Sie wurden in diesem Jahr zum Head of the Year ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung persönlich?
Bohn: Zunächst einmal sehe ich das als große Wertschätzung – aber nicht für mich allein, sondern für die gesamte Alte Leipziger-Hallesche Gruppe. Ich verstehe mich hier eher als Stellvertreter, denn so etwas erreicht man nie im Alleingang. Es ist eine Auszeichnung für unser Vorstandsteam, unsere Führungskräfte und vor allem für unsere Mitarbeitenden. Ohne deren hervorragende Arbeit – und das nicht nur über ein Jahr, sondern über viele Jahre hinweg – wäre das gar nicht möglich. Natürlich freue ich mich auch persönlich darüber. Gerade als CEO ist man ja nicht ständig im Rampenlicht, da stehen selten Leute am Wegesrand und applaudieren. Deshalb empfinde ich es schon als schöne Bestätigung, dass unsere Arbeit auch von außen wahrgenommen wird. Und es ist auch legitim, so eine Auszeichnung ein Stück weit für sich selbst in Anspruch zu nehmen.
Stichwort „von außen“: Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, warum Berater und Kunden der Alten Leipziger beziehungsweise der ALH-Gruppe so großes Vertrauen entgegenbringen?
Bohn: Unser Markenzeichen ist Kontinuität, Berechenbarkeit und Stabilität. Stabilität in zweierlei Hinsicht: als Unternehmen, das seit vielen Jahrzehnten verlässlich am Markt ist, und in unseren Zahlen, die kontinuierlich eine solide Entwicklung zeigen. Man sieht das besonders gut, wenn man die Lebensversicherung betrachtet: Ohne Sondereffekte und Übergangsmaßnahmen zeigt sich über viele Jahre hinweg ein sehr stabiler, geradliniger Kurs. Das hat natürlich auch mit unserer Historie zu tun. Die Alte Leipziger wird bald 200 Jahre alt, die Hallesche steuert auf ihr 100-jähriges Bestehen zu.
Allein das ist in der heutigen Zeit bemerkenswert. Diese lange Erfahrung prägt uns: In der Personenversicherung mit unseren „beiden großen Schiffen“ Leben und Kranken haben wir eine ausgeprägte Produktkompetenz aufgebaut, die uns auszeichnet. Innovation gehörte immer dazu. Hinzu kommt unsere Stellung im Markt: Wir bezeichnen uns selbst als großen Mittelständler, stehen aber in der Lebensversicherung inzwischen auf Platz 5. Gerade im laufenden Beitrag sind wir in den letzten 15 Jahren stärker gewachsen als die Branche – vom Platz 18 auf Platz 5. Das zeigt: Wir sind kontinuierlich überdurchschnittlich erfolgreich unterwegs. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist unser Geschäftsmodell. Wir sind traditionell Maklerversicherer.
Das heißt: Wir arbeiten seit vielen Jahren eng mit Vertriebspartnern zusammen, hören sehr genau hin und richten unsere Produkte danach aus. Unsere Stärke liegt in der Kompetenz, die Makler zu verstehen. Diese direkte Rückmeldung aus dem Markt hat uns geprägt und vorangebracht. Darüber hinaus sind wir ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Unsere Kunden sind zugleich Mitglieder und Träger des Unternehmens.
Das schafft Nähe und emotionale Bindung. Zudem hat sich diese Rechtsform bewährt: Studien zeigen, dass Versicherungsvereine in den letzten 25 Jahren stärker gewachsen sind. Dabei unterliegen wir denselben regulatorischen Anforderungen und demselben wirtschaftlichen Druck wie Aktiengesellschaften. Dass wir diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen, hat sich zuletzt im Rating von Standard & Poor’s bestätigt: Wir wurden auf A+ hochgestuft. In Summe ist es diese Mischung aus Tradition, Stabilität, Produktkompetenz, Innovationskraft, enger Maklerorientierung und unserer besonderen Rechtsform, die uns auszeichnet und erklärt, warum uns Berater und Kunden seit so vielen Jahren vertrauen.
Sie haben gerade die Finanzstärke und Stabilität skizziert. Nun sind Kapitalpuffer ja endlich – sie können sich auch einmal in eine ganz andere Richtung entwickeln. Ist es da nicht doch ein Nachteil, dass Sie keine AG sind und somit keinen direkten Zugang zum Kapitalmarkt haben wie andere Aktiengesellschaften?
Bohn: Ich würde das nicht als Nachteil bezeichnen. Wir haben über Jahrzehnte gezeigt, dass wir auch ohne Zugang zum Kapitalmarkt erfolgreich sind – unsere lange Historie spricht für sich. Unsere Eigenkapitalquoten in Kranken- und Lebensversicherung sind außergewöhnlich hoch und bilden das Rückgrat unserer Stabilität. Diese Mittel erwirtschaften wir selbst. Zudem betreiben wir ein stringentes Asset-Liability- und Risikomanagement, das uns Sicherheit gibt, unnötige Risiken zu vermeiden und Kapitalabflüsse zu verhindern. Deshalb hat uns diese Struktur nie behindert, sie ist für uns neutral – wir leben gut damit.
Sie sprachen eben von zwei Schiffen – der Leben und der PKV, also der Halleschen. Blicken wir einmal auf den Lebenbereich: Fondspolicen sind mittlerweile ein relevanter Teil Ihres Kerngeschäfts, und Sie gehören marktweit zu den Treibern. Nun ist der Markt aber voll ähnlicher Produkte. Worin unterscheidet sich die Alte Leipziger eigentlich vom Wettbewerb?
