Ist die Führungsrolle der USA in Gefahr?

3D-Illustration einer zerrissenen und zerrissenen Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika vor einem dunklen wolkenverhangenen Himmel
Foto: PantherMedia/Burgstedt
Droht der Weg in die Bedeutungslosigkeot der USA?

Im ersten Quartal 2025 ist die US-Wirtschaft leicht geschrumpft. Vor allem geringere Staatsausgaben dämpften das Wachstum. Die Konjunkturwende und die Verschiebungen vom öffentlichen zum privaten Sektor dürften kaum ohne Auf und Ab verlaufen. Doch ist die globale wirtschaftliche Führungsrolle der Vereinigten Staaten in Gefahr?

„Um die Frage zu beantworten, muss zunächst etwas anderes geklärt werden: Was macht diese Ausnahmestellung aus?

Man könnte sie als ein recht neues Phänomen ansehen, als Folge des hohen Wirtschaftswachstums in den USA und der guten Performance amerikanischer Aktien seit Corona, vor allem gegenüber Europa und China.

Dann wäre die Antwort wohl ein Ja. Eine so definierte Ausnahmestellung geht irgendwann zu Ende, zumal in den USA mit weniger Wachstum und mehr Inflation gerechnet wird.

Ein Grund für den amerikanischen Wachstumsvorsprung seit der Pandemie waren sicherlich die zuletzt nicht mehr nachhaltigen Staatsausgaben. Sie ließen das US-Haushaltsdefizit auf über 6 Prozent steigen. Letzte Woche wurde bekannt, dass die amerikanische Wirtschaft im 1. Quartal 2025 annualisiert um etwa 0,3 Prozent geschrumpft ist. Beim BIP spielen die Nettoexporte eine wichtige Rolle. Sie waren im ersten Quartal deutlich negativ, weil viele Unternehmen vor Einführung höherer Zölle noch schnell Importgüter kauften. Höherer Konsum und der Lageraufbau glichen das aber aus. Am Ende sorgte der 0,25-prozentige Rückgang der Staatsausgaben für einen negativen Gesamtwert.

Viele Positiv- und Negativfaktoren also, aber unter dem Strich ein Minus: Kommt es im 2. Quartal ähnlich, befänden wir uns definitionsgemäß in der Rezession. Mehr Konsum heute könnte weniger Konsum morgen bedeuten. Zurzeit sprechen die harten Daten aber dafür, dass vor allem der Rückzug des Staates das Wachstum dämpft. Weniger Staat ist aber genau das Ziel der Trump’schen Politik, die das Wachstum des privaten Sektors stärken soll, auch durch verlängerte Steuersenkungen und eine lockerere Regulierung.

Die Konjunkturwende und die Verschiebungen vom öffentlichen zum privaten Sektor dürften kaum ohne Auf und Ab verlaufen, und Trumps unberechenbare Außenhandelspolitik macht es nicht besser. Dennoch glauben wir, dass die USA am Ende wieder langfristig und noch dazu nachhaltiger wachsen werden.

Flexibilität und Unternehmergeist

Die amerikanische Ausnahmestellung lässt sich aber auch grundsätzlicher definieren. Dazu hilft ein Blick auf die Geschichte: Erinnern wir uns daran, wie die USA zur größten Wirtschaftsmacht der Welt geworden sind.

Wesentlichen Anteil daran hatte die Entscheidung in Bretton Woods, das Weltfinanz- und Welthandelssystem an den US-Dollar zu binden. Noch wichtiger sind aber die Stärken und Vorzüge der amerikanischen Wirtschaft: tiefe und liquide Kapitalmärkte, gut ausgebildete und flexible Arbeitnehmer, ein einzigartiger Unternehmergeist und eine hohe Risikobereitschaft.

All das bedeutet, dass amerikanische Arbeitnehmer, Unternehmer und Investoren leichter die nötigen Risiken eingehen können, um sich an schnelle Veränderungen anzupassen. Im frühen 20. Jahrhundert wurde in den USA das Fließband erfunden, und vor nicht einmal einer Generation das Internet.

Wir halten die amerikanische Flexibilität heute für einen wichtigeren Wettbewerbsvorteil denn je – wegen Entwicklungen wie Künstlicher Intelligenz, aber auch wegen der immer unberechenbareren Politik, der Weltpolitik und häufigerer Lieferkettenstörungen.

Wenn Kunden uns fragen, ob die übrige Welt gegenüber den USA jetzt etwas aufholt, ist meine Antwort ein Ja. Fragen Sie mich aber, ob die weltwirtschaftliche Führungsrolle der USA bald endet, antworte ich mit Nein.“

Autor Joseph Amato ist President und Chief Investment Officer – Equities bei Neuberger Berman.

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