Die deutsche Infrastruktur braucht frisches Kapital – privates Geld bleibt allerdings bislang weitgehend ungenutzt. „Die deutschen Versicherer haben insgesamt rund 112 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte investiert – aber nur zu einem geringen Teil in Deutschland selbst“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Nach Ansicht des Verbandes könnte deutlich mehr Kapital in Straßen, öffentliche Gebäude oder den Nahverkehr fließen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden.
Mit dem Länder- und Kommunal-Infrastrukturfinanzierungsgesetz (LuKIFG), dass am 10. Oktober im Bundestag beschlossen wurde, sieht der GDV nun einen möglichen Wendepunkt. Das Gesetz regelt die Verteilung von 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen an die Länder und erlaubt ausdrücklich auch die Förderung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP). „Das ist ein wichtiges Signal“, betont Asmussen.
Gesetz eröffnet Chancen für neue Partnerschaften
ÖPP-Modelle gelten in vielen Ländern als effektiver Weg, um große Projekte schneller und effizienter umzusetzen. Dabei übernimmt ein privater Partner im Auftrag der öffentlichen Hand Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb – etwa einer Brücke oder Schule. „Erfahrungen mit ÖPP-Projekten zeigen, dass sie häufig schneller umgesetzt werden, die Kosten besser kontrollierbar bleiben und das Kapital der öffentlichen Hand effizienter eingesetzt wird“, so Asmussen.
Trotz des neuen Gesetzes bleibt der Investitionsbedarf in nahezu allen Infrastrukturbereichen hoch. Nach Einschätzung des GDV können die Mittel aus dem Sondervermögen diesen Bedarf allein nicht decken. „Bund, Länder und Kommunen müssen privates Kapital bestmöglich einsetzen“, sagt Asmussen. Bislang fehle es jedoch an einem verlässlichen Angebot neuer Projekte und an Planungskontinuität. Länder wie Frankreich seien in dieser Hinsicht deutlich weiter.
Skepsis gegenüber ÖPPs bremst Fortschritt
In Deutschland stoßen Öffentlich-Private Partnerschaften häufig auf Skepsis. Ein Grund sei das Denken in Legislaturperioden, erklärt Asmussen. Weil ÖPPs in der laufenden Finanzierung teurer erscheinen als reine Schuldenprojekte, würden sie oft vorschnell verworfen. „Dabei geht es bei diesen Projekten nicht nur um den Bau, sondern auch um den jahrzehntelangen Betrieb und Erhalt – etwa einer Autobahn über 30 Jahre“, betont er.
Der GDV plädiert daher für ein Umdenken bei Bund, Ländern und Kommunen. „Vorbehalte gegenüber Partnerschaftsmodellen sind unbegründet und kosten am Ende Zeit und Geld“, so Asmussen. Entscheidend sei, langfristige Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Versicherer als langfristige Investoren
Versicherer gelten als besonders geeignete Investoren für Infrastrukturprojekte, da sie langfristig orientiert sind und jährlich zwischen 200 und 300 Milliarden Euro neu anlegen. Ein größerer Teil dieses Kapitals könnte künftig in die öffentliche Infrastruktur fließen – vorausgesetzt, die Politik schafft stabile Rahmenbedingungen und fördert systematisch neue ÖPP-Projekte.
Um Transparenz und Vergleichbarkeit zu erhöhen, spricht sich der GDV dafür aus, bei allen großen Infrastrukturvorhaben verpflichtend eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung mit Lebenszyklusbetrachtung durchzuführen. Dadurch lasse sich nachvollziehen, ob eine Zusammenarbeit mit privaten Partnern über den gesamten Zeitraum wirtschaftlicher ist als andere Beschaffungswege. Wenn das neue Gesetz als Impuls für langfristige Projektplanung und verlässliche Partnerschaftsmodelle genutzt wird, könnte daraus ein nachhaltiger Investitionspfad für Deutschlands Infrastruktur entstehen.