Bohn: Das ist eine gute Frage. Wir verstehen uns als Allround-Anbieter mit breiter Produktpalette – von Fondspolicen ohne Garantie über klassische und flexible Garantien bis zu Hybridlösungen, die Sicherheit und Kapitalchancen kombinieren. So finden unterschiedliche Kundengruppen stets passende Lösungen. Besonders bei Fondspolicen mit freier Auswahl unterscheiden wir uns durch drei Faktoren: Erstens ein breites Angebot mit rund 180 Fonds und ergänzenden Musterportfolios. Zweitens Kosteneffizienz durch institutionelle Anteilsklassen, die sonst nur Profis offenstehen – ein klarer Vorteil für Privatkunden. Drittens außergewöhnliche Flexibilität: kostenlose Fondswechsel, automatisches Rebalancing und eine fondsbasierten Auszahlungsphase, die auch im Ruhestand Chancen eröffnet. Diese Freiheit in Kombination mit der Produkttiefe ist ein klarer Differenzierungsfaktor im Markt.
Sie haben bereits einige Produktvarianten genannt. Hinzu kommt ja noch die „Neue Klassik“ als weitere Optionen. Wie stellen Sie sicher, dass die Produkte nicht zu komplex werden?
Bohn: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Eine gewisse Grundkomplexität ist heute unvermeidlich – allein durch regulatorische Vorgaben. Mit unseren smarten Hybridrenten setzen wir genau hier an: Sie sind so gestaltet, dass sie für Kunden wie für Berater leicht handhabbar bleiben. Umschichtungen oder Ablaufmanagement laufen automatisch, Module können flexibel gewählt oder abgewählt werden. So bleibt die Übersicht gewahrt. Zugleich stellen wir fest, dass die Offenheit der Kunden für solche Themen heute deutlich größer ist als noch vor fünf Jahren. Wichtig ist auch die Schulung unserer Vertriebspartner – digital wie vor Ort. Denn sie müssen die Produkte nicht nur verständlich erklären, sondern auch ihre Eignung belegen. Je einfacher das gelingt, desto leichter fällt es dem Vertrieb. Und das ist ganz menschlich: Was man selbst nachvollziehen kann, verkauft man auch lieber.
Das ist die eine Richtung – von Ihnen zum Makler. Aber funktioniert es auch umgekehrt? Also dass der Makler als eine Art Korrektiv wirkt und zurückspielt: „Beim Kunden XY kommt das gar nicht an, der versteht das nicht“?
Bohn: Ja, selbstverständlich. Wir haben seit jeher sehr enge und intensive Kontakte zu unseren Vertriebspartnern, und natürlich kommt von deren Seite auch Feedback. Häufig fließt dieses bereits in die Produktentwicklung ein. Man kann sagen, es gibt im Grunde zwei Ideenpools: Zum einen ist es der Markt – und damit sehr oft der Makler –, der Rückmeldungen gibt, meistens auf Basis bestehender Produkte. Zum anderen sind wir es selbst, die Markttrends beobachten und überlegen, welche Produkte sich vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen oder neuer Möglichkeiten entwickeln lassen. Beide Stränge laufen dann zusammen: Wir entwickeln etwas, und im nächsten Schritt verproben wir das ganz bewusst mit Vertriebspartnern. Wir fragen konkret: Würdet ihr das verkaufen? Was überzeugt euch, was nicht? Auf diese Weise entsteht ein kontinuierlicher Austausch, der für uns unverzichtbar ist.
Kommen wir zu einer eher politischen Frage. Es wird seit Langem diskutiert: Viele Menschen haben heute schon Mühe, den Alltag zu finanzieren. Wie realistisch ist es da überhaupt noch, dass der „Otto Normalverbraucher“ Vorsorge betreiben kann – in einer Zeit, in der alles teurer wird und jeder Euro zweimal umgedreht werden muss?
Bohn: Das ist zunächst einmal eine gesellschaftliche Frage: Wie bewerte ich meine Situation als Bürger, Familienvater oder Einzelperson in Bezug auf meine Altersvorsorge? Menschen überlegen heute genauer, wofür sie ihr Geld ausgeben – aber sie geben es weiterhin aus. Am Ende ist es eine persönliche Entscheidung: Investiere ich in Vorsorge oder nutze ich die 50, 80 oder 100 Euro für Freizeit? Wir bieten dafür einfache, kostengünstige Produkte wie Fondspolicen ohne Garantie an. Doch die eigentliche Hürde ist oft psychologisch. Genau hier sehe ich die betriebliche Altersversorgung als Schlüssel: Sobald das Geld direkt vom Lohn abgeht, steigt kaum jemand wieder aus. Es funktioniert wie Steuern oder Abgaben – automatisch und ohne im Alltag zu fehlen. Deshalb sind wir als bAV-Anbieter große Befürworter, dieses Modell noch stärker zu verbreiten – gerade für kleine und mittelständische Unternehmen. Wenn wir die bAV flächendeckend einfacher zugänglich machen, wäre das aus meiner Sicht der größte Fortschritt für die Altersvorsorge in Deutschland.
Seite 2: „Auf Dauer ist das nicht tragfähig“

















