Greenwashing: „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Foto: Florian Sonntag
Frank O. Milewski, Chefredakteur Cash.

Mit zunehmender Bedeutung von ESG wächst auch die Gefahr des Greenwashing. Immer wieder wird Anlegern deshalb empfohlen, bei ihren Investments auf der Hut zu sein. Dabei ist eine objektive Beurteilung des Sachverhalts zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum möglich. Ein Kommentar von Frank O. Milewski, Chefredakteur Cash.

Verantwortungsvolles Investieren liegt  – trotz vieler anderer Themen auf der Wirtschafts-Agenda – nach wie vor im Trend. Unlängst hat das Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG) den Marktbericht 2023 veröffentlicht und darin ein sattes Plus von 15 Prozent für das Wachstum nachhaltiger Geldanlagen im Jahr 2022 hierzulande konstatiert. Insgesamt kletterten die nachhaltig angelegten Vermögenswerte auf die Rekordmarke von 578 Milliarden Euro. Besonders deutlich ging es mit plus 29 Prozent für den Bereich nachhaltiger Publikumsfonds nach oben. Dort sind mittlerweile 317 Milliarden Euro ESG-konform investiert. Damit ist dieses Segment fast doppelt so groß wie das Volumen für Mandate und Spezialfonds (159 Milliarden Euro), die allein an institutionelle Kunden vertrieben werden.

Soweit die nackten Zahlen und soweit auch die positive Entwicklung bei ESG-Investments. Wenn es indes zum Thema Greenwashing kommt, werden Erinnerungen an den Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mit Bill Murray als misanthropischen Wettermann Phil Connors wach, der jedes Jahr in die Provinz reist, um zum Murmeltier-Tag am 2. Februar dem Ritual und der Frage nachgeht, wie lange der Winter denn wohl noch dauern mag. Und er gerät schließlich in eine Zeitschleife und muss den Tag immer und immer wieder erleben. Ähnliches gilt für Kritiker, die immer und immer wieder die Gefahr des Greenwashings von ESG-Anlagen, also quasi des Etiketten-Schwindels, betonen, aber sich damit permanent im Kreis drehen.

Erst jüngst gab es wieder eine solche Kritik aus dem Hause der Finanzaufsicht BaFin, die sich eine neue Sustainable-Finance-Strategie gegeben hat. BaFin-Exekutivdirektor Rupert Schaefer führt in einem Interview dazu aus: „Anlegerinnen und Anleger müssen Investitionsentscheidungen treffen können, die ihren Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen. Dafür benötigen sie vollständige und verständliche Informationen. Sie müssen vor Irreführung geschützt und gemäß den gesetzlichen Vorgaben und gegebenenfalls ihren eigenen ESG-Präferenzen fair beraten werden. Die Bafin setzt sich für Transparenz ein. Sie will so erreichen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eigenverantwortliche und gut informierte Entscheidungen treffen können. Greenwashing ist gefährlich. Es zerstört das Vertrauen in den Markt für nachhaltige Investitionen und schadet Anlegerinnen und Anlegern“.

Ja, Greenwashing ist gefährlich, keine Frage. Es kann das Vertrauen in den ESG-Markt und die dort tätigen Unternehmen erschüttern. Allerdings kann derzeit trotz entsprechender EU-Regulatorik gar nicht beurteilt werden, ob bei ein tiefgreifender Etiketten-Schwindel vorliegt. Das hat auch Roland Kölsch, Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG), während der Veröffentlichung des FNG-Marktberichts zum Ausdruck gebracht. Ob ein Produkt oder eine Gesellschaft Greenwashing betreibt, könne erst dann final beurteilt werden, wenn es tatsächlich allgemeingültige Regeln und Standards gebe. Da der Markt davon aber noch weit entfernt ist, ist die Warnung vor Greenwashing zwar sehr öffentlichkeitswirksam, aber in der Sache wenig hilfreich. Gleiches gilt für den jüngsten Vorstoß der EU, wonach eine neue Richtlinie Firmen-Slogans wie „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ den Garaus machen könnte. Danach müssten alle Aussagen in Bezug auf das Klima wissenschaftlich belegt werden. Anderenfalls drohten nach bisherigem Kenntnisstand saftige Geldstrafen von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens. Angesichts der Tatsache, dass es die EU bis heute nicht geschafft hat, die ESG-Regeln allgemeinverbindlich festzuschreiben, ist dieses Vorhaben schon starker Tobak. Ob es jemals einheitliche Standards geben wird, bleibt ohnehin abzuwarten. Denn dafür ist ESG einfach zu facettenreich und jede Standardisierung birgt deshalb das Risiko, nur den kleinsten gemeinsamen Nenner festzuschreiben. Als Anleger führt kein Weg daran vorbei, sich mit dem Wunsch-Produkt intensiv auseinanderzusetzen, um entscheiden zu können, ob die ESG-Konformität den eigenen Präferenzen genügt.

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