibleren Rentenbezug in der bAV zu harmonisieren.

Sehen Sie Grenzen der Flexibilität?   

von Löbbecke: Ja, denn wichtig ist aus meiner Sicht: Versorgung darf am Ende des Tages nicht mit Vorsorge verwechselt werden. Flexible Auszahlungsoptionen sind gut, aber lebenslange Ausgaben müssen letztlich durch lebenslange Einnahmen gedeckt sein – egal wie alt der Versorgungberechtigte wird. Das ist der Nukleus einer Rente und muss es auch bleiben. Ein Schwanken der Rente innerhalb bestimmter Grenzen ist verkraftbar, zumal wenn dies mit höheren Renditechancen und damit Rentenzahlbeträgen einhergeht. Ein kompletter Wegfall der Versorgungsleistung, wenn das Geld aufgezehrt ist, hingegen nicht. Das unterscheidet Versorgung von Vorsorge. Der Arbeitnehmer sollte die Wahl der Leistungsform haben, wenn er bei Erreichen der Altersgrenze vor der Entscheidung steht. Erst dann können der Bedarf, die Einkommensverhältnisse und die Lebenspläne konkret eingeschätzt und individuell passende Entscheidungen getroffen werden.

Trotz des Fachkräftemangels und der demografischen Aussichten ist gerade bei kleinen und mittlerenen Unternehmen (KMU) die bAV-Durchdringung gering. Sehen Sie als Produktgeber Möglichkeiten, diese attraktiver beziehungsweise weniger komplex zu gestalten, zu bewerben und somit den Vertrieb zu unterstützen?

von Löbbecke: In der Tat ist der Nachholbedarf in Sachen bAV bei den KMU besonders hoch. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass bei Betrieben mit bis zu vier Beschäftigten nur jeder vierte Arbeitnehmer eine bAV hat. Gleichzeitig bestätigen Studien, dass die bAV ein probates Instrument zur Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern ist. Hier muss dringend nachgelegt werden. Auch wir als Branche sind hier wichtig und gefordert. Wir müssen Arbeitgebern Lösungen anbieten, die den Nerv der Betriebe und der Arbeitnehmer treffen. Hierbei kann es sinnvoll sein, über den Tellerrand der bAV hinauszuschauen und andere Leistungsmodule einzubinden.

Können Sie Beispiele nennen? 

von Löbbecke: Smarte Kombinationen mit steuerfreien Sachzuwendungen können zum Beispiel die Effizienz einer bAV zusätzlich hebeln und den Eigenaufwand der Arbeitnehmer deutlich senken. Es muss aber gerade für KMU einfach handhabbar, haftungsarm und transparent sein.

Wie muss sich der Vertrieb hier aufstellen, um erfolgreich zu sein?  

von Löbbecke: Beratung und Kommunikation bleiben wichtige Erfolgsfaktoren. Um erfolgreich zu bleiben, müssen Vertriebe auf zeitgemäße Multi-Kanal-Lösungen setzen. Klassische persönliche Beratung, Self-Service-Portale und Remote-Gespräche ergänzen sich dabei optimal. Arbeitnehmerportale bieten rund um die Uhr Zugang, was besonders jüngeren oder digital affinen Mitarbeitern entgegenkommt. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass der finale Abschluss meist im persönlichen Austausch – vor Ort oder digital – erfolgt.

Wie unterstützt hier HDI?  

von Löbbecke: Arbeitgeber profitieren von digitalen Verwaltungsplattformen wie dem HDI bAVnet: Hier lassen sich bAV-Verträge effizient, papierlos und sicher online verwalten oder Anpassungen schnell umsetzen. Übertragbare Schreibrechte an Vertriebspartner oder Steuerberater sorgen zusätzlich für Entlastung. Mit Tools wie „HDI mybAV“ erhalten Arbeitnehmer zudem eine individuelle, digitale Beratung und können ihre Verträge jederzeit einsehen, den Status verfolgen oder direkt Kontakt zum Berater aufnehmen.

Und kann der Gesetzgeber hier weiterhelfen? 

von Löbbecke: Hierbei hilft es natürlich, wenn der Gesetzgeber neue Anreize zur Geringverdienerförderung schafft oder Komplexität und Hemmnisse abbaut. Luft nach oben gibt es noch. Hier sei eine in der Praxis handhabbare Möglichkeit genannt, Opting-out-Modelle einzuführen. Oder ein Haftungsausschluss des Arbeitgebers, im Sinne eines „pay and forget“, außerhalb von Beitragszusagen im Rahmen von Sozialpartnermodellen (SPM). Ich bin überzeugt, dass dies die bAV viel stärker fördern würde als die geplanten kleinen Änderungen im BRSG II, die nur den Zugang zu SPM erleichtern sollen.

Die Fragen stellte Journalistin und Cash. Autorin Sylivia Fischer

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