Die betriebliche Altersversorgung (bAV) gilt als zentrale Säule im deutschen Vorsorgesystem – und als eine der effektivsten Möglichkeiten, dem wachsenden Risiko von Altersarmut entgegenzuwirken. In der politischen Debatte wird sie seit Jahren als Hoffnungsträger gepriesen, vor allem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Doch die Realität sieht vielfach anders aus: Komplexe rechtliche Rahmenbedingungen, administrativer Aufwand und mangelnde Bekanntheit hemmen die Verbreitung – vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Doch nicht nur die mangelnde Durchdringung im Mittelstand ist eine Herausforderung. Hinzu kommt, dass durchschnittlich gerade einmal 22,6 Prozent aller berufstätigen Frauen einen bAV-Vertrag abgeschlossen haben. Bei den Männern sind es immerhin 77 Prozent. „Das hat mehrere Gründe. Aber in vielen Unternehmen, wo ein Unternehmer selbst ein Versorgungsmodell gestalten könnte“, passiert oft nichts“, erklärt Cordula Vis-Paulus, bAV-Expertin und Maklerin, die Ursachen. Besondern dramatisch sei die Versorgungslücke bei Frauen. Diese habe sie als bAV-Expertin selbst nicht im Fokus gehabt. „Das kam in meinen Konzepten schlicht nicht vor“, sagt Vis-Paulus. 90 Prozent aller bAV-Experten seien Männer – und die hätten das Thema schlicht nicht auf dem Schirm. Von den betroffenen Frauen komme oft die Nachfrage, ob die bAV-Expertin nicht helfen könne die spätere Rente aufzubessern? „Auch beim Firmenchef landet das Thema meist nicht. Die Rentenlücke stirbt im toten Winkel zwischen Schreibtisch und Kochtopf“. Die durchschnittlichen monatlichen Alterseinkünfte bei Frauen liegen bei 803 Euro, bei Männern sind es immerhin 1300 Euro. „Das Prinzip der Freiwilligkeit – wir sehen jetzt seit über 22 Jahren, dass es nicht funktioniert. Wie lange wollen wir noch zusehen?“, fragt die bAV-Expertin.
Zwar wurde mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) 2018 ein erster Reformversuch unternommen. In der Praxis blieb die Wirkung jedoch begrenzt. „Die Hoffnung der Politik, mit dem BRSG dem stockenden bAV-Markt neuen Schwung zu verleihen, hat sich nicht erfüllt“, sagt Ruven Simon, Leiter bAV-Vertrieb bei der WWK Lebensversicherung. Ein Grund dafür sei die nach wie vor hohe Komplexität des Systems: „Die bAV ist für viele schlichtweg zu kompliziert.“ Tatsächlich greifen in der betrieblichen Altersversorgung mehrere Rechtsgebiete ineinander – Arbeitsrecht, Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht und Versicherungsvertragsrecht. Diese Vielschichtigkeit führt dazu, dass sich sowohl Arbeitgeber als auch Vermittler mit der Umsetzung schwertun. Der ursprüngliche Plan, mit dem sogenannten BRSG II weitere Vereinfachungen zu schaffen, wurde mit dem Scheitern der Ampel 2024 gestoppt. Quer durch die Branche wird das bedauert. Andererseits wird bezweifelt, dass das BRSG II mit seinen Maßnahmen ausreicht, um die bAV – wie politisch gewünscht – flächendeckend einzuführen.
Unabhängig von den regulatorischen Hürden steigt der Druck auf Unternehmen, in Sachen bAV aktiv zu werden – nicht zuletzt aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels. Arbeitgeber setzen zunehmend auf zusätzliche Leistungen, um im Wettbewerb um qualifizierte Beschäftigte zu bestehen. Dabei ist die bAV eines der attraktivsten Instrumente zur Mitarbeiterbindung. Arbeitgeber empfinden das Thema nicht mehr als lästige Pflicht, sondern nutzen es gezielt für Recruiting und Personalbindung. Diese Entwicklung eröffnet Vermittlern neue Chancen – vorausgesetzt, die angebotenen Lösungen sind einfach verständlich, digital anschlussfähig und flexibel an die Lebenswirklichkeit der Beschäftigten anpassbar. Die Anforderung lautet: Vereinfachung auf allen Ebenen – im Produktdesign, in der Prozessgestaltung und beim Service.
Eine zentrale Rolle spielt in dem Zusammenhang die Digitalisierung. Beratung, Antragstellung und Verwaltung sind für Arbeitgeber wie auch Vermittler häufig mit erheblichem Aufwand verbunden. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach digitalen Lösungen, die Prozesse verschlanken, Schnittstellen harmonisieren und Verwaltungskosten senken. Doch trotz digitaler Transformation gilt: Der persönliche Kontakt bleibt gerade im komplexen Geschäftsfeld der bAV entscheidend. „Mittelständische Arbeitgeber benötigen professionelle Vermittler, die ihnen den Weg durch den bAV-Dschungel weisen“, sagt bAV-Experte Simon. Gleichwohl bleibe die persönliche Beratung damit ein zentrales Element – unterstützt durch digitale Werkzeuge, aber nicht ersetzt.
Dieser Artikel ist Teil des EXKLUSIV Betriebliche Altersvorsorge in Kooperation mit WWK. Alle Artikel des EXKLUSIV finden Sie hier